US-Präsident auf historischer Reise Obama reicht Kuba die Hand
Von Feindschaft ist in Havanna nicht mehr viel zu sehen.
Erste Geschäfte verkaufen amerikanisch-kubanische Fahnen. Ein Shop im Zentrum hat die neueste Schmuckkollektion von Jennifer Lopez im Schaufenster. Und in der Nähe der Kathedrale hängt ein Plakat mit den Gesichtern von Raúl Castro und Barack Obama. Als hätten die beiden immer schon gemeinsam für die gute Sache gekämpft.
Es ist eine erstaunliche Symbolik angesichts der vergangenen mehr als 50 Jahre, in denen sich die USA und Kuba so feindselig gegenüberstanden wie wenige andere Staaten auf der Welt.
Aber es soll jetzt eine neue Ära beginnen, Barack Obama persönlich ist gekommen, um den Kubanern die Hand zu reichen. Wandel durch Annäherung und nicht mehr durch Härte: Das ist das, was dem US-Präsidenten im Verhältnis zu einer der letzten Inseln des Kommunismus vorschwebt. Es ist eine fundamentale Kurskorrektur der amerikanischen Außenpolitik.

Obama-Castro-Plakat in Havanna
Foto: © Alexandre Meneghini / Reuters/ REUTERS"Historisch" nennt Obama seinen Besuch, woran man merkt, dass es ihm in seinem letzten Amtsjahr natürlich auch um sein Vermächtnis geht.
Aber schon gemessen an den zeitlichen Dimensionen ist das Attribut so verkehrt nicht. Fast 90 Jahre lang war kein US-Präsident mehr in Kuba, zuletzt besuchte Calvin Coolidge die Insel, das war 1928. "Er ist damals noch mit dem Kriegsschiff gekommen. Die Reise hat ihn drei Tage gekostet", sagt Obama nach seiner Ankunft in Havanna. "Ich war in drei Stunden hier."
Als Botschafter seines Landes kommt Obama, aber ein Stück weit auch als normaler Reisender - so will er selbst seine Visite verstanden wissen. Der Präsident wird von Frau und Kindern begleitet, die Schwiegermutter ist ebenfalls dabei. Kaugummikauend spaziert er noch am Sonntagabend mit seiner Familie durch die - selbstverständlich hochgesicherte - Altstadt. Es regnet heftig, aber die US-Botschaft stellt Schirme bereit. Ein Besuch in der Kathedrale. Eine Visite im städtischen Museum. Ein Abstecher in ein Restaurant. Obama, der Lonely-Planet-Präsident.

Historische Reise von Obama: "Wie geht's, Kuba?"
Aber natürlich steht die Politik im Mittelpunkt des Besuchs. Das Programm ist voll, lediglich ein Treffen mit dem schwer kranken Fidel Castro konnten die Unterhändler nicht arrangieren.
- Dafür kommt Obama am Montag mit dessen Bruder, Präsident Raúl Castro, zusammen.
- Am Dienstag hält der US-Präsident eine Rede im Großen Theater von Havanna, die live im kubanischen Fernsehen übertagen werden soll.
- Bevor er nach Argentinien weiterreist, besucht Obama am Dienstag noch ein Baseball-Spiel zwischen den Tampa Bay Rays und dem kubanischen Nationalteam. Kaum etwas verbindet mehr als der Sport, das weiß er als Basketballspieler nur zu gut.
Was Obama vorgeworfen wird
Der neue Kurs ist daheim nicht unumstritten. Die Mehrheit der Amerikaner ist die alte, anachronistische Fehde mit den Kubanern leid, das ist richtig. Aber im Diskurs der politischen Rechten ist Kuba noch immer eine wichtige Projektionsfläche, auch für jene Republikaner, die sich der Überlegenheit des Kapitalismus tagtäglich vergewissern müssen. So sehr Obama das Handelsembargo in den vergangenen Monaten mit neuen Regeln auch aufgeweicht haben mag - der Kongress sperrt sich dagegen, den Kurs legislativ abzusegnen.
Es geht in der Diskussion auch um die Frage, wie klug Obama seinen Kurs der Annäherung eingefädelt hat. Seine Kritiker werfen ihm vor, auf die Kubaner zugegangen zu sein, ohne vorher zentrale Gegenleistungen eingefordert zu haben. Kein Wunder, so heißt es im Lager der Obama-Gegner, dass seit dem im Dezember 2014 eingeläuteten Ende der Eiszeit politisch nicht allzu viel in Kuba passiert ist und Menschenrechte und Unternehmertum dort noch immer einen äußerst schweren Stand haben.
Kurz vor Obamas Eintreffen wurden abermals Castro-Kritiker festgenommen. Überhaupt scheint die Regierung in Havanna keine Geschenke an den Gast verteilen zu wollen. Genüsslich stellte die Parteizeitung "Granma" kürzlich den Bankrott der amerikanischen Sanktionen fest. Außenminister Bruno Rodríguez pochte vor Obamas Ankunft darauf, dass die USA endlich das Gebiet in Guantanamo zurückgeben müssten.
Obama will sich nicht vorwerfen lassen, zu blauäugig in die Karibik gereist zu sein. Nach dem Castro-Termin trifft er sich am Montag mit prominenten Dissidenten, jedenfalls ist das der Plan. Aber der "regime change", den die Amerikaner mit der jahrzehntelangen Wirtschaftsblockade erreichen wollten, soll nicht mehr das oberste Ziel sein.
Obama hält seinen Plan für alternativlos. Was nicht funktioniert, muss geändert werden, das ist sein Ansatz. Kuba soll in diesem Sinne nur ein Beispiel dafür sein, wie sehr er die Außenpolitik seines Landes neu justiert und den militaristischen, konfrontativen Ansatz seiner Vorgänger korrigiert. Er will, dass die Welt zuschaut. Gebt der Diplomatie eine Chance - das ist gewissermaßen die globale Botschaft dieses Besuchs.
Auf dem Papier ist das ein sympathischer Ansatz. Aber gleichzeitig muss sich Obama fragen lassen, ob er die Prioritäten in der Außenpolitik richtig gesetzt hat. Der Konflikt zwischen den USA und Kuba rangierte schon lange eher am unteren Ende der globalen Krisenskala, und es gibt in Washington auch Leute in seiner eigenen Partei, die sich wundern, warum er mit großem Tamtam nach Havanna aufbricht, während im Rest der Welt die Lichter auszugehen scheinen. Jedenfalls wünscht sich mancher, der Präsident hätte mit der gleichen Entschlossenheit wie an der Kuba-Front die Probleme in Syrien, Libyen oder in Nahost bearbeitet.
In Kuba sind die großen Krisen der Welt weit weg. Als Obama am Sonntagabend seine Kinder über den zentralen Plaza de Armas führt, rufen ihm ein paar Kubaner "USA! USA!" hinterher. Obama strahlt. Das ist ihm selbst daheim schon länger nicht mehr passiert.
Im Video: Veit Medick über die Stimmung unter den Kubanern

US-kubanische Geschichte: Vom Feind zum Freund
Zusammengefasst: Mit seinem Besuch in Kuba setzt US-Präsident Obama ein wichtiges Zeichen: Ihm geht es um die Annäherung der einst verfeindeten Länder. Kritiker werfen ihm allerdings vor, auf die Kubaner zuzugehen, ohne Gegenleistungen eingefordert zu haben. Tatsächlich wurden am Tag von Obamas Ankunft in Havanna zahlreiche Dissidenten festgenommen.