Bürgermeisterwahl in Istanbul Inhaftierter Politiker Demirtas gibt Wahlempfehlung ab

Wahlempfehlung aus dem Gefängnis: der frühere Vorsitzende der türkischen, prokurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas (hier im Jahr 2016)
Foto: Sedat Suna/ dpaDer inhaftierte prokurdische Politiker Selahattin Demirtas hat dazu aufgerufen, den Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu zu unterstützen. Am kommenden Sonntag wird in Istanbul die Bürgermeisterwahl wiederholt.
"Wir glauben, dass es heute notwendig ist, den Diskurs von Herrn Imamoglu zu unterstützen", schrieb Demirtas auf Twitter. "Das ist längst keine Wahl mehr, bei der man noch eine Wahl hat." Es gebe nur eine Option für Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit in der Türkei. Die Zentrale seiner Partei, der prokurdischen HDP, habe diesbezüglich ihre Haltung schon deutlich gemacht, schrieb er.
Demirtas ließ den Aufruf via Twitter kurz vor der Fortsetzung seines Prozesses wegen Terrorvorwürfen verbreiten. Er sollte am Dienstag bei der Verhandlung in Ankara aus dem Gefängnis per Video zugeschaltet werden.
Der Kandidat der größten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, hatte die Bürgermeisterwahl am 31. März zwar knapp gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim gewonnen, die Wahlkommission annullierte das Ergebnis jedoch wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten . Die Wahl soll am Sonntag, den 23. Juni wiederholt werden.
Neben Imamoglu und Yildirim tritt jeweils ein Kandidat der kleinen Oppositionsparteien Vatan und Saadet an. Die HDP dagegen verzichtet, wie auch schon Ende März, zugunsten Imamoglus auf einen eigenen Kandidaten.
Gegen Demirtas laufen zahlreiche Prozesse. Er sitzt seit November 2016 in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem die Leitung einer Terrororganisation und Terrorpropaganda vorgeworfen.
Ende November hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geurteilt, dass die lange Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei. Er ordnete die Freilassung von Demirtas an. Die Türkei muss als Mitglied des Europarats Urteile des EGMR eigentlich umsetzen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte allerdings gesagt, er fühle sich an dieses nicht gebunden.
Ende vergangenen Jahres hatte ein Berufungsgericht in einem anderen Verfahren wegen Terrorpropaganda eine mehrjährige Haftstrafe gegen Demirtas bestätigt. Dies bedeutet, er muss damit auch im Gefängnis bleiben, wenn er im Hauptverfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden sollte.