Blitzbesuch der Kanzlerin Merkel nennt Afghanistan-Einsatz "Krieg"

Danke sagen, Weihnachtsgrüße mitbringen, die Bedeutung des Einsatzes betonen - all dies will Angela Merkel mit ihrem Überraschungsbesuch in Afghanistan. Doch die Kanzlerin nutzt ihre Rede vor Hunderten Soldaten auch für eine Klarstellung: "Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat."
Blitzbesuch der Kanzlerin: Merkel nennt Afghanistan-Einsatz "Krieg"

Blitzbesuch der Kanzlerin: Merkel nennt Afghanistan-Einsatz "Krieg"

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Kunduz - Es ist ein überraschender Truppenbesuch in Afghanistan - und Angela Merkel nutzt ihn für klare Worte. So deutlich wie nie hat die Kanzlerin am Samstag von einem "Krieg" gesprochen. "Wir haben hier nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat", sagte Merkel am Samstag vor mehreren hundert Soldaten im Feldlager der Bundeswehr. "Das ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Wir haben das sonst von unseren Eltern gehört im Zweiten Weltkrieg."

Der Besuch Merkels wird vom Tod eines deutschen Soldaten überschattet, der kurz vor dem Eintreffen der Bundeskanzlerin am Freitag in der nordafghanischen Provinz Baghlan starb. ".

"Der Grund, warum ich auch hier bin, ist Ihnen danke schön zu sagen", sagte Merkel vor den Soldaten. "Wir wissen, dass das eine extrem gefährliche Sache ist und sich viele noch lange nach dem Einsatz damit rumplagen, was sie hier erlebt haben."

Das militärische Engagement am Hindukusch diene auch der Sicherheit Deutschlands. "Ohne Sie könnten wir nicht so sicher leben, und das müssen wir den Menschen auch sagen." Zur ablehnenden Haltung vieler Bundesbürger zum Einsatz sagte die Kanzlerin: "Die Bevölkerung sieht diesen Einsatz zum Teil skeptisch, und trotzdem ist sie stolz auf Sie."

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Besuch in Afghanistan: Merkel und Guttenberg bei der Truppe

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45 deutsche Soldaten gestorben

Zuvor war Merkel zum Ehrenhain im Feldlager gegangen. Dort wird der Toten des Einsatzes gedacht. Merkel sprach anschließend mit Soldaten, die an der Offensive im vergangenen Monat im Unruhedistrikt Char Darah beteiligt waren. In schweren Gefechten, die vier Tage andauerten, waren die Taliban dabei aus dem Süden des Distrikts vertrieben worden. Inzwischen sind Merkel und ihre Delegation im deutschen Feldlager im nordafghanischen Masar-i-Scharif eingetroffen.

Es ist Merkels dritter Besuch in Afghanistan nach 2007 und 2009. Sie wollte sich persönlich ein Bild von dem Einsatz machen und selbst mit den Soldaten über ihre gefährliche Mission sprechen. 2010 kamen acht deutsche Soldaten bei Anschlägen und Gefechten in Afghanistan ums Leben - mehr als je zuvor. Mit dem jüngsten Unfallopfer kostete der Einsatz am Hindukusch bisher 45 deutsche Soldaten das Leben. Von ihnen starben 27 bei Anschlägen und Gefechten.

Während des Truppenbesuchs von Merkel ist es im nordafghanischen Einsatzgebiet der Bundeswehr zu Gefechten mit den Taliban gekommen. In der Nachbarprovinz Baghlan hätten Aufständische versucht, einen Polizeiposten zu überrennen, sagte ein Polizeisprecher. Sie seien zurückgeschlagen worden. Die Kämpfe dauerten am Samstagmittag an.

Zudem habe in der Provinz eine gemeinsame Operation der Internationalen Schutztruppe Isaf und afghanischer Sicherheitskräfte begonnen, sagte der Sprecher. Die Truppen seien zunächst auf keinen Widerstand gestoßen. Unklar blieb, ob deutsche Isaf-Soldaten an der Operation beteiligt waren.

Guttenberg seit Amtsantritt zum achten Mal in Afghanistan

Begleitet wird Merkel bei ihrem Afghanistan-Besuch von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CSU-Politiker war erst am Montag in den deutschen Feldlagern im nordafghanischen Kunduz und Masar-i-Scharif gewesen. Er hatte seine Frau Stephanie und den Fernsehmoderator Johannes B. Kerner mitgenommen, was ihm von der Opposition im Bundestag den Vorwurf der Selbstinszenierung eingetragen hatte. Es ist der achte Aufenthalt Guttenbergs seit seinem Amtsantritt als Minister im Herbst 2009.

Im Januar entscheidet der Bundestag über die erneute Verlängerung des Mandats für den Afghanistan-Einsatz. Es erlaubt die Stationierung von bis zu 5350 Soldaten. Derzeit sind rund 4700 dort. Die schwarz-gelbe Koalition ist um breite Unterstützung im Parlament bemüht. Bei SPD und Grünen, in deren Regierungszeit der Einsatz Ende 2001 beschlossen wurde, werden die Zweifel immer größer. Die Linke hat bisher in allen Abstimmungen die Zustimmung verweigert. Die Mehrheit der Deutschen lehnt die Mission laut Umfragen ab.

Die Bundesregierung hatte am Montag einen "Fortschrittsbericht" vorgelegt und darin einen Abzugstermin aus Afghanistan offengelassen. Ziel der Regierung ist, 2014 die Verantwortung für die Sicherheit an die afghanische Polizei und Armee abzugeben. Das ist auch der erklärte Wille des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai. Kritiker bezweifeln, dass Afghanistan bereits in vier Jahren in der Lage ist, selbst für seine Sicherheit zu sorgen.

böl/dpa
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