Brief an Merkel "In Portugal unerwünscht"

Protest in Lissabon: Kundgebungen gegen Merkel angekündigt
Foto: Francisco Seco/ APLissabon - Der nächste Woche anstehende Besuch in Portugal wird vermutlich dereinst nicht zu den schönsten Erinnerungen Angela Merkels an ihre Amtszeit gehören. Die deutsche Kanzlerin wird kommenden Montag in Lissabon erwartet. Sie trifft sich dort mit dem Ministerpräsidenten des von der Krise schwer getroffenen Landes, Pedro Passos Coelho. Auch ein Termin mit Präsident Anibal Cavaco Silva steht auf dem Programm. In der Nähe der Hauptstadt Lissabon will sie ein VW-Werk besuchen.
Fünf Tage vor ihrer Reise erklärten über einhundert Intellektuelle und Künstler des Landes sie zur "unerwünschten Person". "Aufgrund des Charakters Ihres angekündigten Besuches und vor dem Hintergrund der katastrophalen ökonomischen und sozialen Lage Portugals betonen wir, dass Sie hier nicht willkommen sind", heißt es in dem am Mittwoch im Internet veröffentlichten offenen Brief an Merkel.
Die auch in Deutschland bekannte Kinderbuchautorin Alice Vieira, Filmregisseur António-Pedro Vasconcelos und andere bekannte Persönlichkeiten unterzeichneten das Schreiben. Sie bezeichneten Merkel als "Hauptförderin der neoliberalen Doktrin, die Europa ruiniert".
Für Montag haben sowohl der Gewerkschaftsdachverband CGTP als auch die einflussreiche Facebook-Bürgerinitiative "Zum Teufel mit der (Geldgeber-)Troika" zu Protestkundgebungen gegen Merkel aufgerufen. Zwei Tage nach dem Besuch der Bundeskanzlerin organisiert der CGTP dann im ärmsten Land Westeuropas einen Generalstreik gegen die Sparpolitik der Mitte-Rechts-Regierung von Pedro Passos Coelho.
Das Krisenland erhielt von der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) 2011 ein 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket. Im Gegenzug will man bis 2014 das Haushaltsdefizit auf die von der EU als Höchstmarke gesetzten drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken. Im Zuge der Sparmaßnahmen wird die Wirtschaft Portugals 2012 nach amtlicher Schätzung um mindestens drei Prozent schrumpfen; die Arbeitslosenquote erreichte zuletzt den Rekordwert von 15,9 Prozent.