Bagdad Agenturen melden Saddams Hinrichtung bis 4 Uhr
Bagdad - Die irakische Regierung plane die Hinrichtung zwischen 3.30 Uhr und 4 Uhr deutscher Zeit (4.30-5 Uhr Ortszeit), meldete zuletzt die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Beamten, der nicht namentlich genannt werden wollte. Zuvor hatten AP und AFP über einen geplanten Vollstreckungstermin bis vier Uhr berichtet. Als Quelle wurde ein ebenfalls ein Regierungsbeamter genannt, der Regierungschef Nuri al-Maliki nahestehe. Saddam Hussein werde kurz vor der Hinrichtung der irakischen Justiz übergeben, hieß es weiter. Nach Angaben des US-Außenministeriums befand er sich zunächst noch unter der Kontrolle der US-Behörden. Wo der Galgen für die Vollstreckung der Todesstrafe aufgebaut ist, ist unbekannt.
In der hermetisch abgeriegelten Grünen Zone in Bagdad kamen am Abend mehrere Menschen zusammen, die zu Zeugen der Hinrichtung von Saddam Hussein bestimmt wurden. Zu ihnen gehören auch Abgeordnete, Hinterbliebene von Opfern des früheren Staatschefs und ein islamischer Geistlicher, wie ein irakischer Regierungsbeamter mitteilte.
Saddam Hussein wurde heute in seiner Zelle von zwei Halbbrüdern besucht. Dabei soll er ihnen seine persönliche Habe und eine Kopie seines Testaments übergeben haben. Alle für die Hinrichtung erforderlichen Schritte seien unternommen worden, sagte Richter Munir Haddad, der dem Berufungsgericht angehört, das die Strafe am Dienstag bestätigt hat. "Es gibt keinen Grund für Verzögerungen."
Kurz zuvor hatten Anwälte Saddam Husseins bei einem Gericht in den USA Beschwerde gegen eine Überstellung ihres Mandanten an die irakische Justiz eingelegt. Der Eilantrag verfolge das Ziel, dass Saddam Hussein weiterhin im Gewahrsam der US-Streitkräfte bleibe, sagte eine Sprecherin des Bundesgerichts in Washington D.C. Die Anwälte riefen in der jordanischen Hauptstadt Amman dazu auf, "alles zu tun, um diese ungerechte Hinrichtung zu stoppen".
Das Todesurteil wurde nach Angaben eines Regierungsbeamten von Ministerpräsident Nuri al-Maliki unterzeichnet. "Unsere Respekt vor den Menschenrechten verlangt von uns, ihn hinzurichten", sagte al-Maliki. Das Urteil werde ohne jede Verzögerung vollstreckt. Nach unterschiedlichen Berichten wurde bereits dafür gesorgt, dass Saddam Hussein seine persönliche Habe einem Halbbruder übergeben konnte.
Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft
Die irakische Regierung hatte zuvor nach Angaben eines Parlamentsabgeordneten eine Anfrage an Religionsgelehrte gesandt, ob eine Hinrichtung auch während des am Samstag beginnenden islamischen Opferfests möglich sei.
Aus Angst vor einem Ausbruch der Gewalt nach der Hinrichtung des früheren Staatschefs Saddam Hussein hat die irakische Regierung die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Die irakischen Sicherheitsbehörden sind gewarnt: Schon bei der Verkündung der Todesstrafe Anfang November war es zur Gewalt in Teilen des Landes gekommen. Eine Ausgangsperre, wie sie damals für drei Tage verhängt worden war, wurde auch jetzt nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung darüber liege allein bei Ministerpräsident Nuri al-Maliki, sagte der Leiter der Einsatzführung im Innenministerium, Abdel Karim Chalaf. Die Sicherheitskräfte stünden zum Eingreifen bereit, sobald sie über den Zeitpunkt der Hinrichtung informiert würden. Das amerikanische Verteidigungsministerium erklärte, die US-Kräfte im Irak seien auf einen Anstieg der Gewalt vorbereitet.
Wegen eines Massakers an Schiiten in den achtziger Jahren war Saddam am 5. November zum Tod durch den Strang verurteilt worden. Ein Berufungsgericht hatte das Urteil am Dienstag bestätigt. Über den Zeitpunkt der Vollstreckung des Todesurteils gegen den Ex-Machthaber und weitere Verurteilte herrschte in den vergangenen Tagen Verwirrung.
"Vermutlich geschieht die Hinrichtung in aller Stille"
In den letzten Stunden hatten sich die Hinweise auf eine baldige Hinrichtung von Saddam Hussein verdichtet: Nach ersten entsprechenden US-Berichten rechnete auch ein Anwalt des irakischen Ex-Diktators mit einer raschen Vollstreckung des Todesurteils. Ministerpräsident Nuri al-Maliki schloss einen Aufschub der Hinrichtung aus.
Der Direktor des Deutschen Orientinstituts, Udo Steinbach hält die Vollstreckung des Todesurteils für konsequent. "Vermutlich geschieht dies in aller Stille, weil ein Schauspiel international einen schlechten Eindruck machen würde", sagte er der "Stuttgarter Zeitung". Zum einen wünsche die Mehrheit der Iraker, dass der Gerechtigkeit auf diese Weise genüge getan werde. Zum anderen könne die irakische Regierung so Handlungsfähigkeit beweisen und ihre Stellung festigen, sagte Steinbach. Die Appelle, die Exekution aufzuschieben, gehen laut Steinbach an der Wirklichkeit im Nahen Osten vorbei: "In Bagdad ist die Vollstreckung der Todesstrafe zutiefst Teil der politischen Kultur."
Unterdessen hat der Jemen an die USA und den Irak appelliert, die Hinrichtung des früheren irakischen Machthabers Saddam Hussein zu verhindern. Die Vollstreckung der Todesstrafe werde zu mehr Unfrieden im Irak führen und das Leiden der Bevölkerung vermehren, schrieb der jemenitische Ministerpräsident Abdul-Kader Bagammal in einem Brief an US-Präsident George W. Bush. In einem Schreiben Bagammals an den irakischen Präsidenten Dschalal Talabani hieß es: "Wir appellieren an ihre Weisheit und ihren politischen Scharfsinn, die angemessene Atmosphäre zu schaffen, um der Einheit des irakischen Volkes und der Stabilität willen die Wunden zu heilen."
Die Europäische Union bekräftigte heute ihre Ablehnung der Exekution. Die EU sei gegen die Todesstrafe, die auch in diesem Fall nicht angewendet werden solle, sagte in Helsinki Außenminister Erkki Tuomioja für den finnischen EU-Ratsvorsitz. Auch der spanische Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero sprach sich in Madrid gegen die Todesstrafe aus.
reh/AP/AFP/Reuters