Konflikt mit Russland Barroso stellt Ukraine EU-Mitgliedschaft in Aussicht

Barroso mit Poroschenko: "Die Ukraine hat dieselben Rechte wie alle anderen europäischen Nationen"
Foto: SERGEI SUPINSKY/ AFPEU-Kommissionspräsident Jose Barroso kommt der Ukraine im Konflikt mit Russland weit entgegen - zumindest rhetorisch. Die Ukraine gehöre "zur europäischen Nationenfamilie", sagte Barroso vor den Teilnehmern der YES-Strategie-Konferenz in Kiew. Als er 2004 das Amt des Kommissionspräsidenten übernommen habe, habe die EU nur 15 Mitglieder gehabt. In den zehn Jahren unter seiner Führung habe sich die Zahl der Mitgliedsländer dann fast verdoppelt - auf heute 28.
Barroso verglich die Ukraine mit Polen. Nach dem Fall der Mauer sei die Jahreswirtschaftsleistung beider Länder pro Kopf ungefähr gleich hoch gewesen. Heute sei das polnische Bruttoinlandsprodukt dreimal so hoch wie das der Ukraine, stellte Barroso fest - und stellte dann die Frage: "Warum soll diese Entwicklung nicht auch für die Ukraine möglich sein?" Zwar rief er seinen Gastgebern zu: "Ihr seid noch nicht angekommen" - aber: "Die Ukraine hat dieselben Rechte wie alle anderen europäischen Nationen."
Seitenhieb gegen Jean-Claude Juncker
Als erster Schritt in Richtung eines möglichen EU-Beitritts gilt das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine. Nachdem der vorige ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch sich geweigert hatte, das Abkommen zu unterzeichnen, war es im Februar zu gewaltsamen Protesten auf dem Kiewer Maidan-Platz gekommen. Janukowitsch ergriff daraufhin die Flucht, sein gewählter Nachfolger Petro Poroschenko unterzeichnete schließlich das Assoziierungsabkommen. Es soll nun endlich am kommenden Dienstag von den Parlamenten in Straßburg und Kiew ratifiziert werden.
Allerdings soll die Umsetzung um ein Jahr verschoben werden. Damit geht die EU auf die massiven Bedenken Russlands ein. Die Regierung in Moskau hatte mehr als 2000 Änderungen an dem Freihandelsabkommen gefordert. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle verteidigte im Gespräch mit Journalisten in Kiew die Rücksichtnahme auf Moskau.
Putin habe wiederholt mit einem Wirtschaftskrieg gegen die Ukraine gedroht, falls das Assoziierungsabkommen ratifiziert werde, sagte Füle. Daher habe die EU angeboten, die Umsetzung des Assoziierungsabkommens zu verschieben. Dadurch will Brüssel Zeit gewinnen, um die Russen zu überzeugen, dass von dem Assoziierungsabkommen keinerlei Gefahr für die russische Wirtschaft ausgeht.
"Kein Komma geändert"
Bedingung sei aber gewesen, dass der Waffenstillstand in der Ost-Ukraine in einen umfassenden Friedensprozess münde. "Diese Bedingung haben die Russen akzeptiert", sagte der Tscheche. Der Ukraine entstünden aus der Verschiebung keinerlei Nachteile, so der EU-Kommissar. Die Zollfreiheit für ukrainische Produkte, die in die EU exportiert werden, bleibe bestehen, bis das Assoziierungsabkommen in Kraft trete. "An dem Abkommen selbst hat sich kein Komma geändert."
Wie Barroso schließt auch Füle einen Beitritt der Ukraine nicht aus. Die Entscheidung dafür liege, so Füle, ganz allein bei den EU-Mitgliedstaaten.
Dass der Kommissar und sein Präsident in ihren letzten Wochen im Amt über eine Beitrittsperspektive für die Ukraine sprechen, kann auch als Seitenhieb auf den neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker verstanden werden. Der Luxemburger hatte im Wahlkampf versprochen, es werde in den nächsten fünf Jahren keinen weiteren Beitritt zur EU geben. Füles Ressort "Nachbarschaftspolitik und Erweiterung" benannte Juncker um in "Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen". Das neue Ressort soll der Österreicher Johannes Hahn übernehmen.
Brüsseler Beamte sprechen von einem "populistischen" Schritt. Die Erweiterung sei eine der großen Erfolgsgeschichten der EU. Juncker hingegen argumentiert, bevor die EU weitere Mitglieder aufnimmt, müsse sie sich intern reformieren.
Es ist nicht die einzige Ressort-Umbenennung, die in Brüssel für Unmut sorgt. Ab kommender Woche müssen die designierten Kommissare den Abgeordneten des Europaparlaments Rede und Antwort stehen. Ohne die Zustimmung des Parlaments kann die Kommission ihre Arbeit nicht antreten.