Brexit-Verhandlungen EU schmettert Mays Irland-Ideen ab

Die Nordirland-Frage blockiert die Verhandlungen zum Brexit: London hat erneut seit Monaten bekannte Vorschläge eingebracht - und die EU fragt sich: Wann haben die Briten endlich ein Einsehen?
Großbritanniens Premierministerin Theresa May

Großbritanniens Premierministerin Theresa May

Foto: Jack Taylor/ Getty Images

Die Gespräche über den EU-Austritt Großbritanniens erinnern ein wenig an jene Videos, die bei Facebook immer mal wieder die Runde machen: Hunde, die versuchen, mit einem langen Stock im Maul durch zu enge Türen zu kommen. Immer wieder versuchen sie es, immer wieder bleiben sie hängen, doch den Stock loslassen wollen sie auf keinen Fall. Die Folge: Der ganze Hund steckt fest.

So in etwa läuft es derzeit in den Brexit-Verhandlungen, zumindest aus Sicht der EU. London versucht seit Monaten, mit seinen Vorschlägen zur Irland-Frage durchzukommen, doch sie passen einfach nicht durch die Türen der EU.

Das Problem: Die britische Premierministerin Theresa May will die Zollunion und den Binnenmarkt der EU verlassen, hat zugleich aber fest zugesagt, dass es nach dem Brexit keine neuen Kontrollposten an der Grenze zwischen Irland und Nordirland geben wird. Wie das gehen soll, ist auch nach den Verhandlungen dieser Woche in Brüssel weiterhin unklar.

Brüssel will praktikable Vorschläge statt Science Fiction

Die Regierung in London hat erneut nahezu unverändert jene Vorstellungen ins Spiel gebracht, die sie bereits im vergangenen August präsentiert hat. Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland sollen demnach entweder durch eine "neue Zollpartnerschaft" zwischen Großbritannien und der EU oder durch technische Lösungen vermieden werden.

Beides hat das Team um EU-Chefverhandler Michel Barnier nun erneut abgelehnt. Die Zollpartnerschaft - Großbritannien würde an seinen Grenzen Zölle auf Importe in die EU erheben, aber zugleich ein eigenes Zollsystem aufbauen - gilt als zu kompliziert und unrealistisch in der Durchführung. Die technischen Lösungen wiederum hält man in Brüssel für Science-Fiction: Die notwendigen Technologien gebe es noch nicht, und selbst wenn sie entwickelt würden, sei unklar, ob sie wie geplant funktionierten.

Die britische Regierung müsse in der Nordirland-Frage endlich realistische und praktikable Vorschläge vorlegen, sagt ein Mitglied von Barniers Team. Das aber sei bisher nicht geschehen - "und deshalb tut sich derzeit auch nichts". Ein anderer EU-Diplomat sieht Fortschritte lediglich auf technischer Ebene, nicht aber bei den großen politischen Fragen.

May steckt in der Zwickmühle

Letzteres wird womöglich erst wieder nach den britischen Kommunalwahlen am 3. Mai möglich sein. Bis dahin, glaubt man in Brüssel, wird Premierministerin Theresa May das Irland-Thema nicht entschieden anfassen. Denn sie sitzt in der Klemme: Ihr Versprechen, auf der irischen Insel eine harte Grenze zu vermeiden, muss sie halten - alles andere würde das gesamte Austrittsabkommen mit der EU gefährden.

Sollte die EU nicht doch noch überraschend einknicken, gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Entweder Nordirland bleibt in der EU-Zollunion, was aber zur Folge hätte, dass es dann eine Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien gäbe. Das wies ein Sprecher Mays am Freitag zurück: "Wir werden Nordirlands Platz im britischen Binnenmarkt schützen."

Die Alternative wäre ein Verbleib ganz Großbritanniens in der Zollunion. Das aber würde den Spielraum für Handelsabkommen mit anderen Staaten - ein Hauptargument der Brexit-Befürworter - stark einschränken. Auch müsste sich London weiter an Spielregeln der EU halten. Das könnte May einen Aufstand der Brexit-Hardliner in den eigenen Reihen einbringen und sie ihr Amt kosten.

Druck aus dem Parlament wächst

Aus der Opposition und den eigenen Reihen wächst derweil der Druck auf May, den Plan zum Austritt aus der Zollunion zu begraben. Am Mittwoch stimmte eine klare Mehrheit im Oberhaus des Parlaments für einen Änderungsantrag zum EU-Austrittsgesetz, der den Verbleib in der Zollunion befürwortet. Am Donnerstag dann brachte eine Gruppe führender Abgeordneter im Unterhaus, darunter mehrere von Mays Tories, einen Antrag ein, der die Premierministerin dazu auffordert, eine "effektive Zollunion" mit der EU anzustreben.

In Brüssel verlegt man sich nun aufs Warten. Irgendwann, so ein Verhandler, werden die Briten schon einsehen, was geht, und vor allem: was nicht geht. Das sei auch schon zuvor passiert, etwa was die Zahlung der Austrittsrechnung oder die britische Forderung betraf, den Austrittsdeal und ein zukünftiges Handelsabkommen parallel zu verhandeln.

EU-Chefverhandler Barnier wolle erst dann wieder über die künftigen Handelsbeziehungen reden, wenn das Irland-Problem gelöst sei, berichteten britische Medien. Das immerhin wollten Brüsseler Diplomaten nicht bestätigen. Zwar stimme es, dass es auch an dieser Front derzeit nicht vorangehe. Doch das liege nicht am Irland-Problem. Die EU habe beim letzten Gipfel ihre Vorstellungen über die künftigen Beziehungen festgelegt und die britische Regierung aufgefordert, das Gleiche zu tun. Darauf, meint ein Brüsseler Beamter, warte man bis heute.


Zusammengefasst: Die Zukunft Nordirlands wird zum zentralen Problem der Brexit-Verhandlungen. Die britische Regierung will aus der EU-Zollunion austreten, ohne aber eine neue harte Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland entstehen zu lassen. Zur Umsetzung aber hat London nun erneut Vorschläge vorgelegt, welche die EU schon vor Monaten als untauglich abgelehnt hat.

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