Verhandlungen in London und Brüssel Auf Biegen und Brexit

Großbritanniens Premierministerin Theresa May
Foto: AFP/Adrian DennisAm Wochenende wandte sich Theresa May einmal mehr direkt ans Volk. Ein verwackelt wirkendes Video - in der britischen Politik wird in diesen Tagen mehr improvisiert als geplant - zeigte die Premierministerin auf ihrem Landsitz Chequers. "Zum jetzigen Stand der Dinge kann ich nicht erkennen, dass die Abgeordneten zustimmen", sagte May. Es ging um ihr EU-Austrittsabkommen. Und die Erkenntnis der Regierungschefin überrascht wahrlich nicht. Denn im britischen Unterhaus wurde der Deal bereits dreimal abgeschmettert.
Video: Theresa May auf der Couch
Stattdessen führt May seit Mittwoch Gespräche - diesmal mit der oppositionellen Labour-Partei. Das genügt, um den rechten Flügel der Tories in Rage zu bringen. Dass May ausgerechnet mit einem Altlinken wie Labour-Chef Jeremy Corbyn die Zukunft des Landes verhandelt, lässt viele Konservative vom Glauben abfallen.
Aber können diese Treffen zwischen Regierung und Opposition überhaupt noch etwas bewegen? Am Mittwoch kommen die EU-Staaten zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammen. Dann erwarten sie eine Ansage von den Briten, was sie eigentlich wollen. Gibt es keinen Durchbruch, fliegt Großbritannien Freitagnacht möglicherweise aus der Union - einfach so, ohne Deal und Absicherung.
Was uns diese Woche beim Brexit erwarten könnte - der Überblick:
Montag, 8. April: "Wir werden einen Weg finden", sagte Kultusminister Jeremy Wright am Morgen der BBC - und meinte die Tory-Gespräche mit Labour. Ob dieser Optimismus berechtigt ist, muss sich noch erweisen. Klar ist: Vertreter beider Parteien wollen am Montag weiterverhandeln - Ergebnis offen.
Zuletzt gab es Hinweise, dass Corbyn und May sich etwa auf ein Bekenntnis zur weiteren Mitgliedschaft in einer Zollunion mit der EU verständigen könnten. Allerdings brächte ein Kompromiss beide Seiten in die Bredouille. Da Corbyn dabei womöglich auf ein zweites Referendum verzichten muss, droht ihm der Aufstand vieler Proeuropäer bei Labour. Und auch May muss die Spaltung ihrer eigenen Partei befürchten. Im "Daily Telegraph" schrieb nun Boris Johnson, einer ihrer schärfsten Widersacher, die Tories würden May nicht erlauben, sich Corbyn "zu ergeben".
Doch das Verhandlungsdilemma ist nicht das einzige Problem der Premierministerin an diesem Tag. Das Oberhaus debattiert erneut über eine Gesetzesinitiative der Labour-Abgeordneten Yvette Cooper. Der Plan sieht vor, dass die Regierung einen Brexit-Aufschub beantragen muss, wenn ansonsten ein Austritt ohne Deal droht. May will selbst eine Verlängerung - doch das Gesetz dürfte ihren Handlungsspielraum weiter einengen.
Dienstag, 9. April: Kurzfristig reist May nach Berlin, um erneut mit Angela Merkel zu sprechen. Anders als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich die Kanzlerin in der Vergangenheit deutlich gesprächsbereiter. Die Bundesregierung fürchtet vor allem die wirtschaftlichen Folgen eines harten Brexits. Offensichtlich will May nun bei Merkel vorfühlen, was am Folgetag in Brüssel machbar ist.
Klar ist aber auch: Der Dienstag dürfte eine der letzten Möglichkeiten für May sei, ein weiteres Mal über ein Brexit-Szenario im Unterhaus abstimmen zu lassen. Die Regierung hatte erklärt, den Abgeordneten mehrere Optionen vorzulegen, sollte es keinen Deal mit Labour geben. Und selbst eine Vereinbarung mit der Opposition müsste im Parlament noch einmal abgesegnet werden. Im Moment scheint völlig unklar, wann das alles geschehen soll.
Mittwoch, 10. April: Der Tag der Entscheidung - oder doch nicht? Die EU hatte mit May eigentlich verabredet, dass die Briten eine Brexit-Verlängerung bis zum 22. nur dann erhalten, wenn sie sich vor dem 12. April auf einen Ausstiegsdeal verständigen. Angesichts der Chaoszustände in der Heimat hat May nun jedoch einen Aufschub bis zum 30. Juni angefragt. Die Teilnahme an den EU-Wahlen will die Regierung vorbereiten - trotz aller Widerstände in London. Brüssel wiederum schwebt jedoch ein langer Aufschub um mehrere Monate vor. Der Ausgang des EU-Gipfels am Mittwoch ist also völlig ungewiss.
Freitag, 12. April: Wenn die Briten mit der EU keine Brexit-Verlängerung aushandeln, wenn es zugleich keinen Deal gibt, dann steigt das Vereinigte Königreich am 12. April aus der Europäischen Union aus. Mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen.