
Australiens Asylpolitik: Vom "Tampa"-Streit zu Flüchtlingscamps
Umstrittenes Lager auf der Insel Nauru Hoffnung für Australiens Kinderhäftlinge
Die Nachricht kam überraschend: Am Montag hat Australien elf Kinder von der Pazifikinsel Nauru geholt, um sie medizinisch behandeln zu lassen. Die Kinder sind Flüchtlinge, gemeinsam mit ihren Eltern und Hunderten anderen Menschen harrten sie teils seit Jahren dort aus. Australien lässt sie nicht ins Land, das ist Teil der strikten Asylpolitik.
Menschenrechtler und Ärzte warnen seit Langem vor den katastrophalen Konsequenzen für die Flüchtlinge auf der Insel. Erst vor rund einer Woche forderte der australische Ärzteverband Ama, 80 Migrantenkinder von Nauru zu holen. Die meisten der Kinder seien traumatisiert, sagte Sprecher Paul Bauert. "Sie müssen dringend untersucht und behandelt werden. Es ist ein Wunder, dass wir noch keinen Todesfall hatten."
Elf Kinder also durften die Insel nun verlassen, eine ungewöhnlich große Gruppe. Ein Mitarbeiter des Innenministeriums sagte, die Kinder dürften sehr wahrscheinlich dauerhaft in Australien bleiben.
Nur zwei Stunden bevor die Entscheidung fiel, hatten sich zwei unabhängige Parlamentsabgeordnete zu Wort gemeldet. Sie kündigten an, den neuen Premierminister Scott Morrison nur zu unterstützen, wenn er die Lagerhaft von Kindern auf Nauru stoppe.
Warum Morrison um seine Macht bangt
Morrison ist erst seit Ende August im Amt, er hatte sich in einem parteiinternen Streit der Liberal Party gegen seinen Vorgänger Malcolm Turnbull durchgesetzt. Der war daraufhin zurückgetreten - und damit wurde auch sein Sitz im Repräsentantenhaus frei. In Turnbulls Wahlkreis Wentworth in Sydney fand am Samstag die entsprechende Nachwahl statt, und die ging überraschenderweise nicht eindeutig an den Kandidaten der Liberal Party. Die Briefstimmen werden noch ausgezählt, aber nach bisherigem Stand sieht es so aus, als würde die unabhängige Kandidatin Kerryn Phelps die Wahl gewinnen.
Mit einer Niederlage in Wentworth würde Morrisons Regierungskoalition ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament verlieren, im kommenden Mai stehen zudem reguläre Neuwahlen an. Umso mehr ist der Premierminister auf die Stimmen der unabhängigen Abgeordneten angewiesen - und die brachten nun das Thema Nauru mit Nachdruck zurück auf die Tagesordnung.

Australiens Asylpolitik: Vom "Tampa"-Streit zu Flüchtlingscamps
Australien lässt Bootsflüchtlinge ohne gültige Papiere prinzipiell nicht ins Land. Die Menschen werden stattdessen auf See abgefangen, zurückgeschickt oder auf die beiden Inseln Manus und Nauru gebracht. In Nauru leben auch Frauen und Kinder, zuletzt waren es noch rund 50 Minderjährige.
Der Zugang zu den Lagern ist für Journalisten oder Helfer kaum möglich. Die Regierung auf Nauru hatte erst kürzlich Ärzte ohne Grenzen überraschend aufgefordert, die Insel binnen weniger Tage zu verlassen. Daraufhin wandte sich die Organisation an die Öffentlichkeit und warnte einmal mehr, die Migranten auf Nauru seien selbstmordgefährdet.
Video zur "Operation souveräne Grenzen": Australiens harte Migrationspolitik
Dabei gibt es durchaus Hilfsangebote. Neuseeland hat bereits mehrfach erklärt, 150 der Nauru-Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Premierministerin Jacinda Ardern bekräftigte dies am Dienstag erneut, doch Australien lehnt bisher ab. Zur Begründung heißt es stets, man wolle verhindern, dass die Flüchtlinge sich von dort auf den Weg nach Australien machten, also sozusagen "durch die Hintertür" ins Land kämen, wie australische Politiker oft warnen. Tatsächlich haben viele der Flüchtlinge kein Interesse daran, nach Australien zu kommen: Sie machen die Regierung für ihr jahrelanges Leid verantwortlich.
Refugees on Manus and Nauru are more than happy to never put foot on Australian soil after relocating to New Zealand. The only concerns is how this travel ban would affect families; those who will be separated, those who will remain or are already in the community in Australia.
— Behrouz Boochani (@BehrouzBoochani) October 22, 2018
Nach den jüngsten Warnungen von Ärzten über die Zustände auf Nauru erklärte sich nun die oppositionelle Labor Party zu Verhandlungen bereit - und erhöht damit zusätzlich den Druck auf Morrison. Bisher hat Labor die Asylpolitik des Landes mitgetragen. Nun sagte Parteivize Tanya Plibersek: "Labor ist bereit, einem Kompromiss mit der Regierung zuzustimmen. Wir verstehen, dass es längst überfällig ist, dass diese Menschen - die laut ihren Ärzten und anderen Hilfskräften unter widrigsten Bedingungen leben - ein neues Zuhause finden."
Scott Morrison sagte, er werde einen Kompromiss in Erwägung ziehen. Verglichen mit den bisherigen Aussagen australischer Premierminister zum Thema war schon das bemerkenswert. Er werde zwar in Sachen Grenzschutz "keine faulen Deals" mit Labor eingehen, so Morrison weiter. Am Dienstag sagte er im Parlament aber auch: "Ich habe ein Interesse daran, Kinder von Nauru zu holen."