Aufstand in Syrien Assad verliert seine Verbündeten
Kairo/Beirut - Der internationale Druck auf Syriens Präsident Baschar al-Assad wächst. Auch bisher engste Verbündete wenden sich immer weiter vom Regime ab. Die Türkei warf Syrien am Dienstag vor, es habe eine letzte Chance ungenutzt verstreichen lassen. "Das Regime ignoriert die Forderungen seines Volks", sagte Außenminister Ahmet Davutoglu. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warnte, die Regierung stehe "auf des Messers Schneide".
Das Nachbarland ist zu einem der schärfsten Kritiker der autokratischen Regierung geworden, schreckt aber anders als die EU und die USA bislang vor harten Sanktionen zurück. Die Entscheidung, Strom nach Syrien zu liefern, könnte nun aber überdacht werden, sollte die Regierung bei ihrer harten Linie bleiben, sagte Energieminister Taner Yildiz.
Abseits des hohen Symbolgehalts dürften die praktischen Auswirkungen aber überschaubar bleiben: Syrien produziert mehr Strom als es verbraucht und könnte zudem auf Lieferungen aus Jordanien und dem Libanon zurückgreifen.
Pläne für Machtwechsel
Die Arabische Liga geht inzwischen auf die Opposition zu. Sie rief dazu auf, Pläne für eine Machtübernahme vorzulegen. Am Sitz des Staatenbundes in Kairo kamen Liga-Vertreter zu informellen Gesprächen mit Regierungsgegnern zusammen, nachdem die Mitgliedschaft Syriens am Wochenende überraschend ausgesetzt wurde.
Die Außenminister der Arabischen Liga wollen am Mittwoch bei ihren Gesprächen in Rabat unter anderem über einen Schutzmechanismus für Zivilisten in Syrien beraten. Außerdem steht die Entsendung von 500 Beobachtern - Menschenrechtsaktivisten, Medienvertreter und Militärexperten - in das Land auf der Agenda.
Die Liga werde in Kürze einen Termin für eine offizielle Konferenz verkünden, sagte Abdel Basset Sedah, Mitglied des oppositionellen Nationalrates. Dabei soll diskutiert werden, wie eine Übergangsperiode nach dem angestrebten Sturz von Präsident Assad aussehen könnte, der seit acht Monaten gewaltsam gegen eine Revolte vorgeht.
Für Assad war die Ausgrenzung aus der Liga besonders schmerzlich, hatte er sich doch stets als Vertreter eines geeinten Arabiens präsentiert. Nach dem Schritt hatten Menschenmassen die Botschaften der Türkei und Saudi-Arabiens in Syrien angegriffen wie auch französische Vertretungen.
Der Uno-Sicherheitsrat verurteilte die Übergriffe am Dienstag einstimmig. Syriens Außenminister Walid Mualem hatte sich am Montag für die Gewalt entschuldigt. Trotz einer Zusage der Regierung an die arabischen Staaten, die Soldaten aus den Städten abzuziehen und einen Dialog mit den Gegnern anzustoßen, dauert die Gewalt in Syrien an. Aktivisten berichteten am Dienstag, dass am Vortag knapp 70 Menschen ums Leben gekommen sein sollen, die meisten davon in der südlichen Provinz Deraa bei Kämpfen zwischen Deserteuren und regierungstreuen Soldaten.
Regime lässt prominenten Oppositionellen frei
Unter dem Eindruck des steigenden diplomatischen Drucks hat die syrische Regierung den bekannten Regierungsgegner Kamal Labwani aus der Haft entlassen. Der staatlichen Nachrichtenagentur zufolge wurden am Dienstag zudem mehr als 1100 Gefangene entlassen. Die Tochter Labwanis sagte, ihr Vater sei in guter Verfassung. Er sei im Gefängnis aber von Nachrichten abgeschnitten gewesen und wisse daher nichts vom Aufstand gegen Assad. Labwani war seit 2005 in Haft. Er war unter anderem wegen Beleidigung des Präsidenten zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Da Syrien die meisten ausländischen Journalisten des Landes verwiesen hat, ist eine unabhängige Überprüfung solcher Meldungen kaum möglich. Den Vereinten Nationen zufolge kamen seit Beginn der Niederschlagung von Protesten gegen Assads Herrschaft im März mehr als 3500 Menschen ums Leben. Die Behörden machen bewaffnete Banden für den Tod von 1100 Soldaten und Polizisten verantwortlich.