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Frankreich vs. Terroristen: Mit aller Härte der Gesetze

Foto: KENZO TRIBOUILLARD/ AFP

Kampf gegen Dschihadisten Alarmplan für Frankreich

Der Schock ist kaum überwunden, da will Frankreich mit drastischen Maßnahmen Härte beweisen. Die Sicherheitskräfte rüsten auf, Überwachung und Strafen werden verschärft. Der Opposition reicht das noch nicht.

Der Auftritt war dramatisch in Szene gesetzt: Unter der Überschrift "Generalmobilmachung gegen den Terrorismus" stellte Manuel Valls ein ganzes Bündel von Sicherheitsmaßnahmen vor. "Die Bedrohung war noch nie so hoch", warnte der Ministerpräsident am Mittwoch, weniger als zwei Wochen nach den blutigen Attentaten von Paris.

"Der Kampf wird einen langen Atem erfordern", so der Premier. Nach der Kabinettssitzung erklärte Valls, wie die Regierung beim "Krieg gegen Terror, Dschihadismus und radikalen Islamismus" aufrüsten will - rund 1300 Personen sind derzeit als mögliche Kämpfer klassifiziert, insgesamt stehen rund 3000 Menschen unter Überwachung.

Valls' Motto: "Eine außergewöhnliche Lage erfordert außergewöhnliche Mittel." Dazu zählen:

  • Geheimdienste und Innenministerium werden binnen drei Jahren 2680 neue Stellen erhalten, das Gesamtbudget für diesen Zeitraum wird um rund 425 Millionen Euro aufgestockt. Die Polizei erhält eine bessere Ausrüstung, mit schusssicheren Westen, Helmen und stärkeren Waffen.
  • Erleichtert werden soll das Abhören von Verdächtigen, ihre elektronische Überwachung und Verfolgung - mit "Express-Genehmigung".
  • Eingerichtet wird eine Datei für Personen, die wegen Terrorismus verfolgt oder verurteilt wurden. Das soll ihre Überwachung erleichtern.
  • Die Betreiber von Internetdiensten und sozialen Netzwerken sollen mehr Verantwortung bei der Veröffentlichung illegaler Inhalte übernehmen. Das Regierungsportal "Pharos" erhielt seit dem 7. Januar 30.000 entsprechende Hinweise.
  • Innerhalb der Jugendschutzbehörden soll eine eigene Behörde einrichtet werden, um auf die Radikalisierung von einzelnen Jugendlichen einzugehen.
  • Frankreichs Gefängnisse werden eine geschlossene Abteilung für radikale Islamisten erhalten. Zudem stellen die Haftanstalten - zu den etwa 180 muslimischen Geistlichen - weitere 60 Imame ein.

Insgesamt kein "Patriot-Act", mit dem die USA auf die Attentate vom 11. September 2001 reagierten, aber ein Schritt, mit dem die Regierung Härte und Effizienz signalisieren will - auch wenn das letzte Anti-Terror-Gesetz gerade erst vergangenen November verabschiedet wurde.

Dieses lässt bereits die Verfolgung von "individuellen Terroristen" zu, die sich außerhalb von islamistischen Netzwerken radikalisieren. Es gestattet ein Ausreiseverbot für angehende Dschihadisten. Unter Strafe steht zudem die Verherrlichung des Terrorismus.

"Verbindliche Antwort auf den Terror"

Dennoch sieht die Regierung Handlungsbedarf: Trotz der Mobilisierung von 122.000 Mann Sicherheitspersonal nach dem derzeitigen Alarmplan sehen 95 Prozent der Franzosen, laut Ifop-Umfrage, eine "erhöhte Bedrohung" - meist durch einheimische, isoliert agierende Dschihadisten.

Ergänzt werden soll die "kollektive und verbindliche Antwort auf den Terror" (Präsident François Hollande) daher durch pädagogische Hilfestellungen. Geplant sind etwa die Vermittlung "republikanischer Werte" in den Schulen und ein Zivildienst für alle Jugendlichen. Premier Valls will zudem gegen die sozialen Ungleichheiten vorgehen, "die Gettos, den gesellschaftlichen Apartheid und das soziale Elend".

Für die Opposition, überrollt vom Popularitätsanstieg bei Präsident und Premier, geht das jetzt vorgelegte Anti-Terror-Konzept nicht weit genug: Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National verlangte ein Referendum zur Wiedereinführung der Todesstrafe und will zudem eine "große nationale Debatte" über die von ihr ausgemachten Ursachen der Attentate - "Immigration, Kommunitarismus, Laizität und Außenpolitik".

Auch die Forderungen der konservativen UMP reichen über die Regierungsvorschläge hinaus. Nach dem Willen von UMP-Chef Nicolas Sarkozy sollen französische Terroristen künftig wegen "Herabwürdigung der Nation" belangt werden können. Der Straftatbestand, geschaffen nach dem Zweiten Weltkrieg, bedeutet den Entzug fast aller Bürgerrechte. Premier Valls hat in diesem Punkt Gesprächsbereitschaft versprochen.

Weiterhin fordert Sarkozy "Zentren zur Deradikalisierung", Sicherheitsverwahrung für Terroristen und den Ausschluss von Hafterleichterungen für einschlägig verurteilte Täter. Und Parteifreunde fordern die Wiedereinführung des Militärdienstes.

Auch politisch bröckelt bereits jetzt der "Geist des 11. Januar", als der republikanische Zusammenhalt mit einem Trauermarsch beschworen wurde. Sarkozy besteht auf einer parlamentarischen Untersuchungskommission zu den Attentaten. "Die Franzosen wollen die Wahrheit und wir auch", so der Oppositionschef: "Es geht nicht darum, eine Polemik anzuschieben, sondern die Ereignisse zu analysieren und daraus Lehren zu ziehen."

Zumindest bei der Koordination der Geheimdienste gibt es Nachholbedarf. Bislang sind die Dienste und ihre Anti-Terror-Einheiten, 13 Abteilungen insgesamt, auf drei Ministerien verteilt - und Pannen programmiert.

Ein drastisches Beispiel: Nach Angaben des Blattes "Canard Enchaîné" geriet Amedy Coulibaly am 30. Dezember zufällig in eine Verkehrskontrolle. Bei der Abfrage der Personaldaten wurde er als "gefährlich und einer islamistischen Gruppierung zugehörig" identifiziert. Die Anti-Terror-Behörden wurden informiert, reagierten aber nicht: "Keine Überwachung, keine Beschattung", so der Polizeibericht.

Einige Stunden später brach Coulibaly nach Spanien auf, um seiner Lebensgefährtin die Flucht nach Syrien zu ermöglichen. Der spätere Attentäter auf den koscheren Supermarkt in Paris blieb auch bei dieser Reise unentdeckt.

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