Staatskrise Wirtschaftsexperte wird neuer ägyptischer Regierungschef

Neuer Regierungschef: Hasim al-Beblawi wird Übergangsministerpräsident
Foto: Stringer/ dpaBerlin/Kairo - Die Übergangsregierung in Ägypten soll vom früheren Finanzminister Hasim al-Beblawi geführt werden. Der liberale Ökonom werde zum neuen Interimsministerpräsidenten ernannt, teilte das Büro von Übergangspräsident Adli Mansur am Dienstag mit.
Der zunächst als Regierungschef gehandelte Oppositionspolitiker und Spitzendiplomat Mohamed ElBaradei soll demnach stellvertretender Interimspräsident werden und in dieser Funktion für die Außenbeziehungen zuständig sein.
Die islamistische Nur-Partei, die ElBaradei als Interimsministerpräsidenten abgelehnt hatte, erklärte ihre Unterstützung für Beblawi. Zugleich äußerte sie Vorbehalte gegen die Ernennung von ElBaradei zum Stellvertreter Mansurs.
Zusammen mit al-Beblawi muss Mansur das bevölkerungsreichste arabische Land in ruhigere Fahrwasser führen, nachdem am Montag bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi laut Rettungskräften 51 Menschen getötet und mehr als 430 verletzt worden waren. Inzwischen wurden nach Justizangaben rund 650 Menschen von den Behörden zu den Gewalttaten vernommen. Mansur ordnete eine Untersuchung der Zusammenstöße an und skizzierte noch am selben Abend, wie er sich die Machtübergabe an eine demokratisch legitimierte Staatsführung vorstellt.
Wahlen in einigen Monaten
Mansur kündigte an, das Land mit baldigen Parlamentswahlen und einer überarbeiteten Verfassung aus der Staatskrise führen zu wollen. Der Interimsnachfolger von Mursi legte dazu am Montagabend einen detaillierten Zeitplan vor. Demnach soll die Übergangsphase binnen höchstens 210 Tagen abgeschlossen und spätestens im Februar eine neue Volksvertretung zusammengetreten sein.
Mursis Muslimbruderschaft reagierte ablehnend auf den Vorstoß und rief zu neuen Massenprotesten im ganzen Land auf. Auf ein Einlenken der Muslimbrüder könnte möglicherweise die Türkei einwirken. Die regierende AKP-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan pflegt freundschaftliche Bande zu der Gruppierung in Ägypten.
Westerwelle telefonierte mit türkischem Kollegen
Wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß, telefonierten Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und sein türkischer Amtskollege Ahmet Davutoglu am Dienstagnachmittag ausführlich, um die Lage in Ägypten zu besprechen. Beide Seiten teilten die große Sorge mit Blick auf die Entwicklung in dem Land am Nil, war zu hören. Man sei sich einig gewesen, dass Ägypten schnellstmöglich auf den Boden der Verfassung zurückkehren müsse.
Beide Seiten hätten beteuert, dass eine Rückkehr zum Dialog mit allen gesellschaftlichen und politischen Gruppen unabdingbar sei. Damit dürften gerade die Muslimbrüder gemeint sein. Zudem habe man eine klare Absage an jedwede Form von Gewalt formuliert, hieß es aus dem Auswärtigen Amt.
Der ägyptische Armeekommandeur Abdel Fattah al-Sisi warnte die Anhänger Mursis vor einer Fortsetzung ihrer Verweigerungspolitik. "Das Schicksal der Nationen ist zu wichtig und zu heilig, als dass es - unter welchem Vorwand auch immer - Gegenstand von Manövern und Blockaden werden kann", hieß es in der Erklärung, die am Dienstag im staatlichen Fernsehen verlesen wurde. Die Armee werde dies nicht hinnehmen, fügte er hinzu.