Islamistischer Terror
30 Jahre Haft für Hauptangeklagte im »Charlie Hebdo«-Prozess
Zwölf Menschen starben 2015 beim Anschlag auf die französische Satirezeitung »Charlie Hebdo«. Die wichtigsten Helfer wurden zu jeweils 30 Jahren Gefängnis verurteilt – einer von ihnen ist aber vermutlich schon tot.
Hauptangeklagter Ali Riza Polat (M.), Prozessbeteiligte am 14. Dezember (Zeichnung aus dem Gerichtssaal)
Foto: BENOIT PEYRUCQ / AFP
Im Prozess um den Anschlag auf die französische Satirezeitung »Charlie Hebdo« sind die Hauptangeklagten zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Ein Pariser Gericht sprach Ali Riza Polat am Mittwoch als »Komplizen« schuldig. Er half demnach den Islamisten, die im Januar 2015 »Charlie Hebdo« und einen jüdischen Supermarkt überfielen und insgesamt 17 Menschen töteten. Polat gilt als rechte Hand des Attentäters Amédy Coulibaly, der nach dem Überfall auf das Magazin eine Polizistin erschoss und vier Geiseln in einem Supermarkt tötete.
Das Gericht habe festgestellt, dass Polat dem Attentäter Coulibaly in konkreter und detaillierter Weise entscheidend geholfen habe, seine kriminellen Handlungen auszuführen, begründete der Vorsitzende Richter Régis de Jorna dem Sender France Inter zufolge seine Entscheidung. Er habe ausreichend Kenntnis von Coulibalys Absichten gehabt. Polat kündigte umgehend Berufung an.
Der zweite Hauptangeklagte Mohamed Belhoucine wurde nach Einschätzung von Geheimdiensten vermutlich in Syrien getötet, das Urteil gegen ihn gilt deshalb als symbolisch.
Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft gefordert. Sie hatte argumentiert, dass der Franzose mit türkischen Wurzeln eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung der Anschläge gespielt habe. Polat hatte immer geleugnet, von den Anschlagsplänen gewusst zu haben.
In der Verhandlung um die Terrorserie vom Januar 2015 sind 14 Menschen angeklagt – drei von ihnen sind aber flüchtig. Die 13 weiteren Angeklagten wurden zu vier Jahren Gefängnis bis zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Gegen drei von ihnen erging das Urteil in Abwesenheit, sie werden mit internationalem Haftbefehl gesucht. Der Prozess war der bisher größte wegen islamistischer Anschläge in Frankreich und gilt deshalb als »historisch«.
Der Redaktionsleiter von »Charlie Hebdo«, Laurent Sourisseau, äußerte die Hoffnung, dass mit dem Urteil »der Kreislauf der Gewalt endet, der in den Redaktionsräumen von Charlie Hebdo begann«. Das Trauma der Überlebenden aber bleibe, wie die Aussagen der Opfer vor Gericht gezeigt hätten, schrieb er unter seinem Künstlernamen Riss in einem Leitartikel. Sourisseau hatte den Anschlag schwer verletzt überlebt.
Während der Prozess unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im neuen gläsernen Gebäude des Justizpalasts lief, wurde Frankreich wieder Opfer des Terrors – gleich dreimal innerhalb weniger Wochen. Ein Attentäter griff zwei Menschen vor den ehemaligen Redaktionsräumen von »Charlie Hebdo« an. Der brutale Mord am Lehrer Samuel Paty löste internationales Entsetzen aus, so wie auch der Anschlag in einer Kathedrale in Nizza. Wieder waren den Erkenntnissen nach die Mohammed-Karikaturen Motiv der Attacken – so wie schon vor knapp sechs Jahren.