

Kiew/Moskau - Seit mehr als 36 Stunden stehen die rätselhaften Kämpfer an mehreren Orten auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim - unter anderem an zwei Flughäfen, vor dem Regionalparlament in der Krim-Hauptstadt Simferopol und auf der Zufahrt zur Hafenstadt Sewastopol. Die Soldaten kamen in Wagen mit russischen Kennzeichen, berichtet die Nachrichtenagentur AP.
Auch die schmale Überfahrt vom ukrainischen Festland zur Halbinsel Krim bewachen Männer in Uniformen, die von sich behaupten, zur prorussischen Kampfeinheit Berkut zu gehören. Sie stoppen Autos und kontrollieren Papiere. Die Einheit ist nach dem Umsturz in Kiew eigentlich aufgelöst. Und noch immer kann nur spekuliert werden, wer die Soldaten sind und in wessen Auftrag sie handeln.
Klar ist bislang nur, dass sie im Interesse Russlands handeln, denn die Bevölkerung der Krim ist mehrheitlich russischstämmig und nach dem Sturz des prorussischen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowitsch geht es dem Kreml um die Wahrung seines Einflusses in der Schwarzmeerregion.
Truppen sind "diszipliniert und zielgerichtet"
So sieht das auch der russische Außenpolitik- und Militärexperte Dmitrij Trenin, bleibt aber vorsichtig in seinen Erklärungsversuchen: "Ich sehe nur, dass diese Leute diszipliniert agieren, sehr zielgerichtet, professionell und klar im Interesse Russlands." Doch selbst diesen Fachmann machen die olivgrünen Männer mit Sturmgewehren, Helmen und Splitterschutzwesten bislang ratlos.
Je länger die Lage unklar bleibt, um so wilder wird spekuliert: Mit Bezug auf nicht genannte Moskauer Informanten vermutet "The Daily Beast", es könne sich bei den Kämpfern um Angehörige einer Sicherheitsfirma handeln, die direkt dem russischen Innenministerium untersteht. Die Einheit namens Wnewedomstwenaja Ochrana ist allerdings eher Wachdienst und Polizeieinheit als Kampftruppe oder gar Spezialeinheit.
Das russische Außenministerium sieht die Sicherheit auf der Krim unterdessen vielmehr durch die ukrainische Übergangsregierung bedroht. Unidentifizierte Angreifer, die aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew gesteuert würden, hätten versucht, das Innenministerium in der Krim-Hauptstadt Simferopol einzunehmen. Der Angriff sei zurückgeschlagen worden. Von wem genau, darauf geht das Statement nicht ein, aus dem die "New York Times" zitiert. Die russische Agentur Interfax hatte am Freitag gemeldet, die Männer seien prorussische "Selbstverteidigungskräfte".
Russland will offenbar in den Krieg ziehen
Am Freitagmittag hatte die ukrainische Regierung noch beteuert, die eigenen Sicherheitskräfte besäßen nach wie vor die volle Kontrolle auf der Halbinsel Krim. Bilder vom Samstag zeigen allerdings noch immer patrouillierende Einheiten vor dem Regionalparlament, den Flughäfen und nahe des Schwarzmeerhafens Sewastopol, in dem die russische Schwarzmeerflotte liegt.
Möglich ist, dass Russland bald auch offiziell eingreift: Russlands Präsident Wladimir Putin beantragte am Samstagmittag beim Föderationsrat, das Oberhaus des russischen Parlaments, einen Militäreinsatz auf der Krim (verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen minütlich im SPIEGEL-ONLINE-Liveticker).
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Es verdichten sich die Anzeichen, dass die unmarkierten Truppen auf der ukrainischen Halbinsel Krim die erste Stufe einer russischen Intervention in der Schwarzmeerregion sind.
Diese Soldaten patrouillieren am Samstag in Sewastopol ohne Hoheitszeichen, laut Nachrichtenagentur AP deuten Markierungen und Nummernschilder der Autos aber auf russisches Militär hin.
Auch vor dem Regionalparlament der Krimhauptstadt Simferopol waren am Samstag nicht kenntliche, aber professionell ausgerüstet Soldaten positioniert.
Sie ähnelten den Kämpfern, die sich auch auf dem Flughafen der Regionalhauptstadt befinden und dort nach wie vor ihre Stellungen halten.
Die Zufahrt zur Halbinsel Krim kontrollierten am Freitag Einheiten, die nach eigenen Angaben zur prorussischen Einheit Berkut gehören. Die ist eigentlich aufgelöst.
Der Flughafen von Simferopol am Freitag: Bewaffnete Einheiten laufen vor dem Terminal Patrouille. Noch ist völlig offen, wer hinter dem nächtlichen Übergriff steckt.
Als gesichert gilt jedoch, dass die Einheiten einen durchaus straff organisierten Eindruck gemacht haben.
Bewaffnet sind die Männer mit Sturmgewehren des Typs AK-107, eines modernen Nachfolgers der weit verbreiteten AK-47/AK-74, die als die klassischen "Kalaschnikows" bekannt sind. Allerdings zeigt sich auf manchen Aufnahmen auch, dass einige Waffen offenbar nicht mit Magazinen ausgerüstet sind.
Auf manchen Bildern ist zu sehen, dass die AK-107-Gewehre Granatwerfer und Nachtsicht-Zieloptiken tragen - auch das deutet darauf hin, dass es sich hier nicht um Zivilisten handelt, die sich auf dem Schwarzmarkt mit Ausrüstung versorgt haben.
Unübersichtliche Lage: Gerüchteweise sollen einige der Männer zudem mit "Wal"-Sturmgewehren ausgerüstet gewesen sein. Diese Waffen sind mit einem intergrierten Schalldämpfer ausgestattet - und werden unter anderem von den Spezialeinheiten des russischen Militärs eingesetzt.
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