Ägyptens TV-Star Dr. Youssef testet die Grenzen der Freiheit

Bassem Youssef: Der Ägypter legt sich mit Islamisten und Militär an
Foto: Amr Nabil/ AP/dpaEs schien, als könnte kaum noch jemand General Abd al-Fattah al-Sisi in Ägypten gefährlich werden. Und dann kam Bassem Youssef aus seiner Sommerpause zurück. Wegen des Machtkampfs in Ägypten hatte der TV-Star seine Sendung vier Monate lang ausgesetzt.
Als der Satiriker mit seiner Show "El Barnameg" ("Das Programm") zuletzt auf Sendung war, hatte noch der Islamist Mohammed Mursi das Amt des Präsidenten inne. Nun sitzt Mursi in Haft, am Samstag soll sein Prozess beginnen, und General Sisi ist der neue starke Mann. Um ihn wird inzwischen ein fanatischer Personenkult geschürt. Für abweichende Stimmen ist kein Platz. Kairos offizielle Devise: Wer nicht auf Sisis Seite ist, gilt als Islamist und Staatsfeind. "Ägypten über alles", prangt als Plakat am Tahrir-Platz.
Denjenigen Ägyptern, die weder die autoritären Muslimbrüder noch Militärs gutheißen, gibt Bassem Youssef nun eine Stimme und ein Gesicht. Zwar wagte er es nicht, den General in seiner Sendung so direkt und hart anzugreifen wie Mursi. Doch Youssefs Spott war deutlich genug.
Unter Sisi sieht Youssef die Meinungsfreiheit in Gefahr
In einer Szene blendete Youssef einen Ausschnitt aus einer geleakten Sisi-Ansprache vor seinen Offizieren ein, in der er davon spricht, wie man die ägyptischen Medien unterwandern könnte. Während Youssef nach diesem Clip die Prinzipien der freien Meinungsäußerung hochhält, taucht aus dem Inneren seines Schreibtischs plötzlich ein Arm auf, nimmt ihm das Redemanuskript weg und legt ihm ein anderes vor. Als Youssef trotzig weiterspricht, verpasst ihm die Hand erst eine Ohrfeige und greift ihm dann so kräftig in den Schritt, dass sich Youssef scheinbar vor Schmerz krümmt.
In seiner wöchentlichen Zeitungskolumne wurde der gelernte Mediziner, der mit den Protesten 2011 zum YouTube-Star avancierte, am Dienstag noch deutlicher. Unter der Überschrift "Ägyptens Rutsch nach rechts" schrieb er: "Ich kann die Intoleranz religiöser Bewegungen verstehen und ihre Tendenz nach rechts. Aber ich kann diejenigen nicht verstehen, die behaupten, Liberalismus und Freiheit zu verteidigen, und letztendlich noch intoleranter als die Religiösen sind."
Staatsanwaltschaft will gegen Youssef ermitteln
Viele von Ägyptens Säkularen haben seit dem Putsch am 3. Juli bereitwillig die offizielle Linie des Militärs übernommen. In einer Atmosphäre der Massenhysterie setzen sie Kritik am Vorgehen des Sicherheitsapparats gleich mit Sympathien für die unbeliebten Muslimbrüder. Kritische Stimmen aus dem Ausland werden durch die abstrusesten Verschwörungstheorien erklärt und verunglimpft.
Bassem Youssef macht sich nun zum Gradmesser, wie viel Freiheit die neuen Machthaber zulassen wollen. Noch scheint General Abd al-Fattah al-Sisi unentschlossen, ob er selbst Präsident Ägyptens werden will oder lieber weiterhin im Hintergrund die Fäden zieht.
Dem Satiriker können die Militärs schlecht vorwerfen, ein Anhänger der Muslimbruderschaft zu sein. Schließlich musste Youssef wegen seines Spotts über Mursi schon vor Gericht. Doch am Montag hieß es, dass die Staatsanwaltschaft nun erneut Ermittlungen aufnehmen soll - wegen der sexuellen Doppeldeutigkeiten, mit denen Youssef seine Sendungen bestritt.
Die Ironie könnte kaum größer sein. Ausgerechnet unter der neuen, nicht-islamistischen und vermeintlich liberalen Regierung wird nun gegen den Sisi-Kritiker wegen Anzüglichkeiten ermittelt. Offiziell Anklage erhoben wurde allerdings noch nicht.