Bankdaten-Debakel Amerikaner verstoßen gegen Swift-Abkommen

EU-Parlament: Die Abgeordneten fordern die Aussetzung des Swift-Abkommens
Foto: VINCENT KESSLER/ REUTERSMächtige Mauern, starke Säulen, strenge Sicherheitsvorkehrungen - von Ferne sieht das Swift-Hauptquartier im beschaulichen La Hulpe südöstlich von Brüssel aus wie eine Trutzburg. Doch je näher man der Zentrale des wichtigsten Abwicklers grenzüberschreitender Bankgeschäfte in Europa kommt, desto weniger wirkt sie wie eine Festung. Durch eine Drehtür gelangt man in einen gläsernen, lichtdurchfluteten Eingangshof.
Ein ähnlicher Widerspruch besteht zwischen Theorie und Praxis des Swift-Abkommens, das die Europäische Union mit den USA geschlossen hat. Der Pakt regelt den Zugriff amerikanischer Behörden auf die Daten europäischer Bankkunden. Die Amerikaner dürfen diese Informationen auswerten, um Finanziers des Terrorismus nachzuspüren. Sie unterliegen dabei aber strengen Datenschutzbestimmungen.
Die "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" (Swift) wickelt nahezu alle grenzüberschreitenden Bankgeschäfte in Europa ab. Sie ist für mehr als 8300 Banken und Finanzdienstleister in 206 Staaten der Erde tätig. Zu den Leistungen gehören Standardüberweisungen, Devisengeschäfte oder Aktienkäufe. Täglich meldet Swift mehr als 15 Millionen Transaktionen.
27.000 Suchabfragen wegen Terrorverdachts
Entsprechend hartnäckig hatte sich das Europa-Parlament zunächst gegen das Abkommen mit den USA gewehrt. Erst nach großen Zugeständnissen beim Datenschutz stimmten die Abgeordneten im vergangenen Jahr dem Vertrag zu. In ihren Bedenken bestätigt fühlen sich die Datenschützer jetzt durch einen Bericht der EU-Kommission. Sie räumt bei der Umsetzung des Abkommens schwere Mängel ein.
So geht aus dem Kommissionspapier hervor, dass die USA ihre Anfragen an die EU nicht wie gefordert eingrenzen. Die US-Behörden speichern daher die Daten europäischer Bankdaten ohne Anlass und auf Vorrat. Dieses Praxis verstößt gegen Artikel 4 des Swift-Abkommens. Zudem verschweigen die Amerikaner gegenüber Brüssel die Zahl der Zugriffe auf Finanzdaten. In Artikel 13 des Swift-Abkommens heißt es dagegen, die Zahl solle in dem Bericht dokumentiert werden.
Ferner gibt die Kommission in ihrem Papier zu, dass sie über keinerlei Fakten verfügt, die die Verhältnismäßigkeit oder den Nutzen des Abkommens belegen. Trotz der in dem Dokument erwähnten mehr als 27.000 Suchabfragen aufgrund eines Terrorverdachts kann die Brüsseler Behörde zudem keinen einzigen Fall nennen, in denen das Abkommen zur Terrorbekämpfung beigetragen hat.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Kritiker des Swift-Abkommens Munition erhalten. Bereits Anfang März bemängelte ein Bericht der gemeinsamen Kontrollinstanz von Europol (GKI), dass die schriftlichen Anfragen der USA an Europol zu vage seien, um auf dieser Basis über die Zulässigkeit zu entscheiden. Trotz der fehlenden Entscheidungsgrundlage habe Europol jeder Frage zugestimmt, kritisierten die Prüfer. Eine Datenschutzaufsicht werde dadurch "unmöglich" gemacht.
"Schwerwiegende Vertragsverletzungen"
Dann kam heraus, dass auch ein zweiter Kontrollmechanismus in der Praxis versagt. Laut Artikel 15 des Swift-Abkommens hat jeder EU-Bürger das Recht zu erfahren, ob amerikanische Behörden auf seine persönlichen Bankdaten zugreifen und wenn ja, um welche Behörde es sich handelt. Ein Selbstversuch des FDP-Europaabgeordneten Alexander Alvaro hatte gezeigt, dass es den deutschen Behörden nicht einmal gelingt herauszufinden, ob Daten überhaupt verarbeitet werden.
Nachdem der Kommissionsbericht die Verstöße gegen den Datenschutz eingeräumt hat, fordert der FDP-Innenexperte jetzt Konsequenzen. Es handele sich um "schwerwiegende Vertragsverletzungen", so Alvaro. Das Europäische Parlament sei nicht bereit, die bekannt gewordenen Versäumnisse zu ignorieren. "Ohne umgehende Behebung der Mängel ist die Aussetzung des Abkommens notwendig."
Auch in der EU-Kommission regt sich Kritik. "Es ist sicher richtig, dass EU- und US-Behörden gemeinsam gegen den Terrorismus kämpfen", sagte Justizkommissarin Viviane Reding SPIEGEL ONLINE. "Aber wir müssen endlich auch in Sachen Datenschutz eine gemeinsame Sprache sprechen."
Die Luxemburgerin hat einen Vorschlag für ein EU-US-Datenschutzabkommen vorgelegt und fordert von den Amerikanern, jetzt an den Verhandlungstisch zu kommen. Sonst sieht die Kommissarin das Swift-Abkommen in echter Gefahr. "Ohne glaubwürdigen Datenschutz", so Reding, "werden Europas Bürger auf Dauer transatlantische Datentransfers nicht akzeptieren".