Aufstand in Syrien Türkei plant Sanktionen gegen Assad-Regime

Die Türkei rückt immer deutlicher von ihrem früheren Partner Syrien ab: Ministerpräsident Erdogan sendet unmissverständliche Drohungen an Machthaber Baschar al-Assad - und setzt sich für Sanktionen gegen das Regime ein.  
Von Jürgen Gottschlich
Recep Tayyip Erdogan: Der türkische Premier verschärft den Ton gegenüber Syrien

Recep Tayyip Erdogan: Der türkische Premier verschärft den Ton gegenüber Syrien

Foto: ADEM ALTAN/ AFP

Die Türkei verschärft ihren Ton gegenüber dem syrischen Nachbarn: Ankara will Sanktionen gegen das Regime von Baschar al-Assad verhängen und verstärkt seine Unterstützung der syrischen Opposition.

Noch an diesem Donnerstag oder am Freitag will sich der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu mit seinem französischen Kollegen Alain Juppé treffen. Dabei soll es um die Frage gehen, wie die beiden Länder dabei helfen können, die immer noch zersplitterte syrische Opposition zu einer Einheit zusammenzubringen. Obwohl sich in Istanbul schon vor Wochen ein syrischer Nationalrat als Zentralorgan der Opposition konstituiert hatte, wird deren Sprecher Burhan Ghaliun immer noch nicht von allen Gegnern des Assad-Regimes anerkannt. Sowohl der Türkei und Frankreich wie auch den anderen EU-Staaten und den USA ist aber daran gelegen, dass die Opposition mit einer Stimme spricht und darlegt, wie eine Alternative zu Assad aussehen könnte.

Noch bewegt sich die türkische Unterstützung der syrischen Opposition auf der diplomatischen Ebene, aber auch das könnte sich bald ändern. Bereits vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Türkei geflüchtete syrische Deserteure im Grenzgebiet campieren lässt und diese offenbar auch nicht daran hindert, von der Türkei aus als Freie Syrische Armee die Soldaten Assads anzugreifen. Aus dem Umfeld des Außenministeriums in Ankara heißt es, Regierungsvertreter seien in einem ständigen engen Kontakt zu diesen Soldaten. Die Freie Syrische Armee hat mittlerweile auch die Bildung eines eigenen Militärrats bekanntgegeben, dessen Vorsitzender der in der Türkei lebende Oberst Riad al-Asaad ist. Russland wirft der Türkei bereits vor, die Freie Syrische Armee mit Waffen zu versorgen, was Ankara allerdings bestreitet.

Wie die arabische Zeitung "al-Schark al-Ausat" unter Berufung auf syrische Oppositionsquellen jetzt berichtete, gibt es darüber hinaus offenbar auch konkrete Gespräche mit der türkischen Regierung, eine Schutzzone entlang der Grenze auf syrischer Seite einzurichten. Während die Opposition gern einen 30 Kilometer tiefen Streifen hätte, soll der türkische Außenminister Davutoglu zunächst einmal von fünf Kilometern geredet haben. Um die türkische Armee in Marsch zu setzen, will Ankara aber ein internationales Mandat haben.

"Angriffe auf die türkische Fahne bleiben nie unbeantwortet"

Letzter Anlass, der die Türkei bewogen hat, jetzt endgültig auf die syrische Opposition zu setzen, waren die Angriffe eines regimegesteuerten Mobs auf die türkische Botschaft in Damaskus und das Konsulat in Latakia. Neben den diplomatischen Vertretungen von Frankreich, Saudi-Arabien, Katar und den Arabischen Emiraten, waren es besonders die Vertretungen der Türkei, die attackiert wurden. In Latakia wurde das Konsulat fast gestürmt, die Flagge heruntergerissen und verbrannt.

Für den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan ein Sakrileg. "Es reicht nicht, sich einfach zu entschuldigen", rief er Assad öffentlich zu, "du musst die Schuldigen finden und bestrafen." Erdogan sprach zudem eine deutliche Drohung aus: "Angriffe auf die türkische Fahne bleiben nie unbeantwortet."

Die Angriffe auf die Botschaften waren eine Reaktion auf den vorläufigen Ausschluss Syriens aus der Arabischen Liga am vergangenen Samstag, der von Assad heftig kritisiert worden war. Doch der gelenkte Vandalismus führt nun dazu, dass die Türkei auf den Sanktionskurs des Westens mit eingeschwenkt ist. Nachdem zuerst ein geplantes gemeinsames Ölexplorationsprojekt auf Eis gelegt worden war, droht die Regierung nun damit, Stromlieferungen nach Syrien einzustellen.

Das hätte zwar immer noch eher symbolisches Gewicht, denn Syrien leidet nicht an Stromknappheit, doch eine Bemerkung von Energieminister Taner Yildiz zeigt, dass man hinter verschlossenen Türen auch über weitergehende Maßnahmen nachgedacht hat. "Es sei nicht geplant, Syrien das Wasser abzudrehen." Diese Bemerkung war eher ein Wink mit dem Zaunpfahl als ein Dementi. Denn im Gegensatz zum Strom hängt Syrien existentiell von Wasser aus der Türkei ab. Der Euphrat, der von der Türkei nach Syrien und von dort dann in den Irak fließt, ist die wichtigste Wasserquelle des Landes.

Durch zwei gigantische Staudämme am Oberlauf des Euphrats hätte die Türkei die Möglichkeit, den Strom Richtung Syrien in ein Rinnsal zu verwandeln. Vor der Aussöhnung zwischen der Türkei und Syrien Ende der neunziger Jahre waren die Staudämme deshalb ein Dauerthema zwischen beiden Ländern. Ende der achtziger Jahre hatte der damalige türkische Staatspräsident Turgut Özal zwar erklärt, sein Land würde eine bestimmte Durchflussmenge garantieren, doch das ist kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag. Das Problem wäre aber, dass von einer Wassersperre die syrische Bevölkerung ungleich härter getroffen würde als die Spitzen des Regimes - aber mit dem syrischen Volk will die türkische Regierung sich ja gerade verbünden.

Zumindest vorläufig wird es wohl deshalb nicht dazu kommen. Dafür ist die Türkei aber jetzt offenbar bereit, ihren bislang einträglichen Handel mit Syrien zu opfern, um wirksame Sanktionen aufbauen zu können.

Der Druck auf Assad wächst immer weiter. Am Mittwochabend hatte bereits die Arabische Liga den Ausschluss Syriens bekräftigt. Auch sie droht dem Land nun - nach den USA und der EU - mit Sanktionen.

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