Bedingt angriffsbereit US-Truppen fehlen Arzneien gegen tödliche Biowaffen

Die US-Armee hat offenbar nicht genügend Medikamente, um ihre Soldaten wirksam gegen einen Angriff mit biologischen Waffen zu schützen. Auch für die Zivilbevölkerung bestehe ein hohes Risiko, warnte ein hochrangiger Offizier, der schwere Vorwürfe gegen das Pentagon erhob.

Washington - Was von offizieller Seite bisher nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wurde, sprach Colonel Erik Henchal nun offen an: Ein biologischer Angriff auf US-Truppen könnte katastrophale Folgen haben. Das gleiche gelte für zivile Einrichtungen wie Schifffahrts- und Flughäfen.

Henchal, als Chef des US-Armeelabors in Fort Dentrick verantwortlich für Medikamenten- und Biowaffenforschung, sprach gegenüber der "Washington Post" von 20 Arzneimitteln gegen verschiedene tödliche Substanzen. Die meisten allerdings stünden ungenutzt in den Regalen und seien bisher nicht auf den Markt gelangt, weil das Pentagon nicht genügend Geld bereitstelle. Der Grund: Private Pharma-Unternehmen hätten kein kommerzielles Interesse an diesen Medikamenten.

Ein Industrieunternehmen investiere rund 600 Millionen Dollar, ehe eine neue Arznei reif für den Markt sei. Der Jahresetat seines Armee-Labors liege bei nur 50 Millionen Dollar. Normalerweise entwickelten die Forscher des US-Verteidigungsministeriums eine Arznei bis zu einem gewissen Grad, um dann eine Produktionslizenz an ein Pharma-Unternehmen zu erteilen. Bei einigen Bio-Kampfstoffen aber, sagte Henchal, sei der Bedarf an Gegenmitteln zu gering, um das Interesse der Industrie zu wecken.

Das aber könne sich schnell ändern, betonte Henchal gegenüber der Zeitung: Schifffahrts- und Flughäfen sowie andere logistische Zentren könnten leicht von Terroristen genutzt werden, um Panik unter der Zivilbevölkerung oder gar eine weltweite Epidemie auszulösen und damit die Kriegsvorbereitungen am Persischen Golf zu stören.

Zwar habe die US-Regierung einen Plan zum Schutz gegen die Pocken aufgestellt, doch Armee und Bevölkerung seien laut Henchal weiterhin verwundbar. "Es gibt Lücken bei einer ganzen Reihe von biologischen Kampfstoffen, die wir als klassische Bedrohung ansehen", sagte der Offizier. Milzbrand- und Pocken-Erreger stünden ganz oben auf der Liste. In manchen Fällen könnten Antibiotika ein spezifisches Gegenmittel ersetzen, doch funktioniere das längst nicht immer.

Als Beispiel suchte sich Henchal Deutschland aus: Die Freisetzung von Pocken-Erregern am Frankfurter Flughafen mit seinen Hunderttausenden Reisenden "könnte ziemlich schnell eine weltweite Pocken-Epidemie auslösen".

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