EU-Politiker zum Wahlergebnis "Brexit Ende Januar"

EU-Ratspräsident Charles Michel: "Bereit für die nächsten Schritte"
Foto: KENZO TRIBOUILLARD/ AFPEuropäische Politiker warnen nach dem klaren Wahlsieg von Boris Johnson, dass den Briten das Schlimmste noch bevorstehe. Gleichzeitig begrüßten europäische Diplomaten, dass nun endlich Klarheit bestehe. "Klarheit ist gut", sagt ein EU-Vertreter.
Ein französischer Diplomat erwartet nun einen raschen Ausstieg Großbritanniens aus der EU. "Falls das Ergebnis bestätigt wird, nehmen wir an, dass (Johnson) das tun wird, was er gesagt hat - Brexit Ende Januar", sagt der Diplomat in der Nacht. Die Beziehung zu Großbritannien sollte so eng wie möglich bleiben.
Nach der Parlamentswahl komme es im Ringen um den Brexit nach Ansicht von EU-Ratspräsident Charles Michel nun auf das Parlament in London an. "Wir werden sehen, ob es für das britische Parlament möglich ist, das Austrittsabkommen zu akzeptieren" sagte Michel nach dem EU-Gipfel in der Nacht in Brüssel. "Falls das der Fall ist, sind wir bereit für die nächsten Schritte."
Riexinger erwartet Phase der Unsicherheit
Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann sieht nun den Brexit am 31. Januar kommen. "Mir tut leid, dass die Menschen in Großbritannien dafür die Zeche zahlen werden", twittert er. "Steueroasen und Dumping-Konkurrenz vor Europas Haustür werden wir verhindern müssen."
Seine Parteikollegin Katarina Barley fordert möglichst enge Beziehungen zu Großbritannien nach dem Brexit. Gleichzeitig dämpfte sie die Hoffnung auf ein rasches Ende des Streits. Nach der Ratifizierung des Austrittsvertrags gehe es erst richtig los: "Die zukünftige Beziehung des Vereinigten Königreiches mit der EU muss verhandelt werden", teilte Barley mit. "Johnson will das in wenigen Monaten schaffen - das wird nicht funktionieren."
Linksparteichef Bernd Riexinger erwartet eine Phase der Unsicherheit für die Briten. "Es ist völlig unklar, wie die Tories das von ihnen angerichtete Chaos beseitigen wollen." Nun werde auch die Privatisierung der Gesundheitsversorgung auf der Insel weiter gehen. "Die desaströse Politik der Tories geht wahrscheinlich in die nächste Runde", schreibt er.
Ähnlich sieht es Ivan Rogers, der ehemalige britische Chefdiplomat in Brüssel. Er warnte in einer Rede an der Universität Glasgow kürzlich davor, die größte Krise in Sachen Brexit stehe Großbritannien noch bevor.
Tatsächlich regelt der Brexit-Deal nichts anderes als den geordneten Austritt Großbritanniens und eine Übergangsphase bis Ende 2020. Wie das Land künftig mit seinen wichtigsten Partnern Handel treibt und zusammenarbeitet, ist nur in Grundzügen in einer unverbindlichen politischen Erklärung angerissen.
Im Detail muss das im Laufe des kommenden Jahres geregelt werden. Die Bundesregierung gibt sich zwar optimistisch; ein Standard-Handelsabkommen sei machbar, hieß es am Mittwoch aus Regierungskreisen. Doch das Problem ist, dass Johnson dafür Ziele ausgegeben hat, die nicht zu vereinbaren sind.
Unvereinbare Ziele
Einerseits will er zoll- und abgabenfreien Handel mit der Europäischen Union, auf der anderen Seite hält er nichts von einer engen Bindung an EU-Regeln, beispielsweise wenn es um Arbeitnehmerrechte, Umweltstandards und staatliche Wirtschaftsförderung geht. Beides, da sind sich Experten sicher, wird aber nicht zu haben sein.
Kanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen beraten am Vormittag beim EU-Gipfel in Brüssel über den Brexit. Die Staats- und Regierungschefs wollen dabei die Konsequenzen für den geplanten britischen EU-Austritt diskutieren.