US-Spionage BND-Affäre wird zum Fall für die Justiz

Kamera an neuer BND-Zentrale: "Willfähriges Werkzeug" der Amerikaner?
Foto: Paul Zinken/ dpaBerlin - Wie sehr half der Bundesnachrichtendienst (BND) dem US-Geheimdienst NSA bei der Spionage gegen europäische Regierungen und Unternehmen? Diese Frage beschäftigt jetzt auch die deutsche Justiz. Ein Sprecher bestätigte am Freitag SPIEGEL-Informationen, wonach die Bundesanwaltschaft einen entsprechenden Prüfvorgang eingeleitet hat. Untersucht werde, ob der Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt, die in die Zuständigkeit der Behörde fällt. Diese ist unter anderem für die Strafverfolgung von Spionage und Landesverrat zuständig.
Am Donnerstag vergangener Woche war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst NSA den BND offenbar über Jahre mit Tausenden fragwürdigen Zieldaten für Abhöraktionen beliefert hatte. Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.
Auch aus der Opposition kam der Ruf nach juristischer Aufarbeitung des Skandals: "Das ist politische Spionage und Wirtschaftsspionage und als Landesverrat strafbar", sagte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi dem "Mannheimer Morgen" laut einer Vorabmeldung. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter äußerte in der "Passauer Neuen Presse" den Verdacht, die Spähaffäre könne sich noch ausweiten. "Es steht zu befürchten, dass da noch weitaus mehr Dinge ans Tageslicht kommen als bisher bekannt."
Zuvor hatte bereits der Luftfahrt-Konzern Airbus angekündigt, wegen des Verdachts auf Industriespionage Strafanzeige zu stellen. Nach Informationen des SPIEGEL erhärtet sich der Verdacht, dass Airbus ein langjähriges Ausspähziel der englischsprachigen Geheimdienste, der sogenannten Five Eyes, war. Bei der Suche nach neuen Observationszielen wurde ein deutscher Airbus-Mitarbeiter als Treffer markiert. Der Mann ist für die Beantragung von Rüstungsexportgenehmigungen bei der Bundesregierung zuständig.
Airbus-Chef Tom Enders soll irritiert und äußerst verärgert über das tagelange Schweigen der Regierung sein, so ein hochrangiger Airbus-Manager gegenüber dem SPIEGEL. Enders verlange von der Regierung, endlich Stellung zum Vorwurf der Industriespionage zu beziehen.
In der Affäre gerät auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich zunehmend unter Druck. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bekräftigte in der "Passauer Neuen Presse" den Vorwurf, das Kanzleramt habe bei der Kontrolle des BND "kläglich" versagt. "Es hat fast den Anschein, als sei der BND zu einem willfährigen Werkzeug der NSA geworden."
Nach Informationen des SPIEGEL hat der BND offenbar am Kanzleramt vorbei eine weitere heikle Geheimdienstoperation mit ausländischen Partnerdiensten geplant. Um an eine zentrale Datenleitung der Deutschen Telekom in Frankfurt am Main zu gelangen, bot der britische Geheimdienst GCHQ dem BND im Jahr 2012 ein hoch entwickeltes Erfassungs- und Verarbeitungssystem an; die Deutschen sollten es nutzen, um Transitdatenleitungen anzuzapfen und die Rohdaten zu übermitteln. Dafür wollten die Briten auch Daten aus ihrer Auslandserfassung übermitteln. Als dritten Partner wollten die Deutschen die amerikanische NSA involvieren. Die Operation lief unter dem Codenamen "Monkeyshoulder".
Obwohl es beim BND erhebliche rechtliche und politische Bedenken gab, wurde das Projekt bis weit ins Jahr 2013 vorangetrieben. Intern wurde die Ansage gemacht, niemanden offiziell in Kenntnis zu setzen, weder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik noch das Bundeskanzleramt als oberste Aufsichtsbehörde. BND-Mitarbeiter wurden in mehreren Workshops am GCHQ-Erfassungssystem geschult. Der letzte dieser Workshops fand im August 2013 statt, rund sechs Wochen nach Beginn der NSA-Affäre. Erst dann stoppte BND-Präsident Gerhard Schindler die Operation.
Im selben Monat war ein BND-Mitarbeiter nach SPIEGEL-Informationen in großem Umfang auf Suchbegriffe gestoßen, mit denen die USA am Horchposten in Bad Aibling Diplomaten und Mitarbeiter von Regierungen in Europa ausforschten. Die Suche mit Hilfe häufig verwendeter Kürzel ergab auf Anhieb rund 12.000 Treffer - darunter etliche E-Mail-Adressen, die zu hochrangigen französischen Diplomaten führten. Der BND ließ die Suchbegriffe anschließend löschen.