Arabische Reaktionen zum Burkiniverbot Entrüstung über die Enthüllung

Am Strand von Nizza zwingen vier Polizisten eine Muslimin, Teile ihrer Kleidung abzulegen. Dieser Vorfall macht auch in der arabischen Welt Schlagzeilen. Kritiker werfen Frankreich Doppelmoral vor.
Protest gegen das Burkiniverbot vor der französischen Botschaft in London

Protest gegen das Burkiniverbot vor der französischen Botschaft in London

Foto: Frank Augstein/ AP

Der Polizeieinsatz gegen die Frau am Strand von Nizza hat auch am gegenüberliegenden Ufer des Mittelmeeres Wut und Aufregung verursacht. In den sozialen Netzwerken und auf arabischen Onlineportalen machte das Bild der bewaffneten Polizisten, die einer Frau befehlen, ihre Kleidungsstücke abzulegen, schnell die Runde.

"Das ist kein großer Unterschied zu dem, was die Sittenpolizei des 'Islamischen Staats' macht", lautete der Tenor. Die Zeichnung des Karikaturisten Khalid al-Baih spielt ebenfalls auf die Parallelen zwischen französischen Polizisten und muslimischen Sittenwächtern an.

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Die meisten Kommentatoren sehen in dem Burkiniverbot einen gezielten Versuch, die muslimische Gemeinde in Frankreich zu provozieren.

"Das Burkiniverbot ist eine rassistische und illegale Entscheidung"

Dana Zidan, Kolumnistin des in London ansässigen Portals "Rai al-Yaum" wirft Frankreich Doppelmoral vor: "Die französische Regierung war außer sich, als Richter vor drei Jahren in Tunesien drei Europäerinnen - zwei Französinnen und eine Deutsche - zu vier Monaten Gefängnis verurteilten, weil sie nackt vor einem Gerichtsgebäude demonstriert hatten. Damals veröffentlichte das französische Außenministerium zahlreiche Presseerklärungen, die voller Wut waren auf die Richter, die das Verhalten der drei Aktivistinnen als unmoralisch betrachteten."

Damals habe die Regierung in Paris mit der persönlichen Freiheit der Frauen argumentiert. "Die Stimmen, die damals das Recht der Frauen verteidigt haben, ihren Körper zu entblößen, schweigen nun angesichts des französischen Verbots für Frauen, ihren Körper zu bedecken. Aber ist das nicht auch ihr gutes Recht?", fragt Zidan. Zudem stellt "Rai al-Yaum" die Frage in den Raum, wie groß wohl der Aufschrei wäre, wenn die arabischen Golfstaaten europäische Touristinnen zwingen würde, sich im Burkini an den Strand zu legen.

Strandszene in Dubai

Strandszene in Dubai

Foto: KARIM SAHIB/ AFP

"Das Burkiniverbot ist eine rassistische und illegale Entscheidung", titelt die Zeitung "al-Khaleej al-Arabi" aus Dubai. Der französische Laizismus könne nicht als Begründung für das Verbot herhalten, schließlich verdecke der Burkini anders als der in Frankreich illegale Nikab nicht das Gesicht.

"Es geht nicht darum, die Frau zu befreien"

Der Burkinistreit bringe mal wieder den Konflikt zwischen dem Westen und dem politischen Islam in die Schlagzeilen, schreibt Adel Ahmed vom Forschungszentrum für säkulare Studien in der Arabischen Welt (SSRCAW) in Kopenhagen. Allerdings sei diese Art der Betrachtung sehr oberflächlich. "Bei der Diskussion geht es im Grunde nämlich gar nicht um Frauenrechte oder Säkularismus. Und es geht auch nicht darum, ob Muslime Teil der europäischen Gemeinschaft sein können", kommentiert Ahmed. "Es ist eine politische Entscheidung und eine Folge des Aufstiegs der rechten Bewegungen in Frankreich."

Musab Younis, Kolonialismusforscher der Universität Oxford, erinnert daran, dass Frankreich schon als Kolonialmacht in Algerien Bekleidungsvorschriften für muslimische Frauen erlassen hatte . 1958 verbreitete Frankreich Plakate, in denen Algerierinnen aufgefordert wurden, den Gesichtsschleier abzulegen.

"Seid ihr etwa nicht hübsch?", lautete die rhetorische Frage auf den Postern. "Die Kolonialmacht veranstaltete öffentliche Spektakel, bei denen die algerischen Frauen, ihre Schleier feierlich verbrannten", schreibt Younis. Allerdings hätten nur wenige Algerierinnen den Schleier freiwillig abgelegt.

Der muslimische Bürgerrechtsaktivist Yasser Louati sieht in dem Burkiniverbot die Fortsetzung dieses kolonialen Erbes: "Es gab schon immer diese Fantasie, dass die muslimische Frau auf ihren weißen Retter wartet, der ihr die Freiheit schenkt. Und jetzt gibt es diese Fokussierung auf das Kopftuch. Es geht aber nicht darum, die Frau zu befreien. Es geht darum, sie auszuziehen und über sie zu bestimmen."

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