Blogger Andrew Breitbart Tod eines Politik-Zündlers

Er war stramm rechts, ein Faktenverdreher - aber auch ein Spürhund: Im Alter von nur 43 Jahren ist der Kalifornier Andrew Breitbart gestorben. Wie wenige andere dominierte der Blogger mit seiner politischen Wut die Agenda der Rechtskonservativen.
Provokateur Andrew Breitbart: "Ich liebe es, zurückzuschlagen."

Provokateur Andrew Breitbart: "Ich liebe es, zurückzuschlagen."

Foto: Rene Macura/ AP

Seinen letzten großen Auftritt hatte der Blogger Andrew Breitbart vor gut zwei Wochen beim jährlichen Treffen Tausender Konservativer in einem Washingtoner Edelhotel. Oder genauer: vor dem Hotel.

Denn dort hatten sich schon seit Stunden Demonstranten der Occupy-Bewegung versammelt. Eine Chance, die sich Breitbart nicht entgehen ließ. Wütend marschierte er auf eine Gruppe zu, brüllte aus Leibeskräften: "Benehmt Euch! Benehmt Euch! Benehmt Euch!" Wieder und wieder. "Ihr seid Freaks und Tiere", rief er. Und auch als ihn die Sicherheitskräfte schon an der Schulter packten, wollte Breitbart nicht aufhören: "Ihr dreckigen Freaks."

Andrew Breitbart war ein Provokateur. Ein Mann, der mit nahezu allen Mitteln für die Sache der Konservativen zu kämpfen bereit war. Ein Mann, der die politische Linke hasste und verachtete. Ein Faktenverdreher - aber auch ein Aufdecker. Einer, der frühzeitig das Potential des Internet erkannte - im Guten wie im Bösen. In der Nacht zum Donnerstag ist Breitbart gestorben, er wurde nur 43 Jahre alt.

"Ich genieße es, mir Feinde zu machen"

Kein Unfall, sondern ein natürlicher Tod, heißt es. Genaueres ist bisher nicht zu erfahren. Breitbart brach offenbar in der Nähe seines Hauses in Los Angeles zusammen.

Auf dem von ihm gegründeten Blog Breitbart.com  zitieren sie jetzt ein paar Sätze, die er zum Abschluss seines letzten Buchs schrieb: "Ich liebe meinen Job. Ich liebe den Kampf für das, an das ich glaube. Ich liebe es, dabei Spaß zu haben." Und er liebe es auch, über Dinge zu berichten, die die Mainstream-Medien verschweigen würden: "Ich liebe es, zurückzuschlagen; ich liebe es, Verbündete zu finden und genieße es bekanntermaßen, mir Feinde zu machen."

Breitbarts Job - das war ein aggressiv verstandener, parteiischer Journalismus. Wenn man das überhaupt Journalismus nennen kann. Der Mann war einer der einflussreichsten Meinungsmacher auf konservativer Seite, mit seinen Publikationen im Internet erreichte er zehn Millionen Leser. Neben Breitbart.com betrieb er zig Ableger: BigGovernment, BigHollywood, BigJournalism. Immer war es der Kampf gegen die vermeintlich dominierende, linksliberale Weltsicht: in Washington, in Hollywood, in den Medien. Das war Breitbarts Mission. Er war ein wütender Mann. Ein Privat-Provokateur.

In den Neunzigern arbeitete er für den rechtskonservativen "Drudge Report", später baute er gemeinsam mit der damals noch Konservativen Arianna Huffington die "Huffington Post" auf. Es muss ein Ärgernis für den Rechtsaußen gewesen sein, dass ausgerechnet die HuffPo heute als die mediale Bastion der Linksliberalen gilt - und Arianna Huffington die entsprechenden Kommentare schreibt. Ab 2005 schraubte und bastelte Breitbart an seiner eigenen virtuellen Meinungswaffe. "Er schaffte es, die politische Diskussion zu dominieren, indem er die Instrumente der neuen Medien mit altmodischer Kampfeslust verband", kommentiert die "Washington Post".

Öffentlich gedemütigt

Breitbarts bekannteste Opfer sind der Politiker Anthony Weiner und Shirley Sherrod, eine Mitarbeiterin des Landwirtschaftsministeriums.

Der New Yorker Weiner saß bis 2011 für die Demokraten im Repräsentantenhaus. Seine Karriere endete, als er Nacktfotos von sich selbst via Twitter verschickte - von seinem dienstlichen Konto (@RepWeiner) aus. Offenbar ein Versehen, es sollte eine private Nachricht an eine Studentin sein - doch nun waren die Schnappschüsse in der Welt. Weiner gab anfangs vor, sein Konto sei gehackt worden.

Doch längst war Andrew Breitbart an dem Thema dran. Er veröffentlichte weitere Fotos, die Weiner zeigten: Weiner grinsend mit zwei Katzen ("Me and the pussys"); Weiner halbnackt vor einem Spiegel; Weiners entblößte, unbehaarte Brust. Am Ende musste der Politiker, öffentlich gedemütigt, den Hut nehmen. Breitbart aber tauchte noch höchstpersönlich auf jener Pressekonferenz auf, auf der Weiner zugeben musste, gelogen zu haben.

Im Falle von Shirley Sherrod lagen die Dinge anders: Die Frau war ganz und gar ohne Schuld. Trotzdem zerstörte Breitbart ihre berufliche Karriere - indem er ihr Rassismus unterstellte. Breitbart veröffentlichte ein Video, in dem die afro-amerikanische Mitarbeiterin des Agrarministeriums scheinbar erklärte, dass sie einem Bauern, einem Weißen, nicht habe helfen wollen. Der Film sorgte für einen Skandal, Sherrod wurde gefeuert. Aber schließlich kam heraus, dass sie in ihrem Vortrag tatsächlich zur Toleranz aufgerufen hatte. Nur Breitbart hatte das Video so zusammengeschnitten, dass der Eindruck des Rassismus entstehen konnte.

"Andrew war eine revolutionäre Stimme"

Mit Breitbarts Tod verliert die politische Rechte einen ihrer streitbarsten Kämpfer. Der Mann passte in die Zeit, in der die Wutbürger von der radikalen Tea Party weite Teile der republikanischen Basis unterwandert haben. Mit dem Rechtsaußen Rick Santorum feiert plötzlich ein Politiker Erfolge in den Vorwahlen der Partei, der vor einigen Jahren wohl noch untragbar gewesen wäre.

Zum Tode Breitbarts sagte Santorum nun: "Andrew war eine revolutionäre Stimme und ein vor Energie sprühender Anwalt für die konservative Sache im ganzen Land." In Anspielung auf Breitbarts Wohnort Los Angeles fuhr Santorum fort: Der Blogger habe den Mut gehabt, gegen die linke Elite aufzustehen, "während er selbst in der Höhle des Löwen lebte".

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