Schauspielerei bei Ceta-Verhandlungen Kanadas Außenministerin gibt falsche Tränen zu

Das Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada steht kurz vor der entscheidenden Abstimmung im EU-Parlament. Ausgerechnet jetzt sagt Kanadas Außenministerin Freeland, bei den Verhandlungen geschauspielert zu haben.
Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland

Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland

Foto: CHRIS BOLIN/ REUTERS

Kanadas Premierminister Justin Trudeau ist der Sonnyboy unter den Regierungschefs, und sein Auftritt vor dem Europaparlament am kommenden Donnerstag soll eine Art Ehrenrunde werden. Denn schon am Tag zuvor stimmen die Parlamentarier über das Handelsabkommen Ceta ab. Es gilt als nahezu sicher, dass die Abgeordneten den Vertrag absegnen - trotz des Widerstands von Linken, Grünen und Teilen der Sozialdemokraten. Ceta wäre dann vorläufig in Kraft, es müsste dann noch von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden.

Jetzt aber drohen sich Misstöne in den Besuch zu mischen - denn Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland hat offenherzig verraten, wie sie in den Verhandlungen mit den Europäern ihre Schauspielkünste eingesetzt hat. Im vergangenen Jahr war sie noch Handelsministerin und damit zuständig für Ceta.

Am 21. Oktober war es zum Höhepunkt des Dramas gekommen, dass die Wallonie verursacht hatte. Die kleine Region hat dank der Struktur Belgiens die Macht, Ceta mit einem Veto zu Fall zu bringen - und drohte, sie zu nutzen. Als die Wallonen selbst unter größtem Druck nicht nachgaben, verließ Freeland die Verhandlungen - und erzählte mit tränenerstickter Stimme vor laufender Kamera , wie traurig sie darüber sei, dass Europa selbst mit einem so freundlichen und geduldigen Land wie Kanada kein Abkommen schließen könnte.

Bei einem Besuch in Washington gab Freeland nun aber eine andere Version zum Besten. "Es war sehr wichtig, beim Hinausgehen nicht wütend zu wirken, weil wir wollten, dass die Wallonen sich schuldig fühlen", sagte Freeland nach Angaben mehrerer kanadischer Medien. "Sie wissen schon: 'Wir Kanadier, wir sind so toll, wir sind so nett.'" Sie habe eher einen "Ich bin traurig"- als "Ich bin wütend"-Ton treffen wollen.

Das hat offensichtlich bestens funktioniert: Die Europäer hätten sie anschließend geradezu angefleht, zu den Verhandlungen zurückzukehren. "Hinauszugehen war wichtig, weil es eine Krise verursacht hat und sie zu deren Problem gemacht hat", sagte Freeland laut einem Bericht  der Zeitung "Globe and Mail". In den 24 Stunden danach hätten die Europäer sie angerufen und gesagt: "Bitte gehen Sie nicht nach Hause, bitte, es tut uns so leid, Sie haben absolut recht, wir kriegen das hin." Und am Ende, sagte Freeman, "haben sie es getan".

Das kanadische Außenministerium kommentierte den Vorgang auf Anfrage nicht. Allerdings berichtete auch der kanadische TV-Sender CBC  über Freelands Auftritt. Demnach erklärte sie, dass sie bei ihrer Rückkehr nach Kanada für ihren Gefühlsausbruch scharf kritisiert wurde. Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary vermutet, dass Freeland womöglich auch deshalb einen echten emotionalen Moment nachträglich als ausgebufftes Verhandeln umzudeuten versuche.

"Letztlich ist das aber egal", so Caspary. "Wichtig ist, dass wir Ceta jetzt endlich beschließen." Ohnehin seien die Wallonen und ihr Regierungschef Paul Magnette für die Krise im Oktober verantwortlich gewesen. "Was Magnette abgezogen hat, war untragbar und unredlich", meint Caspary. "Die Wallonie war frühzeitig eingebunden, hat ihre Hausaufgaben aber nicht gemacht und dann ganz Europa in Geiselhaft genommen." Es sei bemerkenswert gewesen, dass Freeland sich als Ministerin eines Drittlands in die Niederungen der EU-Regionalpolitik begeben habe.

Anders äußerte sich der Grünen-Finanzpolitiker Sven Giegold. "Europäische Politiker sollten sich nicht von den Tränen der kanadischen Ministerin beeinflussen lassen, sondern von den Stimmen Hunderttausender Europäer, die Ceta ablehnen." Wie wichtig das sei, lasse sich daran erkennen, dass in den USA Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde: "Noch mehr Handel ohne starke soziale Regeln wird noch mehr Trumps erzeugen."

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