
Australiens Rechte: Gegen Einwander im Einwandererland
Rechtsextreme und Rassismus in Australien Down Under, rechts vorn
Er sei ein "normaler weißer Mann", heißt es in dem Manifest, das dem mutmaßlichen Attentäter von Christchurch zugeschrieben wird. Er wuchs in dem 18.000-Einwohner-Ort Grafton rund 600 Kilometer nördlich von Sydney auf, in dem das sogenannte Jacaranda-Festival als Höhepunkt gilt; dann feiern die Bürger die purpurfarbene Blütenpracht der Bäume.
Er habe ein durchschnittliches Leben geführt, schreibt der Verfasser des Manifests weiter. Er beendete 2009 die Schule und arbeitete anschließend als Fitnesstrainer in Grafton. Seine einstige Chefin Tracey Gray beschrieb ihn jüngst im Sender ABC als hart arbeitenden Angestellten, der nie durch extremistische oder "verrückte" Ansichten aufgefallen sei. Erst bei seinen Reisen ins Ausland - offenbar unter anderem nach Pakistan, Nordkorea und Europa - müsse sich etwas in ihm verändert haben, sagte Gray.
Er sei während seiner Reisen wunderbar behandelt worden, heißt es in dem Manifest. Er hasse keine Ausländer oder Muslime, die "in ihren Heimatländern" lebten. Aber Einwanderer, das seien "Eindringlinge". Es ist rechtsextreme, rassistische Rhetorik, die sich durch das Manifest zieht.
Seit dem Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch am vergangenen Freitag wird nun auch in Australien einmal mehr über das politische Klima im Land diskutiert. Die älteste Zeitung "Sydney Morning Herald" titelte : "Australiens Problem mit Rechtsextremismus: Unternehmen wir genug?"
Das sagen Experten über die "neue Rechte" in Australien
Australiens Premierminister Scott Morrison war einer der ersten, der nach dem Attentat sagte: "Wir verurteilen diese Attacke, die von einem rechtsextremen, gewalttätigen Terroristen begangen wurde, aufs Schärfste." Geschockt, traurig und betroffen waren viele im Land. Überrascht hat es die wenigsten.
"Es war nur eine Frage des 'Wann'", sagt Geoff Dean, Terrorismusexperte und Professor an der Griffith Universität in Brisbane. 2016 war er Co-Autor einer Studie mit dem Titel: "Rechtsextremismus in Australien: Der Aufstieg der neuen radikalen Rechten." Dean meint damit jene Gruppierungen, die im Gegensatz zu den älteren Gruppen nicht mehr auf Gewalt, sondern auf Rhetorik und politischen Einfluss setzen, um ihre rechtsextremen und populistischen Ansichten zu verbreiten. Diese Entwicklung gebe es in den USA, in Europa, "und auch Australien ist nicht immun dagegen", sagt Dean. "Die neue Rechte ist gefährlicher. Wenn sie an die Macht kommen, werden sie ein Blutbad anrichten."
Michele Grossman von der Deakin Universität in Melbourne forscht seit Jahren zu Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus. In Australien sei Rechtsextremismus kein neues Phänomen, sagt sie. Seit etwa zehn Jahren beobachte sie allerdings einen steten Anstieg: Es gebe mehr rechtsextreme Gruppierungen im Land; und sie seien - vor allem dank sozialer Netzwerke - deutlich besser darin geworden, Bürger zu erreichen und somit neue Anhänger zu rekrutieren.
"Bis vor Kurzem war der Einfluss der Rechten gering, man hat von ihnen nur wenig mitbekommen", sagt Grossman. Zuletzt profitierten sie aber unter anderem von der Stimmungsmache aus der Politik. Als Beispiel nennt Grossman die Meldungen über "Gangs" aus Afrika: Mitte 2018 gab es zahlreiche Berichte über Jugendliche aus dem Südsudan, die Melbourne angeblich terrorisierten. Auch Politiker schalteten sich - teils aus wahltaktischen Gründen - in die aufgeladene Debatte ein und warnten vor den "Gangs". "Die Politiker bestimmen den Ton solcher Debatten", sagt Grossman. "Und die rechten Gruppen nutzen das für ihre Zwecke."
Diese rechten Gruppen gibt es in Australien
In Australien haben sich Populisten und Rechtsextreme in unterschiedlichen Gruppen zusammengetan. Es passiert häufig, dass sich einzelne Mitglieder abspalten, eine neue Organisation gründen und die alte kurz darauf aufgegeben wird. Wie viele Mitglieder die einzelnen Gruppen haben, lässt sich auch Experten zufolge nur schwer schätzen.
- Als größte und einflussreichste Gruppierung gilt Reclaim Australia, die seit 2015 existiert. Im April desselben Jahres riefen Mitglieder landesweit zu Protesten gegen "Scharia, Halal-Steuer und Islamisierung" auf - und Hunderte Menschen gingen in Melbourne, Sydney, Brisbane und anderen Städten auf die Straße. Diese Kundgebungen gelten in Australien als Startschuss für die neue Rechts-Bewegung im Land.
- Die United Patriots Front (UPF) war eine Splittergruppe von Reclaim Australia und galt 2016 als größte rechtsextreme Gruppe im Land. Seitdem ist es aber ruhig geworden; zeitgleich stieg die True Blue Crew auf. UPF-Anführer waren Neil Erikson, Blair Cottrell und Christopher Shortis, die bis heute immer wieder für Schlagzeilen sorgen. 2015 inszenierten sie die Köpfung einer Puppe vor einer Behörde, in der über den Bau einer Moschee beraten wurde. Der vorbestrafte Cottrell hat schon gefordert, in jeder Schule Australiens solle ein Porträt Hitlers hängen. Erikson - ebenfalls vorbestraft - beschimpfte Ende 2017 einen aus Iran stammenden Senator in einer Bar in Melbourne als "Terroristen". Und vor wenigen Tagen war Erikson einer der Männer, die einen 17-Jährigen niederrangen, der zuvor ein Ei auf dem Kopf des islamfeindlichen Senators Fraser Anning zerschlagen hatte - wie folgendes Video zeigt:
- Im Oktober 2016 formierte sich die sogenannte Antipodean Resistance, übersetzt ist damit in etwa "Australiens Widerstand" gemeint. Das Logo besteht unter anderem aus einem Totenkopf, der den im Land typischen Akubra-Hut trägt. Auf Plakaten forderten Anhänger schon, dass Hinrichtungen von Juden legalisiert werden und Homosexuelle Suizid begehen sollten. Die Gruppe hat zahlreiche Verbindungen zu Gleichgesinnten im Ausland, wie der Sender ABC berichtete . Auf der Website der Gruppe steht der Slogan: "Wir sind die Hitlers, auf die ihr gewartet habt."
- Neben diesen jüngeren Gruppierungen gibt es in Australien aber auch nach wie vor ältere Zusammenschlüsse Rechter, dazu zählen etwa die Southern Cross Hammerskins und die Soldiers of Odin (mehr Details zu den einzelnen Gruppierungen hat der "Sydney Morning Herald" hier in einer Grafik aufbereitet).
Es sind nicht nur diese rechtsradikalen Gruppierungen, die in dem traditionellen Einwandererland Australien für ein Klima der latenten Ausländerfeindlichkeit sorgen. Rassismus ist im Land weit verbreitet, er reicht bis ins Parlament.
- Einwanderungsminister Peter Dutton gehört zum rechten Flügel der Liberal Party und war einer der Politiker, der seine Landsleute eindringlich vor afrikanischen "Jugendgangs" in Melbourne warnte. Er macht immer wieder Stimmung gegen Flüchtlinge und wurde schon als "Mini-Trump" bezeichnet.
- Als Senator Anning (der mit dem Ei auf dem Kopf) - einst Mitglied der Partei One Nation - im August 2018 seine Antrittsrede hielt, forderte er eine Volksabstimmung als "Endlösung für das Migrationsproblem" - und erklärte anschließend, er habe nicht gewusst, dass es sich um Nazi-Vokabular handle. Im Januar 2019 nahm Anning an einer Demonstration in Melbourne teil, die von den bekannten Rechtsradikalen Cottrell and Erikson mitorganisiert und angeführt wurde. Und kurz nach dem Attentat von Christchurch erklärte der inzwischen parteilose Anning, die Einwanderung von Muslimen habe zu den Anschlägen auf Moscheen geführt.
- Mitte der Neunzigerjahre hatte Pauline Hanson mit ihrer One Nation-Partei noch gegen eine "Überflutung durch Asiaten" gewettert, inzwischen macht sie vor allem mit ihrer Hetze gegen Muslime Schlagzeilen. Bei den Wahlen 2016 legte Hansons populistische Partei stark zu und schaffte es erstmals in den Senat, sie ist dort inzwischen mit zwei Sitzen vertreten. Die Politikerin inszenierte sich im August 2017 mit einer Burka bekleidet im Senat. Im vergangenen Oktober wäre im Senat einer ihrer Anträge fast angenommen worden, mit dem sie "Rassismus gegen Weiße" verurteilen wollte und in dem stand: "Es ist ok, weiß zu sein."