

Die syrische Regierung hat mit scharfer Kritik auf die Entscheidung der arabischen Liga reagiert, die Beobachtermission vorerst zu stoppen. Der Schritt werde einen negativen Einfluss auf die Lage im Land haben und "bewaffnete Gruppen dazu bewegen, die Gewalt zu verschärfen", hieß es im staatlichen Fernsehen. Man sei "überrascht und enttäuscht" von der Entscheidung.
Die Regierungen des Staatenbundes scheinen am Ende ihrer Geduld zu sein. Indem sie ihre Mission ausgesetzt und so de facto für gescheitert erklärt hat, hat die Arabische Liga einen Schlussstrich gezogen: Die Appeasement-Politik, mit der Syriens Nachbarn den Gewaltexzessen Baschar al-Assads lange begegneten, ist Geschichte. Zwar sollen die Beobachter, die seit Dezember in Syrien sind, vorerst in Damaskus auf weitere Anweisungen warten. Doch es ist nicht zu erwarten, dass sie ihre Arbeit wieder aufnehmen werden.
Am Samstagabend meldeten Aktivisten, Assad-Truppen hätten mehrere Vororte der Hauptstadt Damaskus unter Feuer genommen. Dabei seien mindestens zwölf Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Ziel der Angriffe seien Saqba, Hammuria und Kfar Batna gewesen, die zuletzt unter Kontrolle der Aufständischen gewesen seien. Die Armee habe mit Flugabwehrgeschützen und Granaten geschossen.
Assad hat die von seinen Nachbarländern entsandten Beobachter seit Beginn ihrer Mission systematisch getäuscht. Und die Gesandten scheinen es nun endlich leid zu sein, dem Regime als Feigenblatt zu dienen. Nichts hat sich geändert, seit Damaskus die arabische Delegation ins Land gelassen hat. Im Gegenteil: Der Blutzoll, den die Aufständischen Tag um Tag zahlen, ist in den vergangenen Tagen rasant gestiegen. Assad hat damit das letzte Quentchen Glaubwürdigkeit, das ihm noch geblieben war, verspielt.
Es sind vor allem die Ölstaaten am Persischen Golf, die Assads Politik der Gewalt nicht mehr decken wollen. Anfang Januar hatten einige Beobachter aus Gewissensgründen ihren Aufenthalt in Syrien abgebrochen. Doch das waren Einzelfälle: Das politische Signal, dass Syrien seine Chance vertan hat, kam am Montag aus Riad. Saudi Arabien kündigte an, seine Beobachter abziehen zu wollen, da sich Damaskus nicht an den Plan für eine Beilegung der Krise im Land gehalten habe. Die Entscheidung hatte Signalwirkung. Am Dienstag zogen die anderen fünf Staaten des Golfkooperationsrates nach, jetzt hat die ganze Liga sich entschlossen, den Versprechungen Assads nicht länger Glauben zu schenken.
Findet sich eine Mehrheit für ein militärisches Eingreifen?
Am Freitag gab es Gerüchte, Saudi Arabien plane, den Syrischen Nationalrat SNC und damit die Rebellen anzuerkennen. "Der saudische Außenminister Prinz Saud al-Faisal hat einer Delegation des SNC, die er vergangene Woche in Kairo getroffen hat, gesagt, dass das Königreich den Rat als offizielle Vertreter des syrischen Volkes anerkennen wird", zitierte die kuwaitische Zeitung "al-Rai" das Ratsmitglied Ahmad Ramadan.
Zudem wird spekuliert, ob sich nicht doch langsam eine Mehrheit für ein militärisches Eingreifen finden könnte. Angeheizt wurden die Gerüchte Ende der Woche durch den sehr kurzfristig angekündigten Besuch des Generalsekretärs des Golfkooperationsrats, Abdul Latif Bin Raschid al-Zayani, im Hauptquartier der Nato in Brüssel. Zayani trifft dort am Montag den Generalsekretär des Bündnisses, Anders Fogh Rasmussen.
Dass vor allem die Golfstaaten sich offen gegen das syrische Regime stellen, liegt auch an dessen engen Bindungen zu Iran. Die Achse Damaskus-Teheran stört die Saudis und ihre Nachbarn seit langem. Am Freitag gaben syrische Freischärler an, eine Gruppe von iranischen Söldnern im Dienste Assads gefangen genommen zu haben. Ob das stimmt oder nicht: Es bestärkt viele Araber darin, dass Iran bei der Verfolgung seiner regionalen Machtinteressen vor wenig zurückschreckt.
Die Entscheidung der Araber, das syrische Morden nicht länger decken zu wollen, dürfte auch von der verbesserten Öffentlichkeitsarbeit der syrischen Rebellen beeinflusst worden sein. In der vergangenen Woche sendeten sie Bilder und Berichte von Massakern in aufständischen Städten quasi in Echtzeit ins Ausland. Das Ausmaß der Gewalt in Syrien entsetzt viele Menschen in der arabischen Welt. Der Druck auf die Regierungen, sich in dem Konflikt klar zu positionieren, ist dadurch noch einmal gestiegen.
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Baschar al-Assad überlebensgroß: Nachdem die Arabische Liga ihre Beobachter aus Syrien abgezogen hat, gerät Syriens Präsident unter Druck. Vor allem die Ölstaaten am Persischen Golf wollen sich Assads Politik der Gewalt nicht mehr gefallen lassen.
Als erstes kündigte Saudi Arabien an, seine Beobachter abziehen zu wollen, da sich Assad nicht an den Plan für eine Beilegung der Krise im Land gehalten habe.
Zerstörung in der syrischen Stadt Homs: Nun zieht die gesamte Arabische Liga ihre Beobachter aus Syrien ab.
Sie sollten die gewaltsame Unterdrückung der Opposition untersuchen, wurden aber in ihrer Arbeit immer wieder behindert. Die Entscheidung, die Mission auszusetzen, sei nun getroffen worden, weil die Regierung von Präsident Baschar al-Assad (siehe Foto) weiter gewaltsam gegen Demonstranten vorgehe.
Das Foto zeigt einen Beobachter der Arabischen Liga (rechts), der in der Stadt Ablb mit einem Oppositionellen spricht. Ein Jahr lang war die Mission im Einsatz, um die Freilassung politischer Gefangener und den Abzug des Militärs aus Protesthochburgen wie Homs, Hama, Idlib, Daraa und Deir as-Saur zu überwachen.
Abtrünnige der syrischen Armee strecken ihre Waffe in die Luft: Erst vor wenigen Tagen haben Truppen die Protesthochburg Homs beschossen. Aktivisten berichteten von einem "grauenhaftem Massaker".
Masken der Macht: Ende Januar protestierten Aktivisten in New York gegen das Blutvergießen in Syrien - sie verkleideten sich als Russlands Premierminister Wladimir Putin und Syriens Präsident Assad. Das Kampagnen-Netzwerk Avaaz lieferte bei den Vereinten Nationen eine Petition ab, die 600.000 Menschen auf der ganzen Welt unterschrieben hatten. Sie fordern, Bashar al-Assad dem Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern.
Regimekritiker bei einer Kundgebung in der Provinz Homs: Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge sind bei dem Konflikt in Syrien bereits mehr als 5400 Menschen ums Leben gekommen.
Verletzte in Homs: Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einem syrischen Fernsehbericht. Ein Mann trägt eine Frau über die Straße, die offenbar bei einem Anschlag auf die Stadt am 11. Januar verletzt worden war.
Berater der Arabischen Liga nach einer Besprechung in Damaskus: Bereits am Dienstag hatten die sechs Staaten des Golfkooperationsrates angekündigt, ihre Mitglieder aus der Beobachtermission abzuziehen,...
...da sich Syrien nicht an den Plan für eine Beilegung der Krise im Land gehalten habe.
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