Supreme Court So will Trump seinen umstrittenen Kandidaten retten
Für Donald Trump ist die Sache mal wieder klar. Richter Brett Kavanaugh sei ein exzellenter Mann und braver Familienvater, sagt er. Die Vorwürfe der Psychologin Christine Blasey Ford, Kavanaugh habe sie 1982 im Teenageralter bei einer Party massiv sexuell attackiert, sollten angehört werden. Er könne sich aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass Kavanaugh zu so etwas fähig sei, sagt Trump. Was dem Richter jetzt angetan werde, sei "unfair". Es sei für ihn "sehr schwer vorstellbar, dass irgendwas passiert ist".
So weit, so normal: Es entspricht dem üblichen Muster, dass Trump Männer, die der sexuellen Belästigung beschuldigt werden, frühzeitig und grundsätzlich von jeder Schuld freispricht. Neu ist allerdings, dass der Präsident seine Worte diesmal verhältnismäßig vorsichtig abwägt. Vor allem verzichtet er auf direkte Angriffe gegen die Frau, die die Anschuldigungen erhebt. Zumindest bislang.
Trumps Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr. Der Streit um seinen Kandidaten für den freien Posten am Obersten Gerichtshof der USA, dem Supreme Court, hat ein Stadium erreicht, für das das Wort Drama noch eine harmlose Beschreibung wäre. Vom weiteren Fortgang der Causa kann nicht nur Trumps politisches Schicksal, sondern auch der künftige politische Kurs des ganzen Landes abhängen.
Trump steckt in einem Dilemma
Wenige Wochen vor den wichtigen Midterm-Wahlen am 6. November weiß der Präsident offenkundig nicht wirklich, wie er mit der heiklen Sache umgehen soll. Trumps Dilemma: Wählerinnen könnten den Ausgang der Wahlen entscheiden, und auch er kann die #MeToo-Debatte der vergangenen Monate nicht gänzlich ignorieren. Attackiert er Christine Blasey Ford zu harsch, könnte er etliche Wählerinnen empören, die der Ansicht sind, dass jedes mutmaßliche Opfer sexueller Gewalt angehört werden muss. Schon jetzt ist Trumps Ansehen bei weiblichen Wählern bekanntlich nicht allzu groß.
Andererseits muss er aber auch seine Basis im Blick behalten. Trump kann kein Interesse daran haben, dass die Bestätigung seines Kandidaten durch den Senat noch weiter hinausgezögert wird. Die Wahl des erzkonservativen Richters Kavanaugh soll die Machtverhältnisse am Supreme Court auf Jahre zugunsten der Republikaner verschieben. Trump will seinen Anhängern diese Trophäe unbedingt vor den Wahlen präsentieren. Eine Verschiebung der Abstimmung bis nach der Wahl oder gar eine Niederlage des Kandidaten wäre mehr als peinlich. Gerade männliche Trump-Wähler, aber auch ältere, konservative Frauen zeigen sich schon jetzt empört darüber, dass Kavanaugh überhaupt wegen der Vorwürfe attackiert wird. Sie bewerten den Fall als üblen Hinterhalt der Opposition.
Viel hängt jetzt davon ab, wie der Senat mit der heiklen Sache weiter umgeht - und vor allem, ob es tatsächlich zu der geplanten Anhörung von Christine Blasey Ford kommt. Vor dem Justizausschuss des Senats soll sie ihre Version der Geschichte schildern. Kann sie ihre Vorwürfe unter Eid glaubwürdig darlegen? Und bringt sie so schwankende Senatoren dazu, gegen Kavanaugh zu stimmen? Die Mehrheit der Republikaner im Senat ist äußerst knapp. Schon bei zwei Abweichlern in den eigenen Reihen könnte Kavanaugh scheitern.

Die Republikaner, die den Zeitplan für eine Anhörung bestimmen können, wollen die Sache deshalb schnell hinter sich bringen. Dabei setzen sie auf ein gewagtes politisches Manöver. Sie erhöhen den Druck auf Ford mit einem Ultimatum: Wenn sie nicht am Montag aussagt, soll der Bestätigungsprozess für Kavanaugh wahrscheinlich wie geplant weiterlaufen. Alternativ wäre noch eine informelle Befragung hinter verschlossenen Türen denkbar. Aber bis nächste Woche soll die Sache im Prinzip erledigt sein. Offenbar hoffen die Republikaner darauf, dass Ford so wenig Zeit zur Vorbereitung bleibt - und ihre Aussage im Kreuzverhör der Senatoren unglaubwürdig erscheint.
Was will Christine Blasey Ford?
Ford wiederum will sich aber nicht unter Druck setzen lassen. Über ihre Anwälte ließ sie erklären, sie wolle grundsätzlich mit den Senatoren kooperieren. Sie stehe aber nicht so kurzfristig für eine Befragung zur Verfügung, bei der nur sie und Kavanaugh gehört würden. Ford zieht es vor, dass zunächst das FBI den Fall untersuchen solle und auch mögliche Zeugen gehört werden. Die oppositionellen Demokraten unterstützen diesen Vorschlag und werfen den Republikanern vor, Ford unfair zu behandeln und ihre Anschuldigungen nicht ernst zu nehmen.
Eine FBI-Untersuchung wird sowohl von Trump als auch von den Republikanern im Senat abgelehnt, weil es ihrer Ansicht nach die Bestätigung Kavanaughs unnötig verzögern könnte. Wenn Ford nun nicht doch noch am Montag bei der Anhörung auftaucht, müssen sich Trump und Co. also entscheiden: Wollen sie ihren Plan wirklich durchziehen - und damit das Risiko eingehen, dass ihr Kandidat am Ende womöglich doch nicht die erforderliche Mehrheit im Senat erhält? Oder geben sie nach und suchen einen Kompromiss mit Ford, um nicht als "unfair" und frauenfeindlich zu erscheinen?
Die Anschuldigungen wiegen schwer
Bislang hat die Professorin aus Kalifornien lediglich schriftlich und in Interviews über ihre mutmaßlichen Erlebnisse berichtet. Schon jetzt wird sie von dem Wirbel um ihre mögliche Aussage überwältigt. Sie erhält nach eigenen Angaben Morddrohungen und musste vorübergehend aus ihrer Wohnung ausziehen. Ihr E-Mail-Account wurde gehackt.
Ford gibt an, 1982 als Schülerin im Alter von 15 Jahren bei einer Party in einem Vorort von Washington von Kavanaugh massiv attackiert worden zu sein. Gemeinsam mit einem Freund soll er sie in ein Zimmer gedrängt haben. Dort habe Kavanaugh sich auf sie gelegt und versucht, ihre Kleidung auszuziehen. Als sie um Hilfe schreien wollte, soll er ihr den Mund zugehalten haben. Erst als Kavanaughs Freund Mark Judge auch noch auf das Bett gesprungen sei, habe sie sich befreien können.
Kavanaugh und Mark Judge sollen sehr betrunken gewesen sein. Judge gibt heute an, er könne sich an die angebliche Episode nicht mehr erinnern. Kavanaugh dementiert alle Vorwürfe.
Es gibt aber einige Indizien, die dafür sprechen, dass Christine Fords Version stimmt. Sie hat das für sie traumatische Erlebnis schon 2012 bei einer Therapiesitzung ihrem Psychologen geschildert, lange bevor Kavanaugh für den Obersten Gerichtshof nominiert wurde. Auch eine frühere Klassenkameradin gibt an, seinerzeit von der Sache gehört zu haben. Kavanaughs Freund Mark Judge hat wiederum in einem Buch über ausgiebige "Sauftouren" zu seiner Schulzeit berichtet. Auch das passt also. Und Christine Ford gilt heute als eine angesehene Psychologin mit Lehrauftrag, die wohl kaum ihre Reputation aufs Spiel setzen würde, indem sie eine Geschichte erfindet.