Bagdad Gericht verurteilt Hussein zum Tod durch den Strang

Ein Sondergericht in Bagdad hat den irakischen Ex-Diktator Saddam Hussein zum Tode durch den Strang verurteilt. In dem Prozess musste sich Hussein gemeinsam mit sieben anderen Angeklagten für das Massaker in der Stadt Dudschail verantworten, bei dem 1982 rund 150 Menschen ermordet wurden.

Bagdad - "Lang lebe die Nation!", "Tod ihren Feinden!", "Fahren Sie zur Hölle mit ihren Gesetzen und Paragrafen", brüllte Hussein von dem Moment an, als die Verlesung des Urteils begann. Zuvor musste der irakische Ex-Diktator schon gezwungen werden aufzustehen. In der linken Hand den Koran beschimpfte Hussein dann den Richter bis zum Ende der Urteilsbegründung. Der las, die Augen ständig auf seinem Dokument, mit lauter Stimme weiter ohne sich unterbrechen zu lassen. "Nun bringen Sie ihn hinaus", endete der Jurist. Ein BBC-Reporter berichtete später, Hussein sei an ihm vorbeigeführt worden und habe gelächelt - offenbar weil der Ex-Diktator diesen Auftritt lange vorbereitet habe.

Hussein solle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehängt werden, so lautet das Urteil. Das Urteil bezieht sich auf ein Massaker von 1982 in der nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Dudschail, in der damals 148 Schiiten getötet wurden, offenbar als Vergeltung für einen Attentatsversuch auf Saddam Hussein. Seien Anwälte haben nun 30 Tage Zeit, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Neben Hussein mussten sich sieben weitere Angeklagte in dem Prozess für die unmenschlichen Verbrechen in Dudschail verantworten. Der frühere Vorsitzende des irakischen Revolutionsgerichts, Awad Hamed al-Bandar, sowie Husseins Halbbruder, Barsan Ibrahim, wurden ebenfalls zum Tode durch den Strang verurteilt. Der einstige Vize-Präsident Taha Jassin Ramadan muss lebenslänglich ins Gefängnis. Drei weitere Angeklagte wurden wegen Mordes und Folter schuldig gesprochen und zu bis zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Angeklagte Mohammed Asawi Ali wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Bis zur Vollstreckung können Monate vergehen

Mit dem Todesurteil gegen den einstigen irakischen Machthaber wird automatisch ein Berufungsverfahren eingeleitet. Für die Prüfung zuständig sind die neun Richter der Berufungskammer des im Dezember 2003 eingerichteten Sondertribunals. Die Berufung kommt aber eher einer Revision gleich: Geprüft werden Urteil und Strafmaß auf mögliche Verfahrensfehler oder Gesetzesverletzungen.

Sollten die Richter auf Fehler stoßen, wird der Prozess neu aufgerollt. Sollten sie aber das Urteil bestätigen, muss es nach den Statuten des Tribunals binnen 30 Tagen vollstreckt werden. Bis zur Antwort der Richter könne es "zwei Wochen, aber auch zwei Monate dauern", sagt Chefankläger Dschaafar el Mussawi. Laut den Statuten sind die überprüften Urteile des Tribunals endgültig: Nicht einmal der Präsident kann die Todesstrafe umwandeln oder Verurteilte begnadigen.

Hussein machte den Prozess teilweise zur Farce

Während des rund einjährigen Prozess war es Hussein streckenweise gelungen, nochmals das Bild des "großen Führers" hervorzukehren: Mit unglaublicher Arroganz bügelte er die Richter ab, immer wieder provozierte er Unterbrechungen und nutzte den Gerichtssaal als Tribüne für seine Auftritte - stellenweise geriet das Verfahren zur Farce. Doch selbst seine Tobsuchtsanfälle konnten gegen die bewegenden Aussagen der Zeugen nichts ausrichten.

Nach und nach wurde er ruhiger - und wurde auch der Prozess geriet angesichts des alltäglichen Terrors auf den Straßen Bagdads in den Hintergrund des öffentlichen Interesses. Die eigentliche Verhandlung war schließlich im Juli nach neunmonatiger Dauer mit den Plädoyers der Pflichtverteidiger abgeschlossen worden.

Folgen für den Irak unklar

Die Folgen, die das jetzt gefällten Urteils gegen Hussein für den Irak haben wird, sind vollkommen unklar. Manche Experten erklärten im Vorfeld, dass die Spaltung des Iraks weiter vertieft und das Klima der Gewalt angeheizt werde. Sunnitische Extremisten dürften ihre Angriffe erheblich verstärken, da Saddam Hussein bei ihnen immer noch ein hohes Ansehen genießt. Andere Experten wiesen darauf hin, dass die Zahl der Anhänger Husseins keiner kenne. Unter Schiiten sei der frühere Machthaber verhasst, und auch die sunnitischen Aufständischen stünden nicht geschlossen hinter ihm. Ein BBC-Reporter berichtete nach der Urteilsverkündung, nahe Bagdad sei es in einem sunnitischen Gebiet bereits zu Ausschreitungen kommen.

Aus Furcht, die Lage in Bagdad könnte nach dem Urteil gegen den Ex-Diktator Saddam Hussein vollkommen außer Kontrolle geraten, hat die Regierung für heute eine Ausgangssperre in Bagdad und mehreren Provinzen verhängt. Zuvor war bereits ein Fahrverbot verhängt und die Armee in Alarmbereitschaft versetzt worden. Auch der Flughafen in Bagdad wurde für unbestimmte Zeit geschlossen.

Nur einer von zahlreichen Prozessen

Der Dudschail-Prozess war der erste Prozess, der gegen Hussein eröffnet worden war - und obwohl die dort verhandelten Verbrechen schon zum Todesurteil führten, sind sie nur ein Teil einer langen Liste. In einem zweiten Prozess, der im August begann, stehen jene Kriegsverbrechen im Mittelpunkt, die die irakischen Streitkräfte unter Husseins Herrschaft der Anklage zufolge 1987 und 1988 im nördlichen Kurdengebiet begingen. Bei der so genannten "Operation Anfal" wurden damals Tausende Dörfer zerstört und zwischen 50.000 und 100.000 Kurden getötet.

Auf der Anklagebank sitzt in diesem Prozess Husseins Cousin Ali Hassan al-Madschid, dessen zynischer Spitzname "Chemie-Ali" lautet. Der Prozess solle auch im Falle eines früheren Todesurteils für Hussein fortgesetzt werden, erklärte Experten vor der heutigen Gerichtssitzung. Auch wegen der Verfolgung und Ermordung von Regimegegnern, wegen der Besetzung Kuwaits und wegen des Kriegs gegen den Iran von 1980 bis 1988 waren Prozesse gegen Hussein angestrebt worden.

ase/AP/AFP/dpa/Reuters

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