Briefbomben-Attacke Zwei Verletzte bei Anschlag auf Schweizer Atomverband

Jetzt wird der Anti-Atom-Protest offenbar militant: Bei einem Briefbombenanschlag auf die Schweizer Lobbygruppe Swissnuclear sind zwei Mitarbeiterinnen verletzt worden. Beide wurden in ein Krankenhaus eingeliefert.
Polizeieinsatz in Olten: Sprengsatz explodierte gegen 8.15 Uhr

Polizeieinsatz in Olten: Sprengsatz explodierte gegen 8.15 Uhr

Foto: CHRISTIAN HARTMANN/ REUTERS

Zürich - Der Sprengsatz sei um 8.15 Uhr beim Öffnen des Briefs in dem Büro in der Stadt Olten im Norden der Schweiz detoniert, sagte eine Polizeisprecherin.

Mitarbeiterinnen des Büros von Swissnuclear in Olten im Kanton Solothurn nahe der deutschen Grenze hätten den Brief geöffnet. Sie seien in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Über die Schwere der Verletzungen gibt es unterschiedliche Angaben: Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Sprecher der Kantonspolizei Solothurn, es handele sich hauptsächlich um leichte Hautverletzungen. Zudem sei durch den lauten Knall das Gehör beeinträchtigt. Die "Neue Zürcher Zeitung" meldet hingegen auf ihrer Web-Seite, ebenfalls unter Berufung auf die Kantonspolizei, die Frauen hätten "ernsthafte Brandwunden" erlitten.

Die Polizei sperrte das Gebiet um das Bürogebäude ab, Kriminaltechniker untersuchen zurzeit den Tatort. Über die Täter liegen noch keine Erkenntnisse vor.

Swissnuclear ist ein Konsortium der nationalen Energieunternehmen Axpo, Alpiq und BKW. Im nahe der deutschen Grenze gelegenen Olten, nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt, hat auch die Alpiq ihre Zentrale, vor der sich am Donnerstagmorgen etwa 50 Atomkraftgegner zu einer von Greenpeace initiierten Demonstration versammelten. Sie forderten den Energiekonzern auf, Pläne für den Bau eines neuen Atomkraftwerks aufzugeben.

Greenpeace weist Zusammenhang mit Anti-AKW-Demo zurück

Laut einem Sprecher untersucht die Polizei, ob ein Zusammenhang zwischen der Demonstration und dem Briefbombenanschlag vorliege. Greenpeace wies dies vehement zurück. "Wir distanzieren uns mit der größten Entschiedenheit von diesem Anschlag. Greenpeace ist dem gewaltfreien Protest verpflichtet", sagte Florian Kasser, Atomexperte bei Greenpeace.

In der Schweiz sind derzeit fünf Atomkraftwerke in Betrieb, die laut Swissnuclear 40 Prozent des landesweiten Strombedarfs decken. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima hatte auch in der Schweiz die Anti-Atomkraft-Bewegung neuen Auftrieb erhalten. Grüne und Sozialdemokraten fordern den Ausstieg, die christdemokratische Energieministerin Doris Leuthard lehnt einen übereilten Beschluss hingegen ab.

Die Regierung setzte jedoch Mitte März das Rahmenzulassungsverfahren für drei neue Kernkraftwerke aus und ordnete für die bestehenden Anlagen eine außerplanmäßige Sicherheitsprüfung an. Bereits 1990 hatten sich die Schweizer in einer Volksabstimmung für ein zehnjähriges Kernkraftwerksbau-Moratorium ausgesprochen, dieses jedoch im Jahr 2003 nicht verlängert. Seitdem werden wieder neue Meiler geplant. Erst im vergangenen Monat stimmten die Bürger knapp einem Reaktorneubau in Mühleberg im Kanton Bern zu.

Die ersten der heute noch laufenden Schweizer Kernkraftwerke sind vor mehr als 40 Jahren in Betrieb genommen worden. Nach 2020 laufen die ersten Betriebsgenehmigungen aus, und die von Swissnuclear vertretenen Stromkonzerne haben Rahmenbewilligungsanträge für bis zu drei neue Werke an den bisherigen Standorten eingereicht.

fdi/Reuters/AFP
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