Aufstand in Syrien Deserteure schwächen Assads Armee

Der Uno-Sicherheitsrat berät am Abend weitere Maßnahmen gegen Syrien. Gleichzeitig geht das Regime brutal gegen Aufständische vor. Regierungstruppen haben zwar die Kontrolle über die Vororte der Hauptstadt zurückerlangt. Doch die Zahl der Deserteure steigt. Eindringliche Fotos zeigen den Kampf der Rebellen.

Hamburg/Damaskus - Am Dienstagabend debattiert der Uno-Sicherheitsrat über das weitere Vorgehen gegenüber Syrien. Das Regime in Damaskus schafft unterdessen Fakten. Sicherheitskräfte rückten nach Samalka und Irbin vor, zwei weitere Vororte der Hauptstadt, die zuvor mehrere Tage lang von Aufständischen der "Freien Syrischen Armee" beherrscht worden waren. Nach Angaben der Opposition hat das Regime damit die Kontrolle über sämtliche östliche Vorstädte von Damaskus zurückerlangt.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldet triumphierend, dass Sicherheitskräfte "eine große Zahl von Terroristen" getötet und viele weitere verhaftet hätten. Die Aufständischen seien mit amerikanischen und israelischen Waffen ausgerüstet gewesen. Nach Angaben der oppositionellen "Lokalen Koordinierungsräte der Revolution" sind allein seit Montag mehr als hundert Menschen bei Kämpfen ums Leben gekommen.

Der Syrische Nationalrat als Vertretung der zivilen Opposition warf dem Regime vor, "Massaker an Zivilisten" zu verüben. In Rankus, einer Kleinstadt nahe der Grenze zum Libanon, sollen Assad-treue Kämpfer Racheakte gegen Zivilisten begangen haben, weil diese Aufständischen Unterschlupf gewährt hätten. Den Dienstag erklärte der Nationalrat aus Solidarität mit den Toten der vergangenen Woche zu einem "Tag des Zorns".

Assads Armee kann nicht mehr überall zuschlagen

Doch nicht überall ist das Regime auf dem Vormarsch. Aufständische erklärten am Dienstag, dass Deserteure die vollständige Kontrolle über die 60.000-Einwohnerstadt Rastan übernommen hätten. Der Ort liegt strategisch wichtig genau zwischen den Städten Hama und Homs - zwei weiteren Hochburgen der syrischen Opposition.

Rastan ist auch Heimatort der einflussreichen Familie Tlass. Mustafa Tlass galt als rechte Hand des langjährigen Diktators Hafis al-Assad und war mehr als drei Jahrzehnte lang syrischer Verteidigungsminister. Unter dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad fiel Tlass jedoch in Ungnade und wurde 2004 zum Rückzug von allen Partei- und Regierungsämtern gezwungen. Mehrere Neffen des Generalleutnants haben sich inzwischen der "Freien Syrischen Armee" der Opposition angeschlossen und gehören zu deren Führungsfiguren.

Seit die Kämpfe zwischen Assads Armee und dem bewaffneten Teil der Regimegegner Ende vergangener Woche die Vororte von Damaskus erreicht haben, wird es für die Sicherheitskräfte offenbar schwieriger, die Macht über alle Landesteile zu halten. Um die Rebellion in Duma, Irbin und anderen Außenvierteln der Hauptstadt zu unterdrücken, die weniger als zehn Kilometer vom Zentrum entfernt liegen, musste die Armee Einheiten aus anderen Provinzen abziehen. Dies nutzen die Aufständischen aus, deren Reihen von immer mehr Deserteuren verstärkt werden. Sie stoßen nun in Gebiete vor, die von den Kräften des Regimes weniger stark gesichert werden.

Russland will Uno-Resolution weiter blockieren

Auch virtuell gerät Syriens Diktator unter Beschuss. Die saudi-arabische Tageszeitung "al-Madina" berichtet am Dienstag, dass der Hacker Salman al-Ansi die Mailbox von Baschar al-Assad geknackt und Daten im Umfang von vier Gigabyte heruntergeladen habe. Das Material belege die Rolle Irans bei der Niederschlagung des Aufstands in Syrien. Der saudi-arabische Hacker habe Assad gedroht, die erbeuteten Informationen zu veröffentlichen, falls er die Gewalt gegen die Protestbewegung nicht einstellen sollte.

In New York wird unterdessen im Vorfeld der Sicherheitsratssitzung hinter den Kulissen händeringend nach einer gemeinsamen Linie gesucht. USA, Großbritannien und Frankreich drängen auf eine Resolution, die auf einem Vorschlag der Arabischen Liga basiert und Assad zum Machtverzicht auffordert. Der Entwurf sieht laut der Nachrichtenagentur dapd die Machtübergabe an Assads Stellvertreter vor. Das Regime wird zum sofortigen Ende "aller Menschenrechtsverstöße und Angriffe auf diejenigen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben", aufgefordert. Eine Intervention aus dem Ausland sieht der Text nicht vor. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle bekräftigte am Rande seiner Nahost-Reise in Ägypten, dass es "keinerlei Diskussion" über ein militärisches Eingreifen gebe.

Russland lehnt dieses Vorhaben strikt ab: Moskaus stellvertretender Außenminister Gennadi Gatilow erklärte, eine solche Resolution führe Syrien in Richtung Bürgerkrieg. Laut Außenminister Sergej Lawrow wird Russland im Weltsicherheitsrat "niemals" einer Militärintervention zustimmen. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte die Hoffnung, dass sich die 15 Mitglieder des Sicherheitsrats auf eine gemeinsame Entschließung einigen. Gehör wird er damit kaum finden.

Mit Material von Reuters
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