Belarus Lukaschenko will Volksversammlung über Neuwahl entscheiden lassen

Seit vier Wochen protestieren Menschen in Belarus gegen eine weitere Amtszeit von Alexander Lukaschenko
Foto:Sergei Sheleg / imago images/ITAR-TASS

Seit vier Wochen protestieren Menschen in Belarus gegen eine weitere Amtszeit von Alexander Lukaschenko
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Mehr als vier Wochen dauern die Proteste gegen den Langzeit-Staatschef Alexander Lukaschenko in Belarus schon an. Nun stellte Lukaschenko eine Entscheidung über mögliche Neuwahlen bis Anfang nächsten Jahres in Aussicht. Von Dezember bis Januar trete die Volksversammlung zusammen, die darüber entscheiden solle, sagte der Präsident in einem Interview mit mehreren russischen Staatsmedien in Minsk. Die Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja hält Neuwahlen für den einzigen Weg aus der Regierungskrise.
Am Mittwoch wurden weitere Auszüge aus diesem Gespräch veröffentlicht. "Auf diesem Kongress werden alle Termine festgeschrieben, bis hin zu Präsidentenwahlen, falls das nötig sein sollte", sagte Lukaschenko.
Die Volksversammlung in Belarus tritt alle fünf Jahre zusammen, um etwa Entscheidungen zu politischen und wirtschaftlichen Fragen zu treffen. Im Januar hatte Lukaschenko angekündigt, das Gremium werde innerhalb dieses Jahres einberufen. Einen Termin hatte er nicht genannt. Unterdessen ernannte Lukaschenko Andrej Schwed zum neuen Generalstaatsanwalt. Bereits in der vergangenen Woche hatte er mehrere Personalentscheidungen im Sicherheitsapparat getroffen.
Der 66-jährige Lukaschenko hatte sich bei der Abstimmung am 9. August als Präsident bestätigen lassen und will im November seine sechste Amtszeit antreten. Die Wahl steht aber international als grob gefälscht in der Kritik. Die Opposition sieht Tichanowskaja als wahre Siegerin. Seit der Abstimmung gibt es Proteste gegen Lukaschenko.
Tichanowskaja, die sich mittlerweile im Exil in Litauen befindet, äußerte sich am Mittwoch: "Nur eine neue Wahl kann unser Land retten", sagte sie in Warschau nach einem Treffen mit Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. "In den Augen des Volkes ist Lukaschenko nicht mehr länger der legitime Präsident." Die Oppositionsbewegung stehe in der Mitte ihres Kampfes.
Vor Studenten der Warschauer Universität sagte Tichanowskaja, die Proteste müssten weiterhin einen friedlichen Charakter behalten. "Das Regime zeigt seine Schwäche, wenn es Soldaten schickt." Die Proteste würden niemals enden. Alle wollten Veränderung. "Jeder in Belarus ist jetzt ein Anführer." Es gebe Übereinstimmung unter den Demonstranten, dass Belarus neutral und unabhängig werden müsse.
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Marija Kolesnikowa Mitte August bei einer Kundgebung vor dem Minsker Radschlepperwerk. Seit Montagvormittag gibt es von ihr kein Lebenszeichen. Der Koordinierungsrat der Demokratiebewegung, dem sie angehört, geht davon aus, dass Kolesnikowa im Zentrum der Hauptstadt Minsk von Unbekannten entführt wurde. Wo sich Kolesnikowa derzeit befindet, ist unklar. Sie sei in Gewahrsam, sagte ein Sprecher des belarussischen Grenzschutzes der Nachrichtenagentur AFP. Sie habe zuvor versucht, die Grenze zur Ukraine zu überqueren. Der Vize-Innenminister der Ukraine, Anton Geraschtschenko, widersprach dem und schrieb bei Facebook von einer versuchten Abschiebung. "Marija Kolesnikowa konnte nicht aus Belarus abgeschoben werden, da diese mutige Frau durch ihre Handlungen ihre Deportation über die Grenze unmöglich machte." Berichten zufolge zerriss die Oppositionelle ihren Pass und verhinderte so ihre Abschiebung.
Kolesnikowa (r.) mit Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja (M.) und Veronika Zepkalo, Ehefrau des nicht zugelassenen Kandidaten Valeri Zepkalo, bei einem Wahlkampfauftritt im Juli. Kolesnikowa ist eine der wichtigsten Figuren der Proteste gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko.
Swetlana Tichanowskaja trat bei den Präsidentschaftswahlen gegen Lukaschenko an, nachdem sie als einzige Oppositionskandidatin zugelassen worden war. Nach der Wahl reiste sie nach Litauen aus, um sich in Sicherheit zu bringen.
Sergei Grits/ dpa
Ihr Mann Sergej Tichanowski sitzt als Oppositioneller seit Längerem in Belarus in Haft.
Vergangene Woche wurde Tichanowskajas Minsker Vertreterin Olga Kowalkowa (hier bei einem Protest im August) nach Polen abgeschoben. Sicherheitskräfte brachten sie an die Grenze und stellten sie vor die Wahl, ins Exil oder ins Gefängnis zu gehen.
Sergej Dylewski, ebenfalls Mitglied im Koordinierungsrat der Opposition, hatte die Streiks in der Minsker Traktorenfabrik - einem der größten Werke des Landes – angeführt. Er wurde Ende August zu einer Haftstrafe von zehn Tagen verurteilt.
Viktoria Zepkalo, Ehefrau des nicht zugelassenen Kandidaten Valeri Zepkalo, unterstützte im Wahlkampf Tichanowskaja.
Natalia Fedosenko/ imago images/ITAR-TASS
Marija Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der ebenfalls für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Lukaschenko ließ ihn aber vor der Wahl verhaften. Das Strafverfahren gilt als politisch motiviert. Gemeinsam mit Babariko hat Kolesnikowa eine neue Partei gegründet.
Vasily Fedosenko/ REUTERS
Der frühere Kulturminister und Lukaschenko-Gegner Pawel Latuschko reiste nach Polen aus, nachdem Lukaschenko ihm im Fernsehen persönlich gedroht hatte.
Marija Kolesnikowa und ihr Mitstreiter Iwan Krawtzow im August in Minsk.
Krawzow war genauso wie Anton Rodnenkow (Mitte), ein anderer Mitstreiter Kolesnikowas, nach Oppositionsangaben festgenommen worden. Im Unterschied zu Kolesnikowa haben die beiden den Berichten zufolge die Grenze überquert und befinden sich in der Ukraine.
Marija Kolesnikowa Mitte August bei einer Kundgebung vor dem Minsker Radschlepperwerk. Seit Montagvormittag gibt es von ihr kein Lebenszeichen. Der Koordinierungsrat der Demokratiebewegung, dem sie angehört, geht davon aus, dass Kolesnikowa im Zentrum der Hauptstadt Minsk von Unbekannten entführt wurde. Wo sich Kolesnikowa derzeit befindet, ist unklar. Sie sei in Gewahrsam, sagte ein Sprecher des belarussischen Grenzschutzes der Nachrichtenagentur AFP. Sie habe zuvor versucht, die Grenze zur Ukraine zu überqueren. Der Vize-Innenminister der Ukraine, Anton Geraschtschenko, widersprach dem und schrieb bei Facebook von einer versuchten Abschiebung. "Marija Kolesnikowa konnte nicht aus Belarus abgeschoben werden, da diese mutige Frau durch ihre Handlungen ihre Deportation über die Grenze unmöglich machte." Berichten zufolge zerriss die Oppositionelle ihren Pass und verhinderte so ihre Abschiebung.
Foto: Dmitri Lovetsky / dpaKolesnikowa (r.) mit Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja (M.) und Veronika Zepkalo, Ehefrau des nicht zugelassenen Kandidaten Valeri Zepkalo, bei einem Wahlkampfauftritt im Juli. Kolesnikowa ist eine der wichtigsten Figuren der Proteste gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko.
Foto: Sergei Grits/ dpaMarija Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der ebenfalls für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Lukaschenko ließ ihn aber vor der Wahl verhaften. Das Strafverfahren gilt als politisch motiviert. Gemeinsam mit Babariko hat Kolesnikowa eine neue Partei gegründet.
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