
Prozess in Bahrain Elfjähriger "Staatsfeind" darf heim zu Mama
- • Kind in Bahrain vor Gericht: Staatsfeind mit elf Jahren
- • Proteste gegen Formel-1-Rennen: Bahrains König verspricht Reformen
Manama - Der wohl jüngste politische Verfolgte Bahrains muss nicht ins Gefängnis. Nach Angaben von Prozessbeobachtern ordnete ein Jugendgericht am Donnerstag für Ali Hassan Dschasim keine Haft an. Stattdessen soll der Elfjährige zu seiner Familie zurückkehren und ein Jahr lang von einem Sozialarbeiter überwacht werden.
Der Fall hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Polizisten hatten den schiitischen Jungen Mitte Mai in seinem Heimatort festgenommen. Der Vorwurf der Sicherheitskräfte: Ali habe bei einer Demonstration eine Straße mit Müllcontainern und Holzteilen blockiert - und damit die öffentliche Sicherheit gefährdet.
Der Elfjährige sagt, er habe doch nur mit zwei Freunden gespielt. Sein Anwalt erklärt, der Junge habe die Mülltonnen niemals allein tragen können. Sie seien so schwer, dass dafür zwei Männer nötig seien, um sie zu bewegen.
In dem Verfahren gegen Dschasim sahen Menschenrechtler einen weiteren Beleg für die Repressionen in dem kleinen Golfstaat. Das Königshaus versucht der Weltöffentlichkeit zwar Normalität vorzugaukeln. Im April, am Rande des umstrittenen Formel-1-Rennens in seinem Land, versprach König Hamad Bin Issa al-Chalifa erneut feierlich Reformen: Die Tür für einen ernsthaften Dialog mit dem gesamten Volk stehe immer offen. Aber wirklich passiert ist seitdem in den Augen der Opposition nichts, alle Schlüsselstellen in der Regierung sind weiterhin in der Hand der Herrscherfamilie.
Seit dem 14. Februar 2011, inspiriert durch den Arabischen Frühling, begehrt die schiitische Mehrheit gegen die Herrschaft von Bahrains Königshaus auf. Sie fühlen sich von den sunnitischen Machthabern politisch und wirtschaftlich benachteiligt. Fast täglich gehen die Menschen gegen ihre Regierung auf die Straße, darunter viele Jugendliche. Sie fordern mehr Demokratie, mehr Menschenrechte - und werden dafür verprügelt, verhaftet und auch gefoltert, wie Aktivisten anprangern. Mehr als 80 Menschen sollen bei den Unruhen bisher getötet worden sein, darunter auch Polizisten.
Massive Protest versus Regierung der Hardliner
Zuletzt protestierten Zehntausende gegen den Plan Bahrains, mit der regionalen Führungsmacht Saudi-Arabien, ebenfalls von Sunniten regiert, enger im Zuge einer Golf-Union zusammenzuarbeiten.
700 politische Gefangene sitzen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in Bahrains Gefängnissen. Zuletzt wurde der prominente Oppositionelle Nabeel Rajab wieder verhaftet - vordergründig wegen eines Tweets. Ihm wird vorgeworfen, via Twitter eine "nationale Institution beleidigt" zu haben. Rajab hatte internationalen Medien wiederholt kritische Interviews gegeben.
Insbesondere Premierminister Scheich Chalifa Bin Salman al-Chalifa, seit mehr als 40 Jahren im Amt, gilt als Hardliner. Er vergleicht die Opposition mit Terroristen, wirft Regimegegnern vor, sein Land zu "einem zweiten Iran" machen zu wollen.
Trotz der harten Linie, dürften nun nicht zuletzt die internationalen Proteste gegen die Behandlung des elfjährigen Jungen für eine vergleichsweise milde Strafe gesorgt haben. Unter anderem hatten die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch die Behandlung Dschasims durch die Sicherheitskräfte scharf verurteilt.
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Ali Hasan, nachdem er vorläufig freigelassen wurde. Das Regime beschuldigt ihn, an einer illegalen Demonstration teilgenommen zu haben. Nun ist das Urteil gesprochen: Der Elfjährige kann zu seiner Familie zurückkehren - muss aber ein Jahr lang von einem Sozialarbeiter überwacht werden.
Ali Hasan mit seiner Mutter: Der Sechstklässler saß vier Wochen lang im Gefängnis. Nun kann er endgültig nach Hause.
Anfang Juni: Schiitische Demonstranten protestieren gegen die Festnahme des Jungen. Der Prozess hatte international für Schlagzeilen gesorgt.
"Free Ali" forderte ein Junge bei einer Demonstration in Sadad, im Süden der Hauptstadt Manama.
Seit dem 14. Februar 2011, inspiriert durch den Arabischen Frühling, begehrt die schiitische Mehrheit gegen die Herrschaft von Bahrains sunnitischen König auf.
König Hamed Bin Issa Al Chalifa: Er ist seit 1999 im Amt, hier eröffnet er ein Krankenhaus in Muharraq im Norden des Inselstaates.
Die Beamten verhaften bei den Protesten auch immer wieder junge Demonstranten, wie hier in Manama Mitte Juni.
Die Polizei geht gegen die Demonstranten oft mit Gewalt vor. Menschenrechtsaktivisten prangern Folter und willkürliche Festnahmen an.
Auch Tränengas wird gegen die Aufständischen eingesetzt.
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