Angst vor Ausschreitungen Deutschland schließt Botschaften in islamischen Ländern
Die Lage ist angespannt. Ein Video, das den Propheten Mohammed als Mörder, Kinderschänder und Frauenhelden darstellt, hat in mehreren islamischen Ländern zu gewalttätigen Protesten geführt. Aus Furcht vor weiteren Übergriffen hat das Auswärtige Amt in Berlin nun die Schließung mehrerer Botschaften in islamischen Ländern angeordnet.
"Wir beobachten die Entwicklung der Sicherheitslage mit größter Aufmerksamkeit und haben unsere Sicherheitsvorkehrungen an einigen Auslandsvertretungen verschärft", sagte ein Sprecher SPIEGEL ONLINE. Die Vertretungen sollten vorerst nur am Freitag geschlossen bleiben. Auch deutsche Einrichtungen wie die Büros von Entwicklungshilfeorganisationen und von Stiftungen wurden aufgefordert, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken.
Betroffen sind dem Vernehmen nach die Botschaften in den nordafrikanischen Ländern, aber auch in Afghanistan und Pakistan. Außenminister Guido Westerwelle sagte, er sei "zutiefst besorgt über die gewaltsamen Ausschreitungen gegen die Vertretungen unserer amerikanischen Partner in Ägypten, Jemen, Libyen und anderen islamischen Ländern". Er appellierte an die Regierungen der betroffenen Staaten, die Botschaften in ihren Ländern zu schützen. "Diplomaten müssen ihre Arbeit ohne Angst verrichten können."
Über den islamfeindlichen Film sagte er: "Ich verstehe die Empörung, die viele gläubige Muslime angesichts des bekannt gewordenen anti-islamischen Filmmaterials empfinden. Aber: Diese Empörung kann keine Rechtfertigung für Gewalt sein."
Westerwelle erklärte, er habe eine Verstärkung der Sicherheit an "einigen deutschen Auslandsvertretungen in der islamischen Welt" veranlasst. Unter anderem würden zusätzliche Sicherheitsbeamte an die in Frage kommenden Botschaften geschickt.
Demonstrationen in Afghanistan und Pakistan erwartet
In Afghanistan und Pakistan sind für Freitag Demonstrationen angekündigt. Die diplomatischen Viertel in Kabul und Islamabad wurden gesperrt, die Kontrollen verschärft. Freitag ist Feiertag in der islamischen Welt, am Mittag findet das traditionelle Freitagsgebet statt. Sicherheitskräfte in Afghanistan und Pakistan rechneten mit Protesten am Nachmittag.
"Ich befürchte, dass uns das Thema noch einige Tage in Atem halten wird", sagte ein Diplomat in Kabul. "Bis die Nachricht über den islamfeindlichen Film zu den Menschen in Afghanistan durchdringt, wird es noch einige Tage dauern. Ich rechne damit, dass die Gewalt dann zunehmen wird."
Auch die Bundeswehr in Afghanistan verstärkte ihre Sicherheitsmaßnahmen. "Wir gehen davon aus, dass wir die Auswirkungen der ganzen Geschichte noch zu spüren kriegen", sagte ein Soldat SPIEGEL ONLINE am Telefon. "Wenn die Menschen hier den Film sehen, werden sie ganz gewiss protestieren."
Wegen des Films ließ die afghanische Regierung den Zugang zu YouTube sperren. Auch in Pakistan war YouTube zeitweise nicht mehr zu erreichen. Die pakistanische Regierung kritisierte den Film als "abscheuliche Aktion", die Hass provoziere, die Gesellschaft spalte und Feindschaft zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens säe. "Dieser Vorfall hat die Gefühle der Muslime in der ganzen Welt verletzt", heißt es in einer Mitteilung.
Der Film "Innocence of Muslims" ("Die Unschuld der Muslime"), der den Propheten Mohammed verunglimpft, führt seit Tagen zu Ausschreitungen gegen diplomatische Einrichtungen der USA. Die Regierung in Washington rechne damit, dass sich die Proteste fortsetzten, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama. Der Freitag sei "traditionell ein Tag von Protesten in der muslimischen Welt".
Die Proteste hatten am Dienstag in der ägyptischen Hauptstadt Kairo begonnen, wo Islamisten die US-Botschaft stürmten. In der libyschen Küstenstadt Bengasi wurden am selben Tag bei einem Angriff auf das US-Konsulat der US-Botschafter Chris Stevens und drei Mitarbeiter getötet, auch libysche Sicherheitskräfte starben. Im Jemen wurden am Donnerstag vier Menschen bei Protesten gegen den Film vor der US-Botschaft getötet. In Kairo wurden bei neuen Ausschreitungen am Donnerstag mehr als 200 Menschen verletzt. Weitere Proteste gab es unter anderem in Iran und Irak, in Israel, dem Gaza-Streifen, Jordanien, Sudan und Tunesien.
Vor dem Ausbruch der Gewalt gab es nach Angaben aus US-Kreisen keine besonderen Warnungen. Offenbar hatten auch die Geheimdienste nicht damit gerechnet, dass die Ausstrahlung von Teilen des umstrittenen Schmäh-Films in einer ägyptischen Talkshow zu solchen Reaktionen führen würde.
Der mutmaßliche Macher des islamfeindlichen Films steht in den USA derweil unter Polizeischutz. Nakoula Basseley Nakoula leitet nach eigenen Angaben die Produktionsfirma des Films. Er bestritt jedoch, der Autor zu sein, der unter dem Pseudonym "Sam Bacile" auftritt. Allerdings führte eine Handynummer, unter der "Sam Bacile" US-Medien ein Interview gab, zu ihm.