TV-Duell Johnson vs. Corbyn Viele Fragen, (k)eine Antwort
Das TV-Duell im britischen Wahlkampf geriet zur skurrilen Show: Premier Johnson wiederholte mantraartig seine Agenda, Oppositionsführer Corbyn wurde hochemotional - und punktete am Ende mit einer literarischen Spitze.
Das Format war denkbar simpel: Der britische Premierminister Boris Johnson und Labour-Chef Jeremy Corbyn sollten eine Stunde lang miteinander debattieren. Jeder Kandidat konnte zu Beginn ein kurzes Statement aufsagen und am Ende ein Fazit abgeben. Dazwischen sollten sie Fragen von Studiogästen und Briefschreibern beantworten. Doch statt eines deftigen Schlagabtausches bekam das Publikum eine Show ohne Inhalte geboten.
Drei Szenen überraschten dennoch.
Johnson antwortete auf fast alles mit der gleichen Antwort
Bei den großen Themen des Wahlkampfes - allen voran der Brexit - beharrten beide Kandidaten auf bereits bekannten Positionen: Johnson demonstrierte seinen unbedingten Willen zum EU-Austritt und verwies selbstbewusst auf sein - vom Parlament abgelehntes - Abkommen. Corbyn warb für einen neuen, besseren Deal mit Brüssel und ein Referendum, in dem das Volk abstimmen soll zwischen einem neuen Labour-Deal und dem Verbleib in der EU. Soweit, so bekannt.
Allerdings beantwortete Johnson auch fast alle anderen Fragen mit seiner Brexit-Antwort, die in unterschiedlichen Formulierungen lautete: "Ich habe einen fantastischen Deal ausgehandelt. Ich werde den Brexit durchführen."
Ist das Klima die größte Herausforderung? Johnson: "Es ist die größte Krise für die Welt. Deswegen müssen wir den Brexit vollziehen."
Welchen Politiker bewundern Sie am meisten? Johnson: "Alle 27 EU Staatschefs, denn sie haben mir diesen tollen Brexit-Deal ermöglicht."
Wie kann man das Gesundheitssystem verbessern? Johnson: "Das können wir nur mit einer starken und dynamischen Wirtschaft." Und dazu "sollten wir den Brexit schnell durchführen".
Wie zwei Schuljungen
Mit Spannung erwartet wurde vor allem der zwischenmenschliche Umgang der beiden Kandidaten, die in vielen Aspekten kaum unterschiedlicher wahrgenommen werden könnten: Johnson als wirtschaftsnaher Repräsentant der Elite, Corbyn als Gewerkschaftsfreund mit Umwelt- und Abrüstungsagenda.
Bereits im Verlauf des Tages hatten beide über soziale Medien an der Verbreitung eines Bildes von sich gearbeitet, an welchem sie auch in der Sendung festhielten.
Corbyn hatte am Vormittag Bilder von sich beim Friseur veröffentlicht, sagte noch wenige Minuten vor Beginn, er wünsche sich eine "respektvolle und informative Veranstaltung". Und genauso zugänglich gab er sich dann auch - er drehte sich bei seinen Antworten Johnson zu, auch, wenn er sich dabei unvorteilhaft von der Kamera abwandte und seine Brille ungünstig spiegelte.
Johnson, der in den Umfragen deutlich vor seinem Konkurrenten liegt, gab sich im Lauf des Tages aggressiv-entschlossen, veröffentlichte Bilder auf Twitter, die ihn beim Besuch eines Boxstudios zeigen. Darauf schlägt er anscheinend in Richtung Kamera, auf seinen Boxhandschuhen steht seine übergeordnete Message: "Get Brexit done" - "Den Brexit erledigen".
Die erste Hälfte des Duells ignorierte er Corbyn weitestgehend, blickte stoisch in Richtung Kamera, aber nicht zu seinem Bühnenpartner. Erst als dieser ihn mit Vorschlägen aus dem linken Spektrum zu sehr reizte, gab Johnson seine Blickrichtung kurzfristig auf.
Skurril wurde das vermeintliche Rollenspiel, als die Moderatorin die beiden aufforderte, sich die Hände zu reichen und sich gegenseitig einen freundlicheren Umgangston in politischen Debatten zu versprechen - was sie taten, um anschließend wie zwei Schuljungen an ihre Rednerpults zurückzukehren.
Trauriger Einschub
Emotional wurde das Duell, als die Fragen auf die Verbesserung des britischen Gesundheitssystems NHS kamen, das von vielen als unzureichend wahrgenommen wird. Es mangelt an Ärzten, Pflegern und Finanzmitteln.
Corbyn erzählte von einer Labour-Aktivistin, die am vorigen Morgen verstorben sei, nachdem sie für eine Notfallbehandlung mehrere Stunden lang im Krankenhaus warten musste. 30.000 Pflegestellen seien momentan unbesetzt, fuhr Corbyn fort, und forderte das Ende der Privatisierungen, die seiner Meinung nach für die Misere verantwortlich sind.
Doch auch aus dieser Situation befreiten sich beide mit klischeehaften Statements: Johnson sagte, schlimmer als die Privatisierung sei die Vier-Tage-Woche, woraufhin Corbyn über die Vorteile einer Vier-Tage-Woche für "Gesundheit und Wohlbefinden" sinnierte - und beide die Diskussion wieder der vorherigen Rollenverteilung überließen.
Abschließend sollte wohl noch etwas Versöhnliches her - beide sollten die Frage beantworten, welches Weihnachtsgeschenk sie sich gegenseitig unter den Weihnachtsbaum legen würden.
Corbyn: "Ich weiß, dass Boris gute Bücher mag." Er solle daher "Eine Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens bekommen. Ein intellektueller Seitenhieb: In dem englischen Literaturklassiker siegt am Ende die Nächstenliebe über Gier und Geiz.
Und was würde Johnson seinem Konkurrenten unter den Baum legen? "Eine Kopie meines brillanten Brexit-Deals."