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Bahrain: Harter arabischer Frühling

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Aufstand in Bahrain Verbieten, verhaften, vertuschen

Mit aller Härte geht Bahrains Herrscherhaus gegen die Opposition vor: Regimegegner werden verhaftet, vier sind im Gefängnis ums Leben gekommen. Die Demokratiebewegung erstickt in Gewalt und Unterdrückung.

Einfach verbieten - das ist für Despoten eine naheliegende Möglichkeit, um unbequeme Parteien im Land auszuschalten. Orte mit politischer Symbolkraft lassen sich abreißen, planieren und zu Verkehrsinseln umgestalten. Und die Verbreitung unappetitlicher Fotos von Schusswunden und Folterspuren an den Körpern der Oppositionellen kann man nachhaltig vermeiden, wenn Röntgenbilder, Krankenakten sowie die behandelnden Ärzte sicher-, beziehungsweise ruhiggestellt werden.

So läuft es derzeit auch in Bahrain - vier Wochen, nachdem Truppen des Golf-Kooperationsrats am 15. März in das Königreich einmarschierten und der arabische Frühling dort erst einmal mit Gewalt und Unterdrückung endete. Das seit 227 Jahren regierende sunnitische Königshaus al-Khalifa hat die militärische Unterstützung des Rats, zu dem neben Bahrain auch Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman und Kuwait gehören, angefordert, um die wochenlangen Proteste von Demokratiebewegung und schiitischer Bevölkerungsmehrheit zu zerschlagen.

Nun folgt der nächste Schlag. Das Ministerium für Justiz und Islamangelegenheiten kündigte an, die beiden größten Oppositionsgruppen Islamische Aktionspartei und al-Wifaq zu verbieten. Ihre Aktivitäten hätten "den sozialen Frieden und die nationale Einheit beeinträchtigt sowie zur Missachtung von Verfassungsorganen angestachelt". Al-Wifaq hatte bei den Wahlen im vergangenen Jahr 18 von 40 Sitzen gewonnen - allerdings in einem Parlament, das nur eine dekorative Funktion hat. Schon nach der ersten Niederschlagung des Aufstands hatten die Abgeordneten ihre Posten ruhen lassen, jetzt folgt das Verbot.

"Vier tote Festgenommene in neun Tagen ist ein Verbrechen, kein Zufall"

In Manama und den Vororten der Hauptstadt wagen noch immer viele nicht, das Haus zu verlassen. Familien in den schiitischen Vierteln hängen an ihren Handys, um zu erfahren, wer verhaftet ist und was in der Stadt geschieht. Nachts patrouillieren Polizeikräfte, immer noch gehören Checkpoints zum Straßenbild.

Die Furcht vor einer Verhaftung ist groß: Ein Gründungsmitglied der al-Wifaq, der 49-jährige Geschäftsmann Karim Fakhrawi, ist am 12. April in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen, angeblich war Nierenversagen der Grund. Er hatte sich bei der Polizei über eine nächtliche Razzia im Hause von Verwandten beschwert. Bereits zuvor waren die beiden Aktivisten Ali Issa Saqer und Zakaraya Rashid Hassan in ihren Zellen tot aufgefunden worden. Auch ein vierter Oppositionsanhänger kam ums Leben. "Vier tote Festgenommene in neun Tagen ist ein Verbrechen, kein Zufall", sagt Joe Stork von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Die Regierung sagt den Familien der Festgenommen nichts über ihren Aufenthaltsort und ihren Zustand, solange sie am Leben sind. Oder später über die Umstände ihres Todes."

Der Vorsitzende des Europaparlaments, Jerzy Buzek, sagte, er sei "tief betroffen" über die Foltervorwürfe und die Verhaftung von mehr als 400 Aktivisten, Bloggern und Oppositionellen. "Diese massiven Misshandlungen scheinen kein Einzelfall zu sein", erklärte Buzek. "Immer noch ist der Aufenthalt von öffentlichen Personen unbekannt, zum Beispiel von Abdulhadi al-Khawaja, dem ehemaligen Präsidenten des Bahrainer Zentrums für Menschenrechte."

Attacke auf Ärzte

Auch Mediziner sind dieser Tage nicht vor Repressalien geschützt. In Manamas größten Krankenhaus, dem Salmaniya Hospital, wurden mindestens ein Dutzend Ärzte und Krankenschwestern verhaftet. Ambulanzfahrer wurden misshandelt, von mindestens zweien fehlt, nach Angaben von Bürgerrechtlern, seit dem 15. März jede Spur. Gesundheitsministerin Fatima al-Balushi warf dem Klinikpersonal vor, sich "einer Verschwörung äußerer Kräfte gegen Bahrain" angeschlossen zu haben. Wunden seien für die Medien verschlimmert, Fotos manipuliert worden. Die Ärzte hätten den Protestlern auf dem Platz der Perlen geholfen und Waffen versteckt: "Nun sind sie, Gott sei Dank, gestoppt worden", erklärte die Ministerin.

Auf dem Platz hatte sich die bahrainische Protestbewegung seit dem 14. Februar, dem Valentinstag 2011, versammelt. Gleich nach dem Einmarsch der Ratstruppen wurde dort ein 40 Meter hohes Monument abgerissen. Einen Schrein für die zivilen Opfer des Aufstands soll es nicht geben.

Mitarbeiter des Krankenhauses berichten von Übergriffen der Sicherheitskräfte. Patienten mit verdächtigen Verletzungen durch Schrotkugeln seien im Krankenhaus misshandelt und vernommen worden. Drei Doktoren wurden mitten in der Nacht verprügelt, weil sie kein Bild des Premierministers in ihrem Büro hängen hatten. Richard Sollom von der Initiative "Ärzte für Menschenrechte" erklärte, die Sicherheitskräfte hätten Krankenakten und Röntgenbilder von verletzten Demonstranten mitgenommen: "Ärzte sind diejenige Gruppe von Leuten, die Beweismaterial haben", sagte er der "New York Times".

Und schließlich hat sich das Königshaus auch die Medien vorgeknöpft. Bahrains wichtigste kritische Tageszeitung al-Wasat ist bereits geschlossen worden, wegen angeblich "unethischer" Berichterstattung zu den Protesten. Das Blatt habe Nachrichten gefälscht und aufgebauscht, lautet der Vorwurf.

Regierung gibt sich als Bollwerk gegen den schiitischen Islamismus

Das Regime geht vor, als hätte es die einschlägigen Lehrbücher zur "Counterinsurgency", der Bekämpfung von Aufständischen, vor sich liegen. Nach der Repression kommt die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung, dann folgen die Zerstörung von Symbolen, der Rückgewinn der Informationshoheit und die Spaltung der Bewegung.

Die Regierung versucht, sich nun als Bollwerk gegen den schiitischen Islamismus zu präsentieren, auch um Zwietracht in der Protestbewegung zu sähen. In dieser Woche wurde die Eröffnung eines Spionageprozesses bekanntgegeben: Zwei Iraner und ein Bahrainer sollen in den Jahren von 2002 bis 2010 für die iranischen Revolutionsgarden militärische und wirtschaftliche Geheimnisse ausgeforscht haben. Tatsächlich sieht der liberale Teil der Protestbewegung in Bahrain bereits einen "Trend zu scharfer Polarisierung", wie es Hassan Madan, Chef der "Demokratischen Tribüne" ausdrückt. Die Reformbewegung sei "gekidnappt" worden von Leuten, die sofort nach dem Sturz des Regimes gerufen hatten.

Das modernste Handbuch der Aufstandsbekämpfung übrigens ist das "Field Manual 3-24" , verfasst von General David H. Petraeus, dem derzeitigen Kommandierenden der US-Streitkräfte in Afghanistan. Petraeus zieht darin die Lehren aus einem halben Jahrtausend diverser Versuche, eine aufmüpfige Bevölkerung wieder zur Vernunft zu bringen. Angefangen von den Überlegungen des dritten Marquis von Santa Cruz im frühen 18. Jahrhundert und Napoleons Spanienfeldzug. Die Kernaussage des Handbuchs kann indes so wiedergegeben werden: Die beste "Counterinsurgency" besteht darin, die Ursachen des Aufstands zu beseitigen. Also Korruption, ökonomische und politische Ungerechtigkeiten, verbaute Aufstiegschancen, Folter, Entmündigung, Mord.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Aufstandsbekämpfungen auf längere Sicht in der Regel erfolglos geblieben sind. Insofern sind die Aussichten für das Regime in Bahrain düster.

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