Streit über No-Deal-Brexit Britischer Justizminister kündigt Rücktritt an - aus Protest gegen Johnson

Britischer Justizminister David Gauke: No-Deal-Brexit als "Demütigung für das Land"
Foto: Peter Nicholls/ REUTERSDer britische Justizminister David Gauke hat seinen Rücktritt angekündigt für den Fall, dass der frühere AußenministerBoris Johnson das Amt des Premierministers übernimmt. Sollte Johnson wie erwartet das parteiinterne Duell gegen den amtierenden Außenminister Jeremy Hunt um die Nachfolge der scheidenden Regierungschefin Theresa May gewinnen, werde er sein Amt niederlegen, sagte Gauke der "Sunday Times". Der von Johnson in Erwägung gezogene harte Brexit würde aus seiner Sicht eine "Demütigung" für sein Land bedeuten.
Der Brexit-Hardliner Johnson ist nach eigenem Bekunden bereit, das Vereinigte Königreich auch ohne Austrittsvertrag aus der EU zu führen: Großbritannien werde am 31. Oktober den Brexit vollziehen, hat er in den vergangenen Wochen immer wieder betont: "Komme, was wolle." Er gilt als Favorit in der Urabstimmung unter den Mitgliedern der britischen Konservativen, deren Ergebnis am Dienstag erwartet wird. Gegenkandidat ist der jetzige Außenminister Jeremy Hunt. Der Sieger der Wahl wird dann automatisch auch neuer britischer Regierungschef.
Zuletzt hat Johnson seine Rhetorik gegenüber der EU nochmals verschärft. Den Backstop - die im Austrittsabkommen enthaltene Notfalllösung zur Vermeidung einer neuen harten Grenze zwischen Irland und Nordirland - will er inzwischen nicht einmal mehr abschwächen. Er hat ihn für tot erklärt. Allein das würde eine Einigung mit der EU auf ein Brexit-Abkommen ausschließen, sollte Johnson es ernst meinen.
Bei der EU-Kommission zeigt man sich von Johnsons Ankündigungen und Drohungen bislang unbeeindruckt. Scheide Großbritannien Ende Oktober ohne Vereinbarung aus der Europäischen Union aus, werde das vor allem für die Briten unbequem, glaubt EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier. In einem BBC-Interview sagte er: "Großbritannien wird die Konsequenzen tragen müssen." Er sei sich sicher, dass "die britische Seite, die gut informiert und kompetent ist und weiß, wie wir in der EU arbeiten, seit Anbeginn der Gespräche weiß, dass uns eine solche Drohung nie beeindruckt hat", sagte Barnier weiter. (Mehr über die Einschätzungen der EU-Kommission zu einem möglichen Premier Johnson lesen Sie hier.)
In Großbritannien wächst unterdessen die Sorge, Johnson könnte versuchen, am Parlament vorbei einen No-Deal-Brexit durchzuziehen. Laut einem Bericht des Senders Sky News soll Johnson planen, Königin Elizabeth II. seine Regierungspläne im November vorzustellen.
Das würde eine Suspendierung des Parlaments noch im Oktober bedeuten, und damit könnten die Abgeordneten einen No-Deal-Brexit nicht verhindern. Bislang hatte das Unterhaus jede Brexit-Option - Mays Deal und No-Deal - abgelehnt.
"Die Idee, das Parlament im Oktober zu suspendieren, das dann an einem entscheidenden Punkt in der Geschichte des Landes nicht zusammenkommen kann, wäre unerhört", hatte das Justizminister David Gauke auf BBC kommentiert.

Proteste gegen Boris Johnson: "Baby Blimp"
Mit einer riesigen Boris-Johnson-Puppe protestierten Demonstranten am Samstag gegen den voraussichtlich neuen britischen Premierminister. Unter dem Motto "Nein zu Boris, Ja zu Europa" zogen Menschen mitten durch London.
Die Johnson-Puppe trägt ein T-Shirt mit einem roten Doppeldeckerbus und dem Schriftzug "350 Millionen Pfund" darauf. Dies ist eine Anspielung auf eine Kampagne, mit der Johnson Wähler beim Brexit-Referendum in die Irre führen wollte.