Kenianerin kämpft gegen Blei-Recycling
"Du wirst sterben und es wird niemanden interessieren"
Die Gewinnung von Blei aus alten Autobatterien ist in Afrika ein oft tödliches Geschäft: Menschen leiden unter extremen Vergiftungen. Umweltaktivistin Phyllis Omido kämpft für ihre Rechte – und erhält deshalb Morddrohungen.
Der Wagen ist noch nicht zum Stehen gekommen, da reißt schon eine junge Frau aus dem Slum an der hinteren Autotür. "Phyllis!", ruft sie, schiebt ihren schmalen Körper durch den Türspalt ins Wageninnere und fällt Phyllis Omido um den Hals. "Du bist hier!" Omido lacht, drückt das Mädchen an sich und sagt ihm mit warmer Stimme ins Ohr, dass sie niemandem vorher Bescheid gesagt habe. Dass es so sicherer sei.
Phyllis Omido zu treffen heißt: nicht zu wissen, wann man sie trifft. Die 41-jährige Umweltaktivistin ist gezwungen, sich zu verstecken. Seit zehn Jahren kämpft sie gegen indische Unternehmer und kenianische Politiker, die eine Bleirecycling-Fabrik zu verantworten haben, welche mutmaßlich Hunderte Menschen das Leben gekostet und einige Hektar Land verseucht hat. Für diesen Kampf hat Omido bereits 2015 den renommierten Goldman Environmental Prize erhalten. Zusammen mit Berta Cáceres, einer Menschenrechtsaktivistin aus Honduras, die ein Jahr später ermordet wurde.
Schläger haben Omido aufgelauert, sie wurde in ihrem Auto von der Straße abgedrängt, ihre Wohnung wurde verwüstet und einmal hat jemand einen gefährlichen Hyänenhund darin eingesperrt. Und immer wieder hat Phyllis Omido Morddrohungen erhalten. Nicht mal ihre Geschwister wissen, wo sie nun lebt.
"Ich habe mir angewöhnt, nicht mehr vorhersehbar zu sein", sagt Omido noch bei sich im Büro. Ungeschminkt, die Haare nur schnell zurückgeknotet, die Bluse ein wenig zerknittert. So ist sie eben hereingerauscht, eine Stunde später als verabredet. Hat sofort alle Räume belebt, ihre Mitarbeiter versammelt und Aufgaben verteilt. "Zum Glück mag ich, wenn was los ist", sagt sie.
Umweltaktivistin Phyllis Omido (l.) wird euphorisch begrüßt
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Einen Wachmann will sie nicht, die wurden schon zu oft bestochen. Sie hat 16 Hunde. Zwei im Büro, zehn zu Hause, vier weitere auf einer Farm auf dem Land, wo sie am liebsten mit ihren beiden Kindern Zeit verbringt.
Heute nach dem Büro besucht Omido aber erst mal Owino Uhuru, einen Slum nahe der kenianischen Hafenstadt Mombasa. Das Auto ist nun geparkt, direkt an der Mauer zum Fabrikgelände. Neben der Mauer führt ein schmaler Weg wie ein Nadelöhr in das Armenviertel.
Omido läuft mit der jungen Frau im Arm. Sie hat sie aufwachsen sehen. Wer Omido sieht, grüßt, bleibt stehen, drückt sie oder zumindest ihre Hand. Mehr als 3000 Menschen leben hier. Sie kennt nicht alle mit Namen, aber alle kennen sie. Die Frau, die die Schließung der Bleirecycling-Fabrik nebenan erwirkt hat.
Im Slum wird Phyllis Omido (M.) von jedem erkannt
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften nimmt an, dass 25 bis 30 Prozent des in Europa anfallenden Elektroschrotts illegal exportiert werden, darunter viele Autobatterien. Jedes Jahr werden etwa 1,2 Millionen Tonnen Blei-Säure-Batterien in afrikanischen Ländern recycelt. Daraus werden gut 800.000 Tonnen "sauberes" Blei gewonnen, das zu einem Großteil von Afrika zurück in die EU exportiert wird. Auch nach Deutschland.
Zu den Hauptabnehmern gehört die Kfz-Industrie. Mit der Technologisierung steigt jedoch der weltweite Bleiverbrauch. Die Nachfrage ist hoch und Blei teuer. Bleirecycling in Afrika lohnt sich.
Vor allem, weil nicht viel investiert werden muss: Oft erhalten die Arbeiter keine Schutzkleidung und zerspalten Batterien per Hand; und die Fabriken erfüllen keine Umweltauflagen. So landet Bleistaub in hohen Mengen auf der Haut und der Kleidung, in der Luft und im Grundwasser.
In Owino Uhuru erinnern alle den Geruch, so, als würde etwas Großes neben ihnen verrotten, und die dunklen Wolken, die aus ihrer Fabrik aufstiegen. Sie erinnern auch alle noch das Huhn, das tot umfiel. Es hatte von dem Wasser getrunken, das nach einem Regenguss durch die Mauer der Fabrik lief und dann in einigen Rinnsalen durch die steilen Gassen des Slums.
Wer mit einer hohen Konzentration an Blei in Berührung kommt, erleidet schnell eine Bleivergiftung. Anfangs bedeutet das vielleicht Müdigkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen, Darmkrämpfe, kalter Schweiß oder Fieber. Bei einer dauerhaft hohen Konzentration, wie zum Beispiel bei den Fabrikarbeitern oder auch Kleinkindern, die in Owino Uhuru auf dem Boden spielten, bedeutet das Ekzeme, Organausfälle, Geschwüre und oft: Tod. Menschen fallen nicht gleich um, wie das Huhn im Slum. Sie leben aber auch nicht lange.
Arbeiter und Anwohner von Bleirecycling-Anlagen sind sich ihrer extremen Gesundheitsrisiken selten bewusst. Die Symptome einer Bleivergiftung werden oft als Infektionskrankheit interpretiert. Die tatsächlichen Ursachen hoher Krankheitsraten seien deshalb häufig, so das kenianische Zentrum für Umweltgerechtigkeit (CJGEA), gar nicht bekannt.
Jackson Oseya und seine siebenjährige Tochter leiden beide an einer Bleivergiftung
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
"Ich dachte lange, ich habe Malaria", sagt Jackson Oseya. Der 50-Jährige hatte hohes Fieber, das kam und ging. Dann blieb es aber irgendwann. Er ist Busfahrer und hat nie in der Bleirecycling-Fabrik in Owino Uhuru gearbeitet, wohnt jedoch nah am Fabrikgelände. "Besonders in der Nacht haben sie ihre Abgase wie verrückt aus dem Schornstein geblasen. Manchmal konnten wir in unseren Häusern kaum noch atmen."
Er hat sein kleines Haus, in dem die Küche aus einigen Plastikeimern und einem Gaskocher unter dem Vordach besteht, von seinem Vater geerbt. Oseya lebte 35 Jahre in Owino Uhuru - bis er seine rechte Niere verlor. Bis seine siebenjährige Tochter bewusstlos wurde, einfach umfiel und ins Krankenhaus kam. Bis er zum ersten Mal in seinem Leben das Wort "Bleivergiftung" hörte, und Phyllis Omido auf seinem Fensterbrett eine der höchsten Konzentrationen an Bleistaub im Slum fand.
"Die Fabrik hat unser Leben zerstört", sagt Oseya. "Ich will es zurück. Wir hatten nie viel, aber wir waren gesund. Wir waren eine Gemeinschaft, in der nicht ständig Freunde, Nachbarn und Kinder gestorben sind."
"Manchmal konnten wir in unseren Häusern kaum noch atmen"
Jackson Oseya, Anwohner
Die Dunkelziffer an Menschen, die ihr Leben verloren haben, weil bei ihnen der Müll aus Industrieländern wieder für den Weltmarkt aufbereitet wurde, ist hoch. Betroffene Gemeinden wissen oft nicht um die Vergiftung oder können sich nicht wehren. Es fehlt ihnen an Geld, viele können nicht lesen und schreiben.
Sie wird von einigen Menschenrechts- und Umweltorganisationen, Spenden und der Uno unterstützt. Auf der gut zweistündigen Autofahrt von ihrem Büro bis zum Slum klingelt ihr Handy andauernd. Sie telefoniert mit ihren Anwälten, mit ihren Mitarbeitern, mit Betroffenen und mit der Tagesmutter ihrer acht Monate alten Tochter.
Die Aktivistin Omido ist ständig im Gespräch
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Nun schaltet sie ihr Telefon stumm, will sich auf die Menschen hier konzentrieren. Nicht alle freuen sich über sie. Manche in Owino Uhuru wenden sich demonstrativ ab, sobald sie Omido sehen. Sie wollen trotz allem ihren Job in der Fabrik behalten, weil es kaum andere Arbeit gibt.
Als indische Unternehmer im Jahr 2007 die Fabrikanlage aufbauen, freuen sich alle über den neuen Arbeitgeber. Omido, die Betriebswirtschaft studiert hat, heuert damals selbst in der Verwaltung an. Sie ist überglücklich, dass sie sogar ihren kleinen Sohn mit ins Büro bringen kann. Aus dem Fenster neben ihrem Schreibtisch sieht sie ihn jeden Tag im Hof mit dem Wachmann spielen.
Wenige Wochen später hat ihr Sohn so starkes Fieber, dass er kaum noch ansprechbar ist. Bald muss er ins Krankenhaus. Keine Behandlung schlägt an. Durch einen Zufall kommt Omido auf die Idee, sein Blut auf Blei testen zu lassen. Der Bleigehalt liegt um das 37-fache über dem zulässigen Wert. Ihr Sohn ist vergiftet. Ihr Leben wird ab diesem Zeitpunkt ein anderes sein.
Die 26-jährige Irine Akinyi hofft, dass sie ihre Bleivergiftung überleben wird
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Omido wird bald herausfinden, dass auch die Fabrikarbeiter und ihre Familien unter Bleivergiftung leiden. Genau wie viele Anwohner in Owino Uhuru. Sie wird sich beschweren und ihren Job verlieren. Sie wird von ihrem alten Arbeitgeber die Behandlungskosten für ihren Sohn erstreiten. Sie wird Frauen umarmen, die ihre ungeborenen Babys verloren haben. Oder ihre Ehemänner.
Sie wird herausfinden, dass die Recyclingfabrik einige Umwelt- und Schutzvorschriften offenbar nicht einhält und dass das in ihrem Land wohl durch Korruption möglich ist. Sie wird vor der Fabrik demonstrieren und verhaftet werden. Sie wird die Beerdigung des Wachmannes erleben, der im Hof mit ihrem Sohn gespielt hat. Sie wird mit dem Mann reden, der täglich am Schmelzkessel steht und zu dem einer der Fabrikbetreiber gesagt haben soll: "Du wirst sterben und es wird niemanden interessieren. Deswegen sind wir hier, in Afrika."
Sie wird keine Ruhe geben.
Am 20. Februar 2016 reicht Omidos Center for Justice eine Sammelklage gegen die Betreiber der "Metal Refinery"-Fabrik im Namen der 3000 Bewohner von Owino Uhuru ein. Sie bezichtigt außerdem sechs Regierungsstellen, darunter Gesundheits- und Umweltministerium sowie die Regionalregierung von Mombasa, der Vernachlässigung ihrer Fürsorgepflicht.
"Nur so können wir der Welt zeigen, dass Menschen hier nicht einfach wie Hühner abgeschlachtet werden dürfen. Nur, weil sie arm sind."
Phyllis Omido, Umweltaktivistin
Phyllis Omido fordert eine Kompensation der Opfer und die Reinigung des Geländes. Nach ihren Angaben sind inzwischen mehr als 300 Kinder und 50 Erwachsene gestorben – alle mit nachgewiesenen Bleivergiftungen. Auf ihrem Schreibtisch im Büro zeigt sie mehrere dicke Ordner, in denen sie alle Beweise gesammelt hat.
Während sie darin blättert, schaut sie immer wieder auf den Monitor neben sich. Darauf die Bilder aus acht verschiedenen Überwachungskameras rund um das Gebäude. Ihr Engagement hat ihr die Bezeichnung "afrikanische Erin Brokovich" eingebracht. Nach der US-amerikanischen Rechtsanwaltsgehilfin, die in den Neunzigerjahren unermüdlich gegen Trinkwasserverseuchung in Kalifornien gekämpft hat. Der Fall wurde später mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmt.
Eine Anfrage aus Hollywood hat Omido noch nicht. Sie hofft aber, mit ihrer Sammelklage einen Präzedenzfall zu schaffen, den Aktivisten und Umweltschützer von allein 17 betroffenen Gemeinden in Kenia für sich nutzen können. "Es gibt aber noch mehr Orte in Ostafrika, die durch Blei vergiftet wurden und versuchen müssen, sich zu wehren", sagt Omido. "Wenn wir recht bekommen, werden wir auch für sie kämpfen. Nur so können wir der Welt zeigen, dass Menschen hier nicht einfach wie Hühner abgeschlachtet werden dürfen. Nur, weil sie arm sind."
Produktbesprechungen erfolgen rein redaktionell und unabhängig. Über die sogenannten Affiliate-Links oben erhalten wir beim Kauf in der Regel eine Provision vom Händler. Mehr Informationen dazu hier
Omido hat inzwischen ein Buch geschrieben. In "Mit der Wut einer Mutter", 2019 in Deutschland erschienen, erzählt sie ihre Geschichte. Der Titel ist ihr wichtig. Ohne ihren Sohn, so sagt sie, hätte sie niemals gekämpft. "Seine Erkrankung hat mir die nötige Wut gegeben, immer weiterzumachen, gegen diese Ungerechtigkeit."
Phyllis Omido hat das Buch auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt und in Berlin gemeinsam mit Carola Rackete auf der Bühne gestanden. Ihr heute 13-jähriger Sohn saß im Publikum. Er hat sie zum ersten Mal so gesehen. Den Applaus Hunderter Zuschauer gehört. "Da hat er verstanden, warum ich so oft nicht zu Hause bin. Es war wichtig für uns." Ihrem Sohn geht es körperlich wieder gut, doch er hat nach wie vor Entwicklungsverzögerungen und braucht viel Hilfe, zum Beispiel beim Lernen.
Phyllis Omido
Foto:
Goldman Environmental Prize
Ihr Buch soll erst nach dem Prozess auf Englisch erscheinen. Omido geht davon aus, dass sie gewinnen wird. "Doch das ist nicht das Ende", sagt sie. "Wenn wir gewinnen, soll die kenianische Regierung den Menschen in Owino Uhuru eine Entschädigung zahlen und den gesamten Ort entgiften. Denn das Blei ist noch überall: auf den Dächern, in der Erde, an den Wänden und Fenstern. Ich fürchte aber, keiner wird das freiwillig machen." Das Buch soll den Druck erhöhen.
Ein Freund riet ihr vor Kurzem, mal Yoga auszuprobieren. Um den Kopf freizubekommen. Omido lacht, als sie davon erzählt. Sie weiß, das wäre gut für sie. "Aber ich will nicht vergessen", sagt sie dann. Und macht ihr Handy wieder an.
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft
Unter dem Titel Globale Gesellschaft berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa - über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird über drei Jahre von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.
Ein ausführliches FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier.
Die Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt das Projekt über drei Jahre mit einer Gesamtsumme von rund 2,3 Mio. Euro.
Ja. Die redaktionellen Inhalte entstehen ohne Einfluss durch die Gates-Stiftung.
Ja. Große europäische Medien wie "The Guardian" und "El País" haben mit "Global Development" beziehungsweise "Planeta Futuro" ähnliche Sektionen auf ihren Nachrichtenseiten mit Unterstützung der Gates-Stiftung aufgebaut.
Der SPIEGEL hat in den vergangenen Jahren bereits zwei Projekte mit dem European Journalism Centre (EJC) und der Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation umgesetzt: Die "Expedition Übermorgen" über globale Nachhaltigkeitsziele sowie das journalistische Flüchtlingsprojekt "The New Arrivals", in deren Rahmen mehrere preisgekrönte Multimedia-Reportagen zu den Themen Migration und Flucht entstanden sind.
17 BilderUmweltaktivistin Phyllis Omido in Mombasa
1 / 17
Die kenianische Umweltaktivistin Phyllis Omido, 41, kämpft seit zehn Jahren gegen indische Unternehmer und kenianische Politiker, die eine Bleirecycling-Fabrik zu verantworten haben, welche mutmaßlich Hunderte Menschen das Leben gekostet und einige Hektar Land verseucht hat.
Foto: Goldman Environmental Prize
2 / 17
Ankunft im Slum Owino Uhuru nahe der Hafenstadt Mombasa in Kenia. Noch bevor sie aussteigen kann, wird Phyllis Omido schon euphorisch begrüßt. Sie hat vielen Menschen hier geholfen und kommt regelmäßig zu Besuch.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
3 / 17
In dem Armenviertel leben gut 3000 Menschen. Jeder hier kennt Phyllis Omido (M.). Sie hat die Schließung der benachbarten Bleirecycling-Fabrik veranlasst, die nach ihren Beweisen Menschen und Land vergiftet hat.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
4 / 17
Viele der Häuser von Owino Uhuru grenzen direkt an die Fabrik an, deren Mauer hier im Hintergrund zu sehen ist. Als sie eröffnet wurde, haben sich die Bewohner des Slums über die neuen Arbeitsmöglichkeiten gefreut. Von den Gefahren wusste niemand etwas.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
5 / 17
Blick auf das Firmengelände der Bleirecycling-Fabrik. Die rote Metalltreppe führt zu dem Raum, in dem Omido früher selbst gearbeitet hat. Auch sie war erst froh über den neuen Arbeitgeber in der Stadt. Ihr Sohn hat oft auf dem Hof gespielt. Nach nur wenigen Wochen hatte er starkes Fieber, war bald nicht mehr ansprechbar und musste ins Krankenhaus. Durch einen Zufall hat Omido sein Blut auf Blei testen lassen. Er litt an einer Vergiftung. Sie konnte ihn knapp retten. Seither kämpft sie gegen die Betreiber - und für die Bewohner.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
6 / 17
Irine Akinyi, 26, hat einen der höchsten nachgewiesenen Bleiwerte. In ihrem Hals wächst ein Geschwür. "Die Ärzte sagen, ich muss diesen Ort verlassen, wenn ich leben will", sagt sie. "Aber wohin soll ich gehen? Ich bin krank und kann nicht mehr arbeiten." Ihr Mann hat schweren Ausschlag am ganzen Körper, kann kaum noch gehen. Er war einer der Fabrikarbeiter. "Zum Glück ist er noch am Leben, viele von seinen Freunden sind gestorben", sagt Akinyi.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
7 / 17
Der Busfahrer Jackson Oseya, 50, lebt seit 35 Jahren in Owino Uhuru. Seine Tochter Iwofasga ist sieben Jahre alt. Als die Fabrik noch in Betrieb war, haben sie oft nicht wie jetzt in ihrem Wohnzimmer sitzen können. "Besonders in der Nacht haben sie ihre Abgase wie verrückt aus dem Schornstein geblasen. Manchmal konnten wir in unseren Häusern kaum noch atmen", sagt Oseya.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
8 / 17
Die Umweltaktivistin Phyllis Omido hat auf dem Fensterbrett von Jackson Oseya eine der höchsten Konzentrationen an Bleistaub im Slum gefunden. Er hatte oft Fieber und dachte, es sei Malaria. Von Bleivergiftung hatte er noch nie gehört.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
9 / 17
Inzwischen hat Oseya seine rechte Niere verloren und ist arbeitsunfähig. "Die Fabrik hat unser Leben zerstört", sagt Oseya. "Ich will ich es zurück. Wir hatten nie viel, aber wir waren gesund. Wir waren eine Gemeinschaft, in der nicht ständig Freunde, Nachbarn und Kinder gestorben sind."
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
10 / 17
In ihrem Büro, gut zwei Autostunden vom Slum entfernt, geht Omido einen der Ordner durch, in dem sie die Bleiwerte der Bewohner von Owino Uhuru dokumentiert hat. Es gibt mehrere Kopien von jedem Ordner, die jeweils an anderen Orten versteckt sind. Sie will kein Beweismaterial verlieren. Auf dem Monitor neben sich sieht Phyllis Omido die Übertragungen von acht Überwachungskameras rund um das Gebäude - sie lebt in ständiger Gefahr.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
11 / 17
Oseyas Tochter hat einen blutigen Ausschlag am Bauch, der nicht heilen will. Einmal wurde sie plötzlich bewusstlos, fiel einfach um. "Die Kinder spielen draußen, laufen durch den Staub und sitzen auf dem Boden", sagt Oseya. "Viele von ihnen haben sich an dem dort abgelagerten Blei vergiftet."
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
12 / 17
Auch die Söhne von Scorastica Shikanga, 55, leiden an Bleivergiftungen. Sie sind zwölf und neun Jahre alt. Kevin, der ältere, lebt eigentlich in einem Kinderheim. Sein Ausschlag war so schlimm, dass seine Mutter ihn dort untergebracht hat.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
13 / 17
Der jüngere Bruder Brian ist zu Hause geblieben. Seine Mutter kann es sich nicht leisten, zwei Kinder fortzuschicken. Die Wunden an Brians Händen und Beinen heilen kaum und jucken extrem.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
14 / 17
Hinter dem Haus ist die Wasserstelle, an der Shikanga die Eimer zum Waschen und Kochen auffüllt. Das Wasser ist ebenfalls von Blei belastet, es gibt aber keine Alternative für die Familie.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
15 / 17
Der Slum ist an einem Hang gelegen und von schmalen, abschüssigen Gassen durchzogen. Wenn es regnet, rauscht das Wasser durch diese Rinnen. Oft kommt auch Wasser aus dem Fabrikgelände, denn die Mauer um sie herum hat einige Löcher.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
16 / 17
Phyllis Omido hofft mit einer Sammelklage einen Präzedenzfall zu schaffen, den Aktivisten und Umweltschützer von allein 17 betroffenen Gemeinden in Kenia für sich nutzen können. "Wenn wir recht bekommen, werden wir auch für sie kämpfen. Nur so können wir der Welt zeigen, dass Menschen hier nicht einfach wie Hühner abgeschlachtet werden dürfen. Nur, weil sie arm sind", sagt Omido.
Foto:
Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
17 / 17
Die Aktivistin wird von einigen Menschenrechts- und Umweltorganisationen, Spenden und der Uno unterstützt. Auf der gut zweistündigen Autofahrt von ihrem Büro bis zum Slum klingelt ihr Handy andauernd. Omido ist trotzdem nie gestresst. "Es ist wichtig, was wir tun", sagt sie.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Die kenianische Umweltaktivistin Phyllis Omido, 41, kämpft seit zehn Jahren gegen indische Unternehmer und kenianische Politiker, die eine Bleirecycling-Fabrik zu verantworten haben, welche mutmaßlich Hunderte Menschen das Leben gekostet und einige Hektar Land verseucht hat.
Foto: Goldman Environmental Prize
Ankunft im Slum Owino Uhuru nahe der Hafenstadt Mombasa in Kenia. Noch bevor sie aussteigen kann, wird Phyllis Omido schon euphorisch begrüßt. Sie hat vielen Menschen hier geholfen und kommt regelmäßig zu Besuch.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
In dem Armenviertel leben gut 3000 Menschen. Jeder hier kennt Phyllis Omido (M.). Sie hat die Schließung der benachbarten Bleirecycling-Fabrik veranlasst, die nach ihren Beweisen Menschen und Land vergiftet hat.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Viele der Häuser von Owino Uhuru grenzen direkt an die Fabrik an, deren Mauer hier im Hintergrund zu sehen ist. Als sie eröffnet wurde, haben sich die Bewohner des Slums über die neuen Arbeitsmöglichkeiten gefreut. Von den Gefahren wusste niemand etwas.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Blick auf das Firmengelände der Bleirecycling-Fabrik. Die rote Metalltreppe führt zu dem Raum, in dem Omido früher selbst gearbeitet hat. Auch sie war erst froh über den neuen Arbeitgeber in der Stadt. Ihr Sohn hat oft auf dem Hof gespielt. Nach nur wenigen Wochen hatte er starkes Fieber, war bald nicht mehr ansprechbar und musste ins Krankenhaus. Durch einen Zufall hat Omido sein Blut auf Blei testen lassen. Er litt an einer Vergiftung. Sie konnte ihn knapp retten. Seither kämpft sie gegen die Betreiber - und für die Bewohner.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Irine Akinyi, 26, hat einen der höchsten nachgewiesenen Bleiwerte. In ihrem Hals wächst ein Geschwür. "Die Ärzte sagen, ich muss diesen Ort verlassen, wenn ich leben will", sagt sie. "Aber wohin soll ich gehen? Ich bin krank und kann nicht mehr arbeiten." Ihr Mann hat schweren Ausschlag am ganzen Körper, kann kaum noch gehen. Er war einer der Fabrikarbeiter. "Zum Glück ist er noch am Leben, viele von seinen Freunden sind gestorben", sagt Akinyi.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Der Busfahrer Jackson Oseya, 50, lebt seit 35 Jahren in Owino Uhuru. Seine Tochter Iwofasga ist sieben Jahre alt. Als die Fabrik noch in Betrieb war, haben sie oft nicht wie jetzt in ihrem Wohnzimmer sitzen können. "Besonders in der Nacht haben sie ihre Abgase wie verrückt aus dem Schornstein geblasen. Manchmal konnten wir in unseren Häusern kaum noch atmen", sagt Oseya.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Die Umweltaktivistin Phyllis Omido hat auf dem Fensterbrett von Jackson Oseya eine der höchsten Konzentrationen an Bleistaub im Slum gefunden. Er hatte oft Fieber und dachte, es sei Malaria. Von Bleivergiftung hatte er noch nie gehört.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Inzwischen hat Oseya seine rechte Niere verloren und ist arbeitsunfähig. "Die Fabrik hat unser Leben zerstört", sagt Oseya. "Ich will ich es zurück. Wir hatten nie viel, aber wir waren gesund. Wir waren eine Gemeinschaft, in der nicht ständig Freunde, Nachbarn und Kinder gestorben sind."
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
In ihrem Büro, gut zwei Autostunden vom Slum entfernt, geht Omido einen der Ordner durch, in dem sie die Bleiwerte der Bewohner von Owino Uhuru dokumentiert hat. Es gibt mehrere Kopien von jedem Ordner, die jeweils an anderen Orten versteckt sind. Sie will kein Beweismaterial verlieren. Auf dem Monitor neben sich sieht Phyllis Omido die Übertragungen von acht Überwachungskameras rund um das Gebäude - sie lebt in ständiger Gefahr.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Oseyas Tochter hat einen blutigen Ausschlag am Bauch, der nicht heilen will. Einmal wurde sie plötzlich bewusstlos, fiel einfach um. "Die Kinder spielen draußen, laufen durch den Staub und sitzen auf dem Boden", sagt Oseya. "Viele von ihnen haben sich an dem dort abgelagerten Blei vergiftet."
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Auch die Söhne von Scorastica Shikanga, 55, leiden an Bleivergiftungen. Sie sind zwölf und neun Jahre alt. Kevin, der ältere, lebt eigentlich in einem Kinderheim. Sein Ausschlag war so schlimm, dass seine Mutter ihn dort untergebracht hat.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Der jüngere Bruder Brian ist zu Hause geblieben. Seine Mutter kann es sich nicht leisten, zwei Kinder fortzuschicken. Die Wunden an Brians Händen und Beinen heilen kaum und jucken extrem.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Hinter dem Haus ist die Wasserstelle, an der Shikanga die Eimer zum Waschen und Kochen auffüllt. Das Wasser ist ebenfalls von Blei belastet, es gibt aber keine Alternative für die Familie.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Der Slum ist an einem Hang gelegen und von schmalen, abschüssigen Gassen durchzogen. Wenn es regnet, rauscht das Wasser durch diese Rinnen. Oft kommt auch Wasser aus dem Fabrikgelände, denn die Mauer um sie herum hat einige Löcher.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Phyllis Omido hofft mit einer Sammelklage einen Präzedenzfall zu schaffen, den Aktivisten und Umweltschützer von allein 17 betroffenen Gemeinden in Kenia für sich nutzen können. "Wenn wir recht bekommen, werden wir auch für sie kämpfen. Nur so können wir der Welt zeigen, dass Menschen hier nicht einfach wie Hühner abgeschlachtet werden dürfen. Nur, weil sie arm sind", sagt Omido.
Foto:
Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Die Aktivistin wird von einigen Menschenrechts- und Umweltorganisationen, Spenden und der Uno unterstützt. Auf der gut zweistündigen Autofahrt von ihrem Büro bis zum Slum klingelt ihr Handy andauernd. Omido ist trotzdem nie gestresst. "Es ist wichtig, was wir tun", sagt sie.
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Umweltaktivistin Phyllis Omido (l.) wird euphorisch begrüßt
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Im Slum wird Phyllis Omido (M.) von jedem erkannt
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Jackson Oseya und seine siebenjährige Tochter leiden beide an einer Bleivergiftung
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Die Aktivistin Omido ist ständig im Gespräch
Foto: Anne Backhaus/ DER SPIEGEL
Die 26-jährige Irine Akinyi hofft, dass sie ihre Bleivergiftung überleben wird