Beinahe-Feuergefecht Gefährlicher Zwischenfall im Persischen Golf - Bush-Regierung droht Iran
Washington - Offiziell nennen die US-Behörden es einen "potentiell feindlichen" Zwischenfall. Hinter vorgehaltener Hand beschreiben Pentagon-Vertreter jedoch die ganze Dramatik dessen, was sich am Samstagmorgen in der Straße von Hormus vor der iranischen Küste abgespielt hat: Es fehlten wohl nur Minuten, wenn nicht Sekunden, und es hätte Verletzte oder gar Tote geben können, Opfer eines Feuergefechts zwischen iranischen und amerikanischen Soldaten im Persischen Golf. Die Folgen, politisch und militärisch: unabsehbar.
Fünf iranische Schnellboote, so die Schilderung eines namentlich nicht genannten Mitarbeiters des Verteidigungsministeriums, näherten sich um etwa 5 Uhr in der Früh drei Schiffen der US-Marine. Vermutlich waren sie besetzt mit Revolutionswächtern. Der US-Verbund befand sich demnach in internationalen Gewässern, als die Iraner bis auf etwa 200 Meter heranpreschten. Eine Entfernung, die durchaus nicht ungewöhnlich ist, das Verhalten war es in diesem Fall allemal.
"Es ist verwunderlich, dass fünf kleine iranische Boote drei US-Kriegsschiffe in internationalen Gewässern gegenübertreten können", sagte Pentagon-Sprecher Geoff Morrell heute. Solche Aktionen seien gefährlich und könnten schnell eskalieren.
Von gefährlichen und aggressiven Manövern sprechen die Pentagon-Offiziellen, von kleinen weißen Paketen, die die iranischen Elitesoldaten unmittelbar vor den US-Schiffen ins Wasser warfen, von bedrohlichen Funksprüchen. "Wir kommen auf euch zu. In ein paar Minuten werdet ihr explodieren", zitiert der US-Sender CNN eine iranische Warnung an die Amerikaner.
Der Navy-Kreuzer USS Port Royal, der Zerstörer USS Hopper und die Fregatte USS Ingraham wurden zu Ausweichmanövern gezwungen und brachten ihre Waffen in Stellung. Dann drehten die Iraner ab, "buchstäblich in dem Moment, in dem sich die US-Truppen darauf vorbereiteten, das Feuer zu eröffnen", wie es ein Pentagon-Vertreter ausdrückte. "Das ist die gravierendste Provokation dieser Art, die es bisher gegeben hat. Es gab keine Verletzten, aber es hätte leicht welche geben können."
Warnung aus dem Weißen Haus
Das US-Verteidigungsministerium bestätigte das Beinahe-Feuergefecht auch offiziell. Sprecher Barry Whitman sprach von einem "ernsten Vorfall", der eine Erklärung erfordere. Die iranischen Boote hätten sich rücksichtslos, gefährlich und "potentiell feindlich" verhalten.
Außenamtssprecher Sean McCormack sagte, Washington werde iranischem Verhalten entgegentreten, wenn es die USA oder einen ihrer Verbündeten in der Golfregion bedroht. Das sei ein genereller Grundsatz und nicht als Reaktion auf den aktuellen Vorfall zu verstehen.
Das Weiße Haus forderte Teheran auf, solch provokante Aktionen zu unterlassen. Andernfalls könnte dies künftig zu einem "gefährlichen Vorfall" führen, warnte Gordon Johndroe, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates.
US-Präsident George W. Bush wird am Dienstag zu einer Nahost-Reise aufbrechen. Er will sich für den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen und den Verbündeten der USA ihre Unterstützung gegen Iran zusichern.
Iraner spielen Vorfall herunter
Die iranische Seite versuchte den Vorfall vom Wochenende heute herunterzuspielen. Ein Sprecher des Außenministeriums bezeichnete das Ereignis als normal. Die Situation sei gelöst worden, nachdem sich beide Seite identifiziert hätten. Ein Sprecher der iranischen Revolutionsgarden sagte dem Nachrichtensender Al-Alam: "Die Marine der Revolutionsgarden hat weder amerikanische Marineschiffe in der Straße (von Hormus) angegriffen noch provoziert."
Dennoch: Der Vorfall dürfte die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiter verschlechtern. Iran strebt eine Vormachtstellung in der Region an, was die Regierung in Washington verhindern will.
Im März vergangenen Jahres hatte Iran bei einem anderen Zwischenfall auf See 15 britische Marinesoldaten festgenommen. Die Regierung in Teheran warf den Briten vor, bei der Kontrolle eines Frachtschiffes in iranisches Gewässer vorgedrungen zu sein. Großbritannien wies diese Darstellung als falsch zurück und erklärte, die Marinesoldaten seien in irakischem Gewässer gefahren. Nach zwei Wochen in Gefangenschaft kamen die 15 Briten schießlich frei, was Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad als Geschenk an das britische Volk bezeichnete.
Blockade-Drohungen für Straße von Hormus
Die Straße von Hormus gilt als eine der wichtigsten Wasserstraßen, weil dort täglich eine gewaltige Menge Öl transportiert wird. Die Meerenge trennt den Persischen Golf vom Arabischen Meer; eingegrenzt wird die Wasserstraße im Norden von Iran und im Süden von den Golf-Emiraten; am engsten Punkt hat die Straße eine Breite von 55 Kilometern.
Täglich transportieren Öltanker rund 16 bis 17 Millionen Barrel durch die Wasserstraße. Dies entspricht in etwa zwei Fünfteln der täglich weltweit gehandelten Menge des Rohstoffs, 90 Prozent der Ölexporte aus der Golfregion und 75 Prozent des Erdölbedarfs Japans. Die Straße von Hormus ist zudem ein strategisch wichtiger Nachschubweg für die US-Truppen im Irak.
Die Internationale Energieagentur (IAEA) hat bereits im Februar auf arabische und iranische Presseberichte aufmerksam gemacht, wonach es in Teheran politischen Druck gebe, die Schifffahrt im Fall von Uno-Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms zu blockieren.
Iran hat die Stationierung von Raketen auf der strategisch wichtigen Insel Abu Mussa eingeräumt, die in der Wasserstraße liegt; eingesetzt werden können die Raketen gegen Schiffe und Flugzeuge. Im ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak in den achtziger Jahren feuerten die Kriegsparteien auf Öltanker der Gegenseite; unter der Flagge von Drittstaaten fahrende Schiffen gerieten dabei oft in die Schusslinie.
phw/dpa/AP/Reuters/AFP