Berlin Zehntausende protestieren gegen "das Diktat des Cowboys"

Bei einer Großdemonstration in Berlin haben mehrere Zehntausend Menschen gegen die Politik der US-Regierung protestiert. Einen Tag vor dem Besuch von George W. Bush gingen etliche Prominente mit dem Präsidenten scharf ins Gericht. Eine Veranstaltung der Grünen wurde abgebrochen, als Gegendemonstranten die Bühne stürmten.

Berlin - Wie viele Menschen gegen Bush in Berlin demonstriert haben, ist nicht klar. Darüber gibt es verschiedene Angaben. Die Polizei sprach von rund 20.000 Teilnehmern, Sprecher der rund 250 Gruppierungen, die zum Bündnis "Achse des Friedens" aufgerufen hatten, gaben an, es seien bis zu 100.000 Menschen unterwegs gewesen vom Bebelplatz zum Alexanderplatz.

Der Protest richtet sich vor allem gegen die US-Militärpolitik. Das Motto des Zuges lautet: "Wir wollen Ihre Kriege nicht, Herr Präsident. Wir wollen überhaupt keine Kriege." Auf Transparenten wird zudem gegen die Todesstrafe in Amerika und die Klimapolitik der USA protestiert.

In Washington äußerte sich Bush gegenüber dem ZDF zu den Demonstrationen in Deutschland. Er sagte, die Demonstrationen schreckten ihn nicht. Wie schon die Nationale Sicherheitsberaterin der USA, Condoleezza Rice, sagte Bush, Demonstrationen gehörten zur Demokratie. Bush kündigte an, sich mit Kanzler Schröder auch über den Irak zu unterhalten. Dabei werde er Klartext reden. "Wir nehmen das besser ernst", sagte Bush mit erhobenem Zeigefinger. Er habe jedoch noch keine Einsatzpläne für "seine Truppen" auf seinem Schreibtisch.

Bei einer Großkundgebung in Berlin wurde Bush von mehreren Prominenten scharf kritisiert. Der aus der Schweiz stammende Uno-Sonderberichterstatter Jean Ziegler wertete die Außenpolitik der USA als "Diktat des Cowboys aus dem Weißen Haus". Das "Bush-Imperium" sei eine tödliche Gefahr für die Zivilisation, sagte der Globalisierungskritiker. Der Generalsuperintendent der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Rolf Wischnat, stellte klar, der Protest sei nicht gegen die Amerikaner gerichtet, sondern gegen eine Politik, "die wir für verhängnisvoll halten".

Sturm bei den Grünen

Zu einem Zwischenfall kam es bei einer Veranstaltung der Grünen. Zwei Dutzend Gegendemonstranten stürmten auf der "amerika-kritischen" Kundgebung die Bühne, als gerade der amerikanische Sozialwissenschaftler Norman Birnbaum sprach. Durch Megafone verstärkt beschimpften sie die Grünen als "Heuchler" und "Kriegstreiber". Nach Augenzeugenberichten wurden sie sofort von Polizisten festgenommen. Dabei soll es zu einer Rangelei zwischen Beamten und den Störern gekommen sein. Die Kundgebung mit rund 200 Teilnehmern wurde daraufhin aufgelöst.

An der Versammlung der Berliner Landespartei hatten die Vorsitzenden der Bundespartei, Claudia Roth und Fritz Kuhn, teilgenommen. "Wir wollen deutlich machen, dass wir gegen ein militärisches Abenteuer im Irak sind", sagte Roth. So dächten auch in den USA viele Menschen. Die Störung bezeichnete sie als einen "Akt der Intoleranz".

Zu einem weiteren Zwischenfall kam es am Rande der Demonstrationen. Eine Gruppe von etwa hundert Demonstanten zingelte rund 25 Polizisten ein und drängten sie an einen Bauzaun. Die Beamten hatten vor, den Protestierenden ein Spruchband abzunehmen.

"Feigheit vor dem Freund"

Auch die PDS mobilisierte mehrere hundert Menschen zu einer Protestkundgebung anlässlich des Bush-Besuchs. PDS-Chefin Gabi Zimmer übte dabei scharfe Kritik an der Anti-Terror-Politik der USA und warf der Bundesregierung "Feigheit vor dem Freund" vor. "Wer aus uneingeschränkter Unterstützung der USA nicht wagt, seine Kritik an dieser Politik öffentlich zu machen, handelt verantwortungslos", erklärte Zimmer.

Die PDS-Chefin warf Bush "eine bedrohliche Unfähigkeit zu Antworten auf die realen Herausforderungen dieser Welt" vor. Die Politik des US-Präsidenten setze auf Krieg, "und das kann nicht im Interesse der meisten Bürgerinnen und Bürger der USA sein". Die Bundesregierung reagiere darauf mit "verantwortungslosem Schweigen".

Knapp hundert Menschen kamen zu einer Pro-Bush-Demo der Berliner Jungen Union zum ehemaligen Checkpoint Charlie. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: "Danke Amerika! Willkommen in Berlin, Mr. President!" Pfeifende Gegendemonstranten wurden von der Polizei abgedrängt. Der designierte CDU-Landeschef Christoph Stölzl sagte, die Anti-Bush-Proteste seien "ein Jammer für die Stadt".

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