Brexit-Folgen
London verweigert EU-Gesandtem offenbar vollständige Diplomatenrechte
Die Regierung in London sorgt nach der Trennung von der EU für den nächsten Eklat: Dem EU-Gesandten werden einem Bericht zufolge Rechte verweigert, die Diplomaten anderer Länder genießen. Brüssel reagiert empört.
Seit vergangenem Juli ist João Vale de Almeida EU-Botschafter in Großbritannien. Doch die Personalie sorgt für Spannungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich. Einem Bericht der BBC zufolge verweigert die britische Regierung Vale de Almeida bislang die vollständigen diplomatischen Rechte, wie sie Gesandte anderer Staaten genießen. Auch die Nachrichtenagentur dpa bestätigt den Bericht mit Verweis auf Kontakte im Auswärtigen Dienst der EU. Nun hat sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell eingeschaltet.
Großbritannien war 46 Jahre lang Mitglied der EU und hatte 2016 nach einer Volksabstimmung den Ausstieg aus dem Staatenbund beschlossen. Der Brexit wurde vier Jahre lang verhandelt. Seit dem 1. Januar ist Großbritannien endgültig von der Zollunion und dem Binnenmarkt der EU getrennt.
Nun verwehre das britische Außenministerium EU-Botschafter Vale de Almeida Sonderrechte – da er keinen eigenen Staat repräsentierte, heißt es in dem Bericht. International geht Großbritannien damit einen Sonderweg: Die EU hat Gesandte in 142 weiteren Ländern rund um den Globus. Alle übrigen Staaten gewähren ihnen die vollen Diplomatenrechte.
Relevant ist dies, weil der diplomatische Rang eines Botschafters zum Beispiel ausschlaggebend dafür ist, zu welchen Ereignissen er eingeladen oder wo er dort platziert wird. Ein umfänglicher Diplomatenstatus erlaubt es Gesandten unter anderem auch, Belange der Königin des Vereinigten Königreichs vortragen zu können. In der Diplomatie haben solche protokollarischen Fragen große Bedeutung. So kann die Einstufung als Zeichen der Geringschätzung gewertet werden.
Brandbrief aus Brüssel
Der EU-Außenbeauftragte Borrell ringt nun um Anerkennung für seinen Mann in London. In einem Brief an den britischen Außenminister Dominic Raab, der der BBC vorliegt, habe er den Umgang mit Vale de Almeida scharf kritisiert. »Die vorgeschlagene Vereinbarung reflektiert weder den spezifischen Charakter der EU, noch geht sie auf die künftige Beziehung zwischen der EU und Großbritannien als wichtiges Drittland ein«, heißt es demnach im Schreiben. Mit »Drittland« ist die Rolle Großbritannien als Nicht-EU-Mitglied gemeint.
EU-Beamte bezeichneten das Verhalten Londons laut BBC als »kleinlich« und »Heuchlerei«. Als Großbritannien noch EU-Mitglied gewesen sei, habe es zugestimmt, künftigen EU-Gesandten den vollständigen diplomatischen Status zu gewähren.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat inzwischen ein Pressesprecher des britischen Premierministers Boris Johnson auf die Kritik der EU reagiert – allerdings ohne konkret auf den Status von Vale de Almeida einzugehen. »Die EU, ihre Delegation und Mitarbeiter werden die Privilegien und Immunitäten erhalten, die benötigt werden, damit sie ihre Arbeit im Vereinigten Königreich effektiv nachgehen können«, hieß es demnach. Es sei »eine Tatsache, dass die EU ein Nationenkollektiv ist und kein Staat für sich«, so der Sprecher.
Zuletzt hatte vor rund zwei Jahren die US-Regierung den diplomatischen Status der EU-Vertretung in Washington zeitweise herabgestuft. Nach scharfen Protesten aus Brüssel nahm sie die Entscheidung allerdings wieder zurück.