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Flüchtlinge aus Burma: Neues Bein, neue Hoffnung

Foto: Till Mayer

Burma-Flüchtlinge in Thailand Im Boden lauert der Tod

Der Krieg in Burma hat Tausende über die Grenze nach Thailand getrieben. Dort leben sie weitgehend rechtlos in Lagern. Der Weg nach Hause wäre frei - doch Minen machen die Rückkehr lebensgefährlich.

Htee Soe Ehs Spähmission endet in einer Katastrophe. Über der Landmine wuchert Gras, der 19-Jährige kann den Sprengsatz nicht sehen. Dann eine dumpfe Explosion, Htee Soe Eh spürt einen stechenden Schmerz, dann verliert er das Bewusstsein. "Sag uns, ob wir wieder zurückkönnen", hatte seine Mutter ihm noch gesagt, bevor er aus dem thailändischen Flüchtlingslager in sein altes Heimatdorf in Burma los zog.

Der kurze Trip auf die burmesische Seite kostet dem Teenager sein linkes Bein. Es grenzt an ein Wunder, dass er nicht verblutet. Seine Freunde tragen ihn im Laufschritt durch den Dschungel zurück. Hetzen über Trampelpfade durch das Dickicht. Bis zum sicheren Lager auf thailändischer Seite. Ein halbes Jahr später steht er im kleinen Reha-Zentrum der Hilfsorganisation "Handicap International" .

Htee Soe Eh blickt in den mannshohen Spiegel, der für die Gehübungen am Ende der kleinen Halle steht. Die Haare hängen ihm halb ins Gesicht. Trotzdem erkennt man die Fassungsloskeit des jungen Mannes, wenn er sich mit nur einem Bein im Spiegel sieht. Er wendet sich ab: "Ich kann nur jeden warnen, der zurück geht. Passt auf, im Boden kann der Tod auf euch warten."

Die Flüchtlinge fürchten die gleichen Generäle

In den Gebieten, in denen sich einst Milizen der Karen-Minderheit und Regierungstruppen bekämpften, sind Landminen noch immer eine tödliche Gefahr. Erst seit 2012 schweigen in dem Areal längs der Grenze zu Thailand die Waffen. Doch überall liegen die Minen versteckt.

Es sind nicht nur die Sprengsätze, die dafür sorgen, dass die Rückkehr der Karen-Flüchtlinge in ihre Heimat in Burma schleppend läuft. Kaum einer traut der Regierung in der Hauptstadt. Das seien immer noch die gleichen Generäle, glauben viele Flüchtlinge. Und fürchten neue Gewalt in der Region. Deshalb bleiben viele in den Lagern.

Die ältesten Auffangeinrichtungen gibt es schon seit 30 Jahren. Am Lagereingang des Mae-Ra-Ma-Luang-Camps steht ein Checkpoint mit Sandsäcken, Stacheldraht und einer Wellblechhütte. Die Schranke schwingt nach oben, die Soldaten winken durch. Hinter den laubbedeckten Hütten aus Bambus ragt der Dschungel wie ein grüne Wand empor.

Die kleinen Häuser stehen auf hölzernen Stelen, nicht auf Betonfundamenten wie in den Dörfern der Thais. Zum Bau verwenden die Bewohner das, was der nahe Urwald hergibt. Viel mehr können sich die meisten nicht leisten. Andere Baumaterialien sind von den thailändischen Behörden aber auch gar nicht erwünscht. Obwohl die Camps seit Jahrzehnten bestehen, sind sie offiziell stets temporäre Lager geblieben.

Werden die Camps bald aufgelöst?

Nan Paw Htoos Hütte steht nicht weit vom Ufer eines kleinen Flusses: ein kleines Bambushäuschen, ebenfalls auf Stelzen. Die 46-Jährige hat Angst davor, ihre Unterkunft in nicht allzu ferner Zukunft verlassen zu müssen.

Wie die anderen im Lager fürchtet auch sie die Auflösung der Camps. Denn das könnte die Regierung ohne weiteres veranlassen, schließlich sind die Flüchtlinge in Thailand weitgehend rechtlos. Das Königreich hat bis heute die Flüchtlingskonvention von 1951 nicht ratifiziert. Es gibt weder ein Flüchtlingsgesetz noch ein funktionierendes Asylverfahren. Flüchtlinge, die außerhalb der vorgesehenen Lager für Burmesen leben, gelten als illegal.

Wollte Nan Paw Htoo das Lager verlassen, bräuchte sie eine Sondererlaubnis. Nur der Weg nach Burma ist offen. Niemand kontrolliert die Grenzgänger. Doch Nan Paw Htoo wüsste gar nicht, wie sie einen Besuch bewerkstelligen sollte, geschweige denn eine endgültige Rückkehr nach Burma.

"Meine Mutter würde den Transport nach Burma nicht überleben"

Vor drei Jahren hatte ihre Mutter einen Schlaganfall. Zuvor verschwand ihr Bruder spurlos, als er die Grenze überschritt, um die Lage im Heimatdorf Ta Tong zu erkunden.

Jetzt sind die beiden Frauen auf sich gestellt. Mehrmals am Tag wäscht Nan Paw Htoo ihre inkontinente Mutter. Jedes Mal ist das eine Herausforderung für die kleinwüchsige Frau, die zudem noch an Osteogenesis imperfecta leidet. "Ich habe Glasknochen. Was passiert, wenn ich einmal unachtsam bin und stürze? Wer kümmert sich dann um meine Mutter, wenn meine Knochen gebrochen sind?"

Vor sich hat sie auf einen kleinen Tisch Bananenblätter gelegt, füllt sie mit einem Teig. Auf ihre kleinen Kuchen schwören die Schulkinder. "Mit dem Kuchenverkauf bringe ich mich und meine Mutter so einigermaßen durch", sagt Nan Paw Htoo.

In Burma hätten sie nichts - selbst wenn sie die Reise irgendwie schaffen würden. Von der alten Heimat können sie also nur noch träumen.

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