Brisantes Votum Unesco nimmt Palästina als Vollmitglied auf

Das Votum birgt Sprengkraft: Die Unesco akzeptiert die Palästinenser als Vollmitglied - trotz scharfer Proteste aus den USA, die jetzt mit einem Zahlungsstopp drohen. Zur Blamage geriet die Abstimmung für die EU-Länder, weil Deutschland und die Niederlande gegen eine Absprache verstießen.
Unesco-Hauptquartier in Paris: Antrag der Palästinenser stattgegeben

Unesco-Hauptquartier in Paris: Antrag der Palästinenser stattgegeben

Foto: Yoan Valat/ dpa

Paris - Gegen den Widerstand der USA, Israels und Deutschlands ist Palästina als Vollmitglied in die Uno-Bildungs- und Kulturorganisation Unesco aufgenommen worden. Die Palästinenser erlangten für ihren Aufnahmeantrag bei der in Paris ansässigen Organisation am Montag die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit unter den bisher 193 Mitgliedsländern. Deutschland stimmte ebenso wie die USA gegen den Antrag, während Frankreich dafür votierte.

In den vergangenen Tagen hatten Vertreter der USA und mehrerer europäischer Staaten vergeblich versucht, die Abstimmung zu verhindern. Trotz des Drucks lehnten es die Palästinenser ab, ihren Antrag zurückzuziehen.

Die USA drohen nun, ihre Beitragszahlungen an die Uno-Teilorganisation zu stoppen. Dabei handelt es sich um umgerechnet mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr; gut ein Fünftel des Haushalts der Unesco. Washington ist der mit Abstand größte Geldgeber der Unesco mit mehr als 2000 Mitarbeitern in Paris.

Für die europäischen Länder geriet die Abstimmung zu Blamage - wieder einmal konnten sich die EU-Staaten nicht auf eine gemeinsame Linie in der Außenpolitik einigen. Während unter anderem Frankreich, Belgien und Irland einer Aufnahme der Palästinenser zustimmten, votierten Deutschland und die Niederlande dagegen.

Von den 27 EU-Ländern votierten elf Staaten für eine Aufnahme, genauso viele entschieden sich dagegen. Unter den fünf Nationen, die sich enthielten, war auch Großbritannien. Damit stimmten nicht einmal die derzeit im Uno-Sicherheitsrat vertretenen Länder einheitlich.

Eigentlich hatte der gemeinsame Plan der Europäer vorgesehen, sich geschlossen zu enthalten. Damit sollte zumindest nach außen ein Bild von Einigkeit vermittelt werden. Doch diesen Pakt ließen die Regierungen in Berlin und Den Haag in den Vorbesprechungen der Abstimmung scheitern.

"Europa degradiert sich zum Zwerg"

Wie schon beim Nato-Einsatz in Libyen hat Europa damit bewiesen, dass es zu einer gemeinsamen Linie in der Außenpolitik kaum fähig ist. "Europa degradiert sich mit solchen Aktionen zu einem außenpolitischen Zwerg", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn unmittelbar nach der Abstimmung zu SPIEGEL ONLINE.

In Richtung der Abweichler schickte er scharfe Kritik: "Wenn man sich in einer außenpolitisch derart wichtigen Frage unsolidarisch verhält, bedeutet das nicht nur für Europa einen Ansehensverlust - sondern vor allem für die Länder, die die gemeinsame Linie verlassen haben."

FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff nannte das Ergebnis einen "Verlust für alle Seiten": "Die Unesco verliert viel Geld, Europa viel Ansehen."

Die Abstimmung in der Unesco gibt einen bitteren Vorgeschmack auf die bevorstehende Entscheidung über die Anerkennung Palästinas als Staat durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen. Stimmen die EU-Staaten auch dort, auf der größtmöglichen internationalen Bühne, gespalten ab, wäre die gemeinsame Außenpolitik nicht einmal mehr das Papier des EU-Vertrags von Lissabon wert, auf dem sie steht.

Auswärtiges Amt verteidigt Votum

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin verteidigte die Entscheidung der Bundesregierung. Man unterstütze das palästinensische Anliegen auf einen eigenen Staat nachdrücklich. "Eine umfassende und gerechte Zwei-Staaten-Lösung ist und bleibt unser Ziel", hieß es. Die Bundesregierung sei jedoch der Auffassung, dass der Unesco-Antrag das derzeit im Uno-Sicherheitsrat laufende Verfahren auf Aufnahme in die Vereinten Nationen nicht beeinträchtigen und auch nicht präjudizieren sollte. "Zudem besteht die Gefahr, dass durch den Unesco-Antrag die erst kürzlich unter Vermittlung des Nahost-Quartetts begonnenen, ohnehin schon schwierigen indirekten Gespräche zusätzlich belastet werden", so der Sprecher des Auswärtigen Amtes weiter.

mit Material von dapd/sev
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