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Schwieriger Reformprozess: Blutige Unruhen in Burma

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Gewaltsame Unruhen Burmas brüchige Reformen

Seit zwei Jahren ist Burmas Präsident Thein Sein im Amt - seither hat sich das Land geöffnet. Doch Kämpfe mit Rebellen und Gewalt zwischen Buddhisten und Muslimen drohen die Reformen zu ersticken. Auch das Image der Freiheitsikone Aung San Suu Kyi hat Kratzer bekommen.

Meiktila - Als Burmas Präsident Thein Sein am 30. März 2011 sein Amt antrat, machte sich Bauer Da Shi Naw wenig Hoffnung, dies werde sein Leben schnell verbessern. Aber der 61-Jährige rechnete nicht damit, dass es sich verschlechtern würde. Doch genau das geschah.

Kämpfe zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Einheiten der Minderheit der Kachin zerstörten die Reisfelder seiner Familie, die in einem Flüchtlingslager landete. Als die Armee Stellungen der Rebellen angriff, bebte im Lager die Erde. Die Behörden rieten den Bewohnern, selbst einen Unterschlupf zum Schutz bei Bombardements zu bauen.

Da Shi Naw grub eine rechteckige Grube, bedeckte sie mit Bambusstangen und kroch mit seiner Frau und dem zweijährigen Enkel hinein. "Wir können nirgendwohin flüchten, verlieren die Hoffnung. Unser Leben geht rückwärts", sagt er. "So schlimm war es noch nie."

Da Shi Naws Geschichte steht beispielhaft für die Probleme Burmas. In der Zeit war das Land international geächtet, ein Paria auf der Weltbühne. Umso unwirklicher schien der Wandel, der sich vor drei Jahren abzeichnete.

Als Präsident Sein am 30. März 2011 sein Amt antrat, glaubte kaum jemand, der frühere General habe ernsthafte Reformabsichten. Stattdessen übertraf er die Erwartungen. Heute ist Burma so demokratisch wie seit dem Militärputsch 1962 nicht mehr. Die Menschen haben Freiheiten, die noch vor wenigen Jahren undenkbar schienen. Das zahlte sich aus. Es gab internationales Lob, ausländische Investoren kamen ins Land.

Dutzende Toten bei Kämpfen zwischen Buddhisten und Muslimen

Die Kehrseite ist, dass nun viele Konflikte offen zutage treten, die von der Militärdiktatur unterdrückt worden waren - und diese Unruheherde gefährden den Reformprozess, wie selbst die Regierung zugibt.

Das Volk der Rohingya hat vom politischen Wandel in Burma noch nichts gemerkt - es wird genauso verfolgt wie zuvor unter den Militärs. Zu Tausenden fliehen die Menschen übers Meer, doch in anderen Ländern sind sie auch nicht willkommen. Auch im Norden ist von Burmas Zeitenwende kaum etwas zu spüren. Dort kämpft die Armee gegen die Minderheit der Kachin. Die Bewohner sprechen nicht von Wirtschaftsreformen, dem Ende der Zensur oder der Aufhebung westlicher Sanktionen.

Seins Regierung hat mit allen bewaffneten Rebellengruppen außer den Kachin Waffenstillstandsabkommen geschlossen. Kachin-Vertreter führen Gespräche mit der Regierung. Aber es wird immer noch gekämpft. Denn wichtige Forderungen ethnischer Minderheiten, etwa nach Autonomie, will die Regierung nicht erfüllen. Und ein stabiler Friede erscheint in Burma, wo ethnische Minderheiten etwa 40 Prozent der rund 60 Millionen Einwohner ausmachen, ohne Kompromiss unerreichbar.

Zudem liefern sich Buddhisten mit der muslimischen Minderheit blutige Auseinandersetzungen, eine Moschee brannte. Vor wenigen Tagen sah sich Sein genötigt, zur Ruhe aufzurufen und mit staatlicher Gewalt zu drohen. Seither hat sich die Lage ein wenig entspannt.

Dennoch drohen die Unruhen die Fortschritte im Land vergessen zu machen. Binnen zehn Tagen wurden dabei mindestens 43 Menschen getötet. Mehr als 1300 Häuser wurden laut einem Bericht der staatlichen Zeitung "New Light of Myanmar" zerstört, fast 11.400 Menschen sind obdachlos. Insgesamt gab es demnach mehr als 160 gewaltsame Zusammenstöße in 15 Städten. Knapp 70 Menschen seien festgenommen worden.

Die Unruhen waren in der Stadt Meiktila ausgebrochen. Ganze Stadtviertel und mehrere Moscheen gingen dort in Flammen auf. Mehr als 12.000 Menschen flohen nach Uno-Angaben aus der Stadt, über die der Ausnahmezustand verhängt wurde. Am Samstag vergangener Woche übernahm die Armee die Kontrolle über Meiktila.

Uno-Beobachter kritisiert Regierung

Sein sagte bei einer TV-Ansprache, derartige Konflikte seien in einer Phase demokratischen Übergangs zu erwarten. Er appellierte an seine Landsleute, die alten Methoden hinter sich zu lassen. Nur eine offene demokratische Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle Bürger sichere Frieden und Stabilität.

Solche Worte klingen für viele Betroffene zynisch. Nach Konflikten im Westen des Landes beschuldigten Menschenrechtsgruppen die Regierung, Sicherheitskräfte hätten durch Untätigkeit selbst zur Gewalt beigetragen und diese in manchen Fällen sogar befördert. "Die Regierung hat einfach nicht genug getan, um gegen organisierte und koordinierte Gruppen vorzugehen, die Hass entfachen und Gewalt gegen muslimische Gemeinden ausüben", sagte der Uno-Menschenrechtsbeobachter in Burma, Tomas Ojea Quintana.

Die Regierung wies die Vorwürfe zurück. Die Kritik lasse außer Acht, dass die Behörden sich sehr wohl um eine Befriedung des Landes bemühten.

Hinzu kommt, dass die Freiheitsikone Aung San Suu Kyi nicht mehr uneingeschränkt als nationale Identifikationsfigur taugt. Sie mischt in der Politik mit, will selbst Präsidentin werden.

Kritiker werfen ihr vor, sich nicht für die Opfer der Gewalt im Land einzusetzen. Seitdem sie im Parlament sitze, habe sie sich zu einer berechnenden Politikerin gewandelt, die jene Militärs hofiere, von denen sie einst unterdrückt worden sei.

Beispielhaft zeigte sich dies, als Suu Kyi vor kurzem mit Dorfbewohnern sprach, deren Land für eine Kupfermine übernommen worden war. Sie müssten mit dem Verlust leben, sagte sie den Betroffenen - und wurde dafür beschimpft.

ulz/AP/AFP
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