Eklat wegen Analyse Regierung distanziert sich nach Saudi-Schelte vom BND

Die öffentliche Kritik des BND an der saudischen Außenpolitik sorgt für einen Eklat: Die Bundesregierung distanziert sich ungewohnt deutlich von der Einschätzung des Nachrichtendiensts. Intern fürchtet man eine Eiszeit mit Riad.
BND-Zentrale in Pullach: Dissens mit der Bundesregierung?

BND-Zentrale in Pullach: Dissens mit der Bundesregierung?

Foto: Stephan Jansen/ picture alliance / dpa

Eine Analyse des Bundesnachrichtendiensts zur Rolle Saudi-Arabiens sorgt innerhalb der Bundesregierung für heftige Verwerfungen. In selten klaren Worten distanzierte sich die Regierung am Donnerstag von der BND-Analyse, laut der Saudi-Arabien in der Golfregion und darüber hinaus destabilisierend wirke und vor allem daran interessiert sei, seinen eigenen Einflussraum auch militärisch auszudehnen.

Die Reaktionen aus der Bundesregierung unterstreichen den politischen Eklat mit dem Geheimdienst, der formal dem Kanzleramt unterstellt ist. "Der BND spricht sicher nicht für die deutsche Außenpolitik, schon gar nicht über Dritte", heißt es aus dem Auswärtigen Amt (AA) unter Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Solch scharfe Kritik ist im AA selten und illustriert den Frust.

Auch in Regierungskreisen zeigt man sich ungehalten. "Die Einschätzungen des BND zu Saudi-Arabien spiegeln nicht 1:1 die Haltung der Bundesregierung wider", heißt es dort.

Offiziell sieht Berlin Saudi-Arabien trotz seiner autokratischen Herrscherfamilie und massiven Menschenrechtsverletzungen als strategischen Partner, der immer wieder Genehmigungen für deutsche Waffenlieferungen erhält.

Überraschend konkrete Kritik des BND

Die Kritik des BND war überraschend konkret gewesen. Nach einem Gespräch mit Journalisten am Dienstag verteilte der Dienst eine Art Kurzanalyse der politischen Lage in Riad. Demnach wollten sich König Salman und sein Sohn Mohammed als "Anführer der arabischen Welt profilieren" und versuchten, ihre Agenda "mit einer starken militärischen Komponente sowie neuen regionalen Allianzen zu erweitern".

In der Bundesregierung befürchtet man einen Eklat mit dem Königshaus. Besonders der Sohn des Königs gilt als wichtiger Gesprächspartner für den Westen im Kampf gegen den "Islamischen Staat". Öffentliche Kritik, in diesem Fall ausgerechnet vom deutschen Geheimdienst BND, werde in Riad sicherlich registriert, hieß es in Berlin. Und werde nicht folgenlos bleiben.

Das AA betonte intern ausdrücklich die wichtige Rolle, die Saudi-Arabien zum Beispiel bei den Friedensgesprächen für Syrien spiele. "Ohne eine konstruktive Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien wird es nicht gelingen, in Syrien und anderswo in der Region die politischen Fortschritte zu erzielen, die wir so dringend brauchen", hieß es im Haus von Minister Steinmeier.

Für die deutschen Außenpolitiker ist der Fall heikel. Hinter vorgehaltener Hand teilen viele in der Regierung die BND-Kritik an Riad. Für die Realpolitik allerdings braucht man einen Draht zum Königshaus. Gerade bei den Gesprächen zum Syrienkonflikt, an denen saudische Diplomaten kürzlich erstmals teilnahmen, gilt das Königshaus als entscheidend.

Die Rolle Saudi-Arabiens in Syrien allerdings ist umstritten. Um den durch den Erzfeind Iran unterstützen Machthaber Baschar al-Assad zu stürzen, hatte Saudi-Arabien islamistische Milizen im Land unterstützt und somit letztlich den Aufstieg des IS begünstigt. Auch wenn die Geheimdienste nie eine direkte Beteiligung des Königshauses nachweisen konnten, gehen Experten davon aus, dass Riad die Geldflüsse und Waffenlieferungen an radikale Gruppen lange wissentlich durchgehen ließ.

flo/mgb
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