
Regierungsbildung in Rom Kampf der alten Männer
Pier Luigi Bersani hat sich nach dem Job gedrängt. Jetzt hat er ihn. Schnellstmöglich soll er Italien nun eine neue Regierung verschaffen. Diesen Auftrag hat ihm Staatspräsident Giorgio Napolitano am Freitagnachmittag offiziell erteilt. Bersani muss nun eine Mehrheit in einem Parlament finden, in dem es keine wirkliche Mehrheit gibt. Die meisten politischen Auguren in Rom sagen deshalb: "Mission impossible".
In der Abgeordnetenkammer hat Bersanis Mitte-links-Allianz dank des Mehrheitszuschlages für die führende Gruppierung zwar eine ordentliche Mehrheit. Im Senat aber ist er weit davon entfernt. Und ohne die zweite Kammer läuft nichts, sie muss jedem Gesetzesvorhaben der Regierung zustimmen. Bei vielen der anstehenden Aufgaben - von der Reform des Wahlgesetzes bis zum Umbau der verkrusteten staatlichen Institutionen - sind sogar zwei Drittel aller Stimmen nötig. Wie will Bersani diese kriegen?
Er werde, hat er dem Präsidenten vorgetragen, eine Riege exzellenter Minister um sich scharen, die nicht unbedingt aus dem Fundus der politischen Parteien kommen. Mit denen will er im Parlament Stimmen aus den anderen Lagern gewinnen, zumindest für Vorhaben, die auch dort manchem am Herzen liegen. Und wo eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist, werde er sich sogar mit Silvio Berlusconi einlassen - eine förmliche Koalition mit ihm komme aber natürlich nicht in Frage. Wie hundertmal versprochen!
Die Hauptdarsteller der Tragikomödie
Eine stabile Regierung in Rom wird dringend gebraucht: Das Land ist wirtschaftlich auf Talfahrt, die Zahl der Arbeitslosen steigt wie die der Unternehmenspleiten. Die amtierende Regierung von Mario Monti kann nur die alltäglichen Amtsgeschäfte abwickeln, für Reformen ist sie nicht mehr zuständig. Dafür hat das Volk im Februar neue Politiker gewählt - und dabei leider höchst unklare Verhältnisse geschaffen.
Für zusätzliche Verwirrung sorgen die Hauptdarsteller in der neuesten Tragikomödie auf der italienischen Polit-Bühne - alte Männer allesamt, zum Teil langjährig verzankt, manche verbohrt und verbiestert:
- Giorgio Napolitano, Staatspräsident, 87, lenkt die Regierungsbildung; seine Amtszeit läuft Mitte Mai ab, im April muss das Parlament einen Nachfolger küren; einen mehrheitsfähigen Kandidaten gibt es bislang nicht.
- Silvio Berlusconi, 76, Milliardär, Medienzar, viermaliger Ministerpräsident; er hat viele Prozesse am Hals, ein Regierungsamt soll ihn vor der Justiz retten.
- Mario Monti, 70, mit rund zehn Prozent der Stimmen im Parlament ohne Aussicht, seinen Job zu behalten; er würde aber gerne weiter mitbestimmen.
- Beppe Grillo, Komiker, Kabarettist und Blogger, auch er schon 64; mit seiner Protestbewegung "5 Stelle" ("5 Sterne") holte er die drittmeisten Stimmen.
- Pier Luigi Bersani, mit 61 der Jüngste in der Riege - wirkt aber deutlich älter; er wäre gerne Ministerpräsident, eine zweite Chance bekommt er nicht; sein jüngerer, beliebterer Nachfolger scharrt längst mit den Hufen.
Die Protagonisten rufen sich gegenseitig zu, sich endlich zu bewegen. Berlusconi etwa bietet Bersani freundlich-tückisch eine Koalition an. Doch ließe der sich darauf ein, würde das womöglich seine Partei spalten und bei den nächsten Wahlen versenken. Weil die Braut sich ziert, droht Berlusconi, jede Regierung ohne ihn werde er massiv bekämpfen. Auch von einer gelegentlichen Duldung einer Bersani-Minderheitsregierung will er nichts wissen.
Grillo will regieren
Beppe Grillo will sich überhaupt nicht liieren. Seine "5 Stelle" wolle allein regieren, ließ er den Präsidenten wissen, obwohl die nur 108 von 630 Abgeordneten stellt. Wenn das nicht gehe, will Grillo zumindest die Kontrolle über die staatliche Rundfunk- und Fernsehanstalt RAI und die Geheimdienste. "Ratlos" habe Napolitano den Gesprächspartner angeschaut, heißt es. Zumindest sei er "wacher" gewesen als sonst, spottete ein Grillo-Begleiter hinterher.
Bersani, der brave Sozialdemokrat, will es nun mit einer Minderheitsregierung versuchen. Denn auch wenn die Monti-Freunde mit ihm koalieren, fehlen ihm im Senat mindestens 16 Stimmen zur Mehrheit. Er hofft auf Abweichler, wenn nicht aus dem Berlusconi-Lager, dann eben aus dem Grillo-Block. Dort sagen alle: "Wir werden nie für Bersani stimmen!"
Der "Fehler" bei der Wahl zum Senatspräsidenten werde sich nicht wiederholen, glaubt der Anführer der "5 Stelle". Da hatten ein paar Grillini, wie Beppes Gefolgsleute genannt werden, für den angesehenen, langjährigen Anti-Mafia-Staatsanwalt Pietro Grasso votiert, um dessen rechten Gegenkandidaten zu verhindern. Grillo tobte, drohte mit Rausschmiss, ließ sich aber noch einmal gnädig stimmen. Nun hat er Aufpasser ins Parlament geschickt, die kontrollieren sollen, ob seine Leute richtig abstimmen.
Einem immerhin gelang es in dieser Woche, den beinharten Grillo zu verunsichern. Als der, bürgerlich-brav mit Krawatte, den Amtssitz des Staatspräsidenten betrat, empfing ihn ein am Eingang postierter Uniformierter mit militärischem Gruß. Grillo stutzte, berichteten Augenzeugen, und hob dann ebenso seine rechte Hand an seinen von grauer Mähne umrankten Kopf.