Britische Kehrtwende Gurkhas besiegen Brown
London - Die Gurkhas hatten die Hoffnung fast schon aufgegeben. Seit knapp 200 Jahren ziehen die nepalesischen Soldaten für die Briten in den Krieg, doch ein Bleiberecht in Großbritannien war den meisten von ihnen stets verweigert worden. Auch die Labour-Regierung von Gordon Brown zeigte lange kein Interesse, den verdienten Veteranen die Türen zu öffnen. Im Gegenteil: Ende April verschärfte sie die Bedingungen für die begehrte Aufenthaltserlaubnis noch.
Umso überraschender kam daher nun die Ankündigung der britischen Innenministerin Jacqui Smith, dass sie allen Gurkhas ein Bleiberecht gewähren wolle, die mindestens vier Jahre in der britischen Armee gedient haben. Sie sei stolz, alle Gurkhas in Großbritannien willkommen zu heißen, sagte Smith unter großem Beifall am Donnerstag im Unterhaus. Das Bleiberecht schließe auch Ehefrau und minderjährige Kinder der Veteranen ein.
Bereits am Mittwoch hatte Brown die Kehrtwende angedeutet, als er in der Fragestunde des Premierministers im Unterhaus sagte, er habe große Sympathie für die Gurkhas und man habe eine bezahlbare Lösung gefunden.
Unter der bisherigen Regelung hatten nur die Gurkha-Veteranen ein Bleiberecht, die nach dem 1. Juli 1997 aus dem Armeedienst ausgeschieden sind. Das sind etwa 3000. Die 36.000 Veteranen jedoch, die vor 1997 ausgeschieden sind, konnten die Aufenthaltserlaubnis nur dann erhalten, wenn sie eins von fünf Kriterien erfüllten. Unter anderem mussten sie mindestens 20 Jahre gedient oder eine Tapferkeitsmedaille erhalten haben. Das schloss die große Mehrheit aus, denn einfache Gurkha-Soldaten durften gar nicht länger als 15 Jahre dienen.
Seit Jahren läuft eine Öffentlichkeitskampagne, das Bleiberecht auf alle Gurkha-Veteranen auszudehnen. In den vergangenen sechs Monaten hatte sie erheblich an Schwung gewonnen, seit die britische Schauspielerin Joanna Lumley sich an die Spitze der Bewegung gesetzt hatte. Die 63-Jährige ist ein populärer Fernsehstar auf der Insel. Ihr Vater hatte 30 Jahre lang in einem Gurkha-Regiment gedient.
Lumleys Sieg
Mit Lumley als Frontfrau war die "Gurkha Justice Campaign" zu einer regelrechten Massenbewegung geworden. Die Vorsitzenden der beiden Oppositionsparteien traten gemeinsam mit den Veteranen auf, mehrere große Tageszeitungen starteten Unterschriftenaktionen. Schließlich beschloss sogar das Parlament, die Forderungen der Gurkhas zu unterstützen. 27 Labour-Abgeordnete stimmten Ende April zusammen mit der Opposition und bereiteten der Brown-Regierung die erste Abstimmungsniederlage im Unterhaus.
Damit blieb Brown nicht viel Spielraum. Bis zur Sommerpause wollte er eine neue Regelung finden, hatte er den Gurkha-Veteranen Anfang Mai versprochen. Dass es nun so schnell ging, überraschte die Aktivisten, die sich vor dem Parlament zum Feiern eingefunden hatten. Lumley zeigte sich hocherfreut. Dies sei die Willkommensgeste, die man seit langem sehen wollte, sagte sie.
Die Schauspielerin fand warme Worte für den Premierminister, der sie am Morgen erneut in die Downing Street geladen hatte, um ihr die Nachricht persönlich mitzuteilen. Brown sei ein "mutiger Mann, der heute eine mutige Entscheidung für die Mutigsten der Mutigen gefällt hat", lobte Lumley.
Brown will offene Flanken im Wahlkampf schließen
Mit dem plötzlichen Sinneswandel scheint Brown nicht zuletzt eine seiner vielen offenen Flanken im Wahlkampf schließen zu wollen. Am 4. Juni sind Europa- und Kommunalwahlen, und der Regierungschef kann es sich nicht leisten, einen unpopulären Kampf gegen Parlament und Öffentlichkeit zu führen, zumal er mit dem Spesenskandal mehr als genug zu tun hat. Am Dienstag hatte Brown eine radikale Parlamentsreform verkündet - auch dies ein Versuch, vor der Europawahl einen Konflikt mit der Öffentlichkeit zu entschärfen.
Weder in der Gurkha- noch in der Spesendebatte hat Brown eine gute Figur gemacht. Der konservative Oppositionsführer David Cameron bewies jeweils den besseren Instinkt. Er entschuldigte sich als Erster für die Spesenexzesse seiner Abgeordneten und kündigte harte Strafen für die Übeltäter an. Auch hatte er sich frühzeitig auf die Seite der Veteranen gestellt. Der konservative Schatten-Innenminister Chris Grayling sagte, die Kehrtwende der Regierung sei ein großer Sieg für die Gurkha-Kampagne, die Minister öffentlich blamiert habe.
Die Regierung hatte ein generelles Bleiberecht für die Gurkhas stets als zu teuer abgelehnt. Bis zu 1,4 Milliarden Pfund kämen auf den britischen Steuerzahler zu, wenn Zehntausende Veteranen mitsamt ihren Familien aus Nepal auf die Insel zögen, argumentierten die zuständigen Minister. Zudem fürchtete das Verteidigungsministerium die zusätzliche Belastung der Rentenkasse.
Abgeordnete aller Fraktionen hatten der Regierung jedoch vorgeworfen, die Zahlen zu übertreiben. Innenministerin Smith sagte im Unterhaus nun, sie erwarte 10.000 bis 15.000 Bewerbungen von Gurkhas innerhalb der kommenden zwei Jahre.