Brexit-Verhandlungen Möge der Streit beginnen

Kaum hat Großbritannien den EU-Austritt offiziell beantragt, geht das Geschacher los. London will gleich über ein neues Handelsabkommen für die Zeit danach reden - doch die anderen Europäer bremsen.
EU-Flagge neben dem britischen Parlament

EU-Flagge neben dem britischen Parlament

Foto: Victoria Jones/ dpa

Die ersten Töne aus den europäischen Hauptstädten klangen noch ganz versöhnlich: Man verlasse "die EU, aber nicht Europa", teilte die britische Premierministerin Theresa May mit. Großbritannien und die EU sollten weiterhin "enge Partner" bleiben, sagte Angela Merkel. Man vermisse die Briten schon jetzt, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Doch gleich nach den Taschentüchern wurden in Brüssel und London die Boxhandschuhe ausgepackt. Erster großer Streitpunkt: Wann wird über ein neues Abkommen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit verhandelt?

Bei den nun anstehenden Verhandlungen soll es aus Sicht der EU nur um den Austritt Großbritanniens gehen. Geklärt wird zum Beispiel, welche Rechte EU-Bürger in Großbritannien haben und welche finanziellen Verpflichtungen die Briten zum Schluss noch erfüllen müssen. Neue Verträge sind nicht Gegenstand der Gespräche.

Ginge es nach May, wird am besten gleich über die Zeit danach verhandelt. "Wir glauben, dass es notwendig ist, dass wir die Bedingungen unserer künftigen Partnerschaft neben jenen für unseren Rückzug aus der EU verhandeln": Gleich vier Mal erwähnte die britische Premierministerin das in ihrem sechsseitigem Austrittsschreiben an Tusk. May möchte das Land aus dem EU-Binnenmarkt herausführen und parallel ein neues Freihandelsabkommen ohne die lästigen EU-Verpflichtungen abschließen.

Doch die Europäer traten gleich auf die Bremse:

  • Spitzenvertreter des Europäischen Parlaments veröffentlichten am Mittwoch eine Liste von Forderungen für die Verhandlungen. Dazu gehört: "Verhandlungen über die Zeit nach dem Brexit dürfen erst dann starten, wenn es in den Verhandlungen über das Austrittsabkommen substanziellen Fortschritt gibt."
  • Kanzlerin Merkel sagte, zwischen London und Brüssel müssten die engen Verflechtungen, die sich in 44 Jahren Mitgliedschaft ergeben hätten, nun wieder entflochten werden. Erst wenn das geklärt sei, könne man über das zukünftige Verhältnis sprechen.
  • EU-Chefunterhändler Michel Barnier beharrte wie bisher auf der "richtigen Reihenfolge" und meint damit: erst Austrittsvereinbarung, dann längerfristiges Abkommen.
  • Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte: "Nach den Scheidungsverhandlungen wird es eine andere Verhandlung geben, und darin wird es um die zukünftigen Beziehungen der EU-27 und Großbritannien gehen."

Etwas wohlwollender äußerte sich Guy Verhofstadt, der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments. Die EU solle sich innerhalb der zwei Jahre grundsätzlich auf eine neue Basis der Beziehungen einigen. Nach einem fertigen Abkommen klingt das allerdings auch nicht.

Als Trumpf möchte London offenbar die eigenen Geheimdiensterkenntnisse einsetzen. Wenn man sich in den zwei Jahren nicht auf ein neues Abkommen mit der EU verständigen könne, sagte Innenministerin Amber Rudd, werde Großbritannien die europäische Polizeibehörde Europol eben verlassen. "Unsere Daten nehmen wir dann mit." Großbritannien ist neben den USA, Kanada, Australien und Neuseeland Mitglied der "Five Eyes"-Allianz, die Geheimdiensterkenntnisse austauscht. Auf diese Informationen würde Europol nur ungern verzichten.

Ein weiterer Punkt dürfte den Briten übel aufstoßen: Die EU will verhindern, dass London während der Brexit-Verhandlungen eigene neue bilaterale Handelsabkommen schließt, zum Beispiel mit den USA. Die Argumentation in Brüssel: Handelspolitik ist Sache der EU und solange die Briten Teil der EU sind, dürfen sie darüber auch nicht selbst verhandeln.

Für Großbritannien aber würde das bedeuten, nach dem Brexit in zahlreichen Handelsbeziehungen auf der Regeln der Welthandelsorganisation zurückzufallen. Zölle wären die Folge. Erst nach dem Ausstieg könnte das Land in neue Verhandlungen einsteigen - und hätte damit jahrelang Nachteile im internationalen Handel. Auf die Antwort aus London darf man also gespannt sein.

sep/dpa/Reuters
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