Abstimmung in Unterhaus Mays Spiel auf Zeit

Theresa May lässt erneut über ihren EU-Austrittsvertrag im Unterhaus abstimmen. Ein wichtiger Teil des Deals fehlt diesmal aber. Was das für den Brexit bedeutet - die wichtigsten Fragen und Antworten.
Britisches Unterhaus: Keine finale Entscheidung

Britisches Unterhaus: Keine finale Entscheidung

Foto: Jessica Taylor/ dpa

Worüber wird heute im Unterhaus abgestimmt?

Nur über einen Teil von Theresa Mays EU-Austrittspaket, wenn auch den wichtigeren: das Austrittsvertragswerk. Darin sind die Trennungsmodalitäten zwischen Großbritannien und der EU verbindlich geregelt:

  • die Summe, die London Brüssel nach dem Brexit schuldet
  • die Bürgerrechtsfragen
  • oder der umstrittene Backstop, durch den eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden soll

Nicht zur Abstimmung steht diesmal jedoch die unverbindliche politische Erklärung, auf die sich Großbritannien und die EU ebenfalls geeinigt haben, und die dem Trennungsvertrag anhängt. Darin werden die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel skizziert.

Warum macht May das?

Bereits zweimal ist die Premierministerin mit ihrem Brexit-Deal im Parlament gescheitert. Unterhaussprecher John Bercow untersagte der Regierung daraufhin, erneut einen identischen oder sehr ähnlichen Antrag einzubringen. Darauf reagiert May nun, indem sie lediglich über das Vertragswerk abstimmen lässt, den Zusatz aber ausklammert.

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Gleichzeitig hofft die Premierministerin, diesmal genügend Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen - auch aus den Reihen der Labour-Partei. Der Hintergrund: Die Opposition stört sich inhaltlich vor allem an der politischen Erklärung - die an diesem Freitag nun ja kein Thema ist. Darin steht etwa, dass die Personenfreizügigkeit zwischen Großbritannien und der EU beendet werden soll.

Letztlich geht es der Regierung darum: Sie will den Brexit-Aufschub bis zum 22. Mai. Dafür fordert die EU die Zustimmung der Briten nur zum Trennungsvertrag, nicht aber zur politischen Erklärung.

Wie stehen Mays Chancen?

Nicht besonders gut, auch wenn die Zahl der Unterstützer wächst. Die Brexit-Hardliner treibt die Sorge um, am Ende ganz ohne Brexit dazustehen, wenn sie jetzt nicht zuschlagen. Auch bei Labour fürchten manche die unabsehbaren Folgen eines weiteren, monatelangen Brexit-Aufschubs.

Allerdings fehlten May beim jüngsten Votum über ihren EU-Deal Mitte März stolze 78 Stimmen zur Mehrheit. Und einige Brexit-Ultras machen ihre Zustimmung davon abhängig, ob auch Mays Regierungspartner, die nordirische DUP, das Abkommen unterstützt. Die Nationalkonservativen bekräftigten am Donnerstag aber erneut ihre Ablehnung. Und auch die Labour-Führung will ihre Fraktion dazu auffordern, am heutigen Freitag gegen den Antrag der Regierung zu stimmen.

Ist der Brexit sicher, wenn das Parlament zustimmt?

Nein. Das Parlament hat per Gesetz festgelegt, dass das Unterhaus den Brexit-Vertrag per "Meaningful Vote" ratifizieren muss. Dahinter verbirgt sich ausdrücklich eine Abstimmung über beide Elemente - den Trennungsvertrag und die Absichtserklärung für die Zukunft.

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Setzt sich May an diesem Freitag durch, kann sie sich also lediglich mehr Zeit erkaufen. Die EU würde den Briten voraussichtlich den Aufschub bis zum 22. Mai gewähren. Um jedoch sicherzustellen, dass das Vereinigte Königreich tatsächlich die Europäische Union geregelt verlässt, muss May dann immer noch auch die politische Erklärung durchs Unterhaus bringen. Oder das Parlament ändert das Gesetz, das genau diese Bedingung stellt. So oder so: An diesem Freitag fällt noch keine finale Entscheidung über den Brexit.

Was passiert, wenn May verliert?

Dann bliebe es bei der Ansage aus Brüssel: Die Briten müssen sich bis zum 12. April überlegen, was sie wollen: doch noch einen Deal, einen Austritt ohne Abkommen, gar keinen Brexit - oder einen langen Aufschub.

Für eine weitere Verzögerung steigen die Chancen, wenn May nun erneut verliert. Am kommenden Montag ist die Fortsetzung jener Probeabstimmungen über verschiedene Brexit-Szenarien geplant, bei denen es am Mittwoch keine Mehrheit gab. Zumindest vorstellbar ist, dass es dann ein klares Votum für einen weichen Brexit gibt.

Diesen wiederum müssten die Briten aber erst einmal mit der EU aushandeln. Und innenpolitisch könnten sie einen Kurswechsel womöglich auch nur nach Neuwahlen oder einem zweiten Referendum durchsetzen. Ob die Regierung das Ergebnis der Probeabstimmungen jedoch überhaupt zur eigenen Agenda machen würde, bleibt offen. Und auch die Antwort auf diese Frage ist bislang völlig unklar: Wann tritt Theresa May zurück?

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