Gewaltausbruch in Charlottesville Vereint im Rassenhass

Eine neue Rechte probt in den USA die Zusammenarbeit mit Rassisten und Neonazis. Sie sucht den direkten Kampf mit dem Feind. Das Bündnis zeigte sich deutlich wie nie in Charlottesville. Eine Eskalation mit Ansage.
Rechte Demonstranten in Charlottesville

Rechte Demonstranten in Charlottesville

Foto: Steve Helber/ AP

Wer sie kommen sah, mit ihren Helmen und Schutzschilden, mit ihren offen getragenen Pistolen, ahnte sofort: Hier passiert etwas. Und tatsächlich, der Aufmarsch rassistischer Gruppen in Charlottesville eskalierte.

Die Ultrarechten und linke Gegendemonstranten prügelten aufeinander ein, besprühten sich mit Chemikalien. Am Samstagnachmittag steuerte dann jemand sein Auto in eine Gruppe Gegendemonstranten - allem Anschein nach mit Vorsatz. Er tötete eine Frau und verletzte 19 weitere Menschen.

Wie konnte es zu dieser Gewaltexplosion im beschaulichen Unistädtchen Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia kommen? Und wer sind die rechten Gruppen, die teilweise in Kampfmontur aufzogen und dafür sorgten, dass Hakenkreuze und Hitlergrüße über die Bildschirme Amerikas flimmerten?

Vordergründig ging es in Charlottesville um das Denkmal des Kriegsgenerals Robert E. Lee, der Truppen der Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg befehligte. Manchen gilt er als Kriegsheld, anderen als oberster Verteidiger des Unterdrückungssystems der Sklaverei. Die Statue soll entfernt werden.

Es gibt Hunderte solcher Denkmäler für die Konföderiertenzeit, und um viele von ihnen toben Erinnerungsschlachten. Eine neue rechte Bewegung dockt an diese Streitigkeiten gezielt an. So war es auch in Charlottesville. Was dort passiert ist, steht stellvertretend für Entwicklungen in Amerikas rechter Szene und für eine neue Art der Konfrontation im polarisierten Land.

Die Berührungsängste verschwinden

Neue Ultrarechte finden mit unverbesserlichen Rassisten und alten Rechtsextremen zusammen - die Berührungsängste scheinen zu verschwinden. Die "Vereinigt die Rechte"-Demonstration in Charlottesville, kurz vor ihrem geplanten Start wegen Sicherheitsbedenken abgesagt, wurde von einem Mann vor Ort organisiert, der sich als Aktivist für Weiße versteht und in mehreren Gruppen der sogenannten "Alt Right"-Bewegung (kurz für alternative Rechte) aktiv ist. Er meldete zunächst 400 Mitglieder an.

Doch der Protest zog auch schon länger bestehende Gruppen von Neonazis und alte Rassisten an. Eine Lageeinschätzung der Polizei zeigt, dass sie sich auch auf folgende Gruppen einstellte:

  • 500 Mitglieder des Ku-Klux-Klan (KKK)
  • 200-300 Anhänger paramilitärischer Milizen, die die Regierung ablehnen und zuletzt Anfang 2016 bei der Besetzung eines Naturschutzgebietes in Oregon in Erscheinung traten
  • 150 oder mehr Mitglieder der Bruderschaft der Alt-Knights

Die Alt-Knights und ähnliche Gruppen haben eine neue Form der Straßengewalt in die Demonstrationen der USA gebracht. Während sich traditionelle Hassgruppen wie der KKK bei ihren Aufmärschen meist damit zufriedengeben, im öffentlichen Raum ihre Parolen auszubreiten (Amerikas Meinungsfreiheit geht deutlich weiter als die deutsche), suchen diese den körperlichen Nahkampf mit ihren ideologischen Gegnern: mit linken Aktivisten, Bürgerrechtlern, Vertretern von Minderheiten.

Dieser Kampf wird auf Universitätscampussen ausgefochten, oft - wie in Charlottesville - bei Aktionen, die sich gegen das Entfernen von Südstaaten-Denkmälern richteten, oder bei Spottkundgebungen gegen den Islam oder bei Protesten für "Meinungsfreiheit", die sie veranstalten. Auf der anderen Seite rüsten sich linke und antifaschistische Aktivisten ebenfalls - auch sie teilen mitunter Faustschläge aus ("Punch a Nazi") und auch in Charlottesville sah man Teile dieser Gegenseite teilweise hochgerüstet.

Schlagkraft aus dem Internet

In den USA werden Mitglieder der Gruppen als "white supremacists" oder "white nationalists" bezeichnet. Es ist nicht immer leicht, die Grenze zwischen Gruppen zu ziehen, die erzkonservativ sind, und solchen, die Minderheiten hassen und gewaltbereit sind. Gemeinsam haben die Gruppen zwei Dinge: die Angst davor, dass die Weißen eine Minderheit in Amerika werden - und eine gewisse Aufbruchsstimmung durch den Wahlsieg Donald Trumps.

Im Zentrum der neuen Unübersichtlichkeit steht die "Alt Right". Die jungen weißen Männer wenden sich gegen das, was sie als politische Korrektheit und Identitätspolitik von Minderheiten bezeichnen. Diese Bewegung hat ihre Schlagkraft im Internet entfaltet, wo sie immer wieder Kampagnen gegen liberale Aktivisten und insbesondere Aktivistinnen startete und eine zentrale Rolle im Wahlkampf Trumps gespielt hat. Der Begriff "Alt Right" ist bei Linken verpönt, weil sie ihn als Beschönigung von weißem Nationalismus, Rassen-, Islam- und Frauenhass sehen. Die sich smart gebenden Anführer dieser Bewegung verwischen selbst immer wieder die Grenzen zum Rechtsextremismus.

Das verdeutlicht etwa ein Fackelzug durch Charlottesville am Abend vor der Eskalation, eine kaum misszuverstehende Anspielung auf die Rituale des KKK. Auch Richard Spencer, ein Anführer der Bewegung, gefällt sich in ständiger Provokation. Er fordert etwa, nur noch weiße Immigranten ins Land zu lassen.

Kokettieren mit Trump

Die Szene kokettiert mit einer angeblichen Verbindung zu Trump. Kurz nach dem Wahlsieg inszenierte sich Spencer etwa als Mastermind einer neuen Bewegung. Die "Alt Right" sei lange ein Kopf ohne Körper gewesen - ein elitärer Zirkel, wenn man so will, ohne große Anhängerschaft, erklärte Spencer damals. Das Trump-Phänomen hingegen sei ein Körper ohne Kopf gewesen, also eine diffuse Massenbewegung ohne klare Stoßrichtung. Nun komme beides zusammen, eine Trump-right sozusagen. Eine Rede schloss er mit dem Ausruf "Heil Trump".

Das hat er gemeinsam mit Alt-Rassisten wie dem früheren KKK-Anführer David Duke. Er diktierte in Charlottesville gern noch einmal in die Mikrofone, man wolle die Versprechen Trumps erfüllen.

Andere Gruppen verhehlen ihre neonazistische Ausrichtung kaum noch. Vanguard America etwa entstammt auch dem Phänomen der "Alt Right", nennt nun aber als ihr Ziel "Faschismus in Amerika". Ihr Schlachtruf, in Charlottesville deutlich zu hören, ist "blood and soil" (Blut und Boden). In den sozialen Netzwerken zirkulieren jetzt Bilder, die zeigen sollen, dass der mutmaßliche Auto-Attentäter von Charlottesville zuvor in ihren Reihen demonstriert haben soll. Ein Sprecher dementierte, dass der mutmaßliche Täter Mitglied sei.

Nationalsozialistische Splittergruppen gibt es in den USA seit Langem, sie sind gesellschaftlich und politisch isoliert, ihre Zustimmung bewegt sich im Promillebereich. Doch die Brandmauer beginnt zu bröckeln, wenn sie mit neuen smarten Vertretern der "Alt Right" gemeinsame Sache machen und sich der Präsident der Vereinigten Staaten von offenem Rechtsextremismus nicht distanzieren will.

Die Neonazi-Website "Daily Stormer" konnte etwa nach den Äußerungen Trumps zur Gewalt von Charlottesville am Samstagabend jubeln. "Trumps Anmerkungen waren gut", hieß es im Liveticker der Hetzseite. "Er hat uns nicht angegriffen. Er hat nur gesagt, die Nation müsse zusammenfinden."

Im Video: Gewalt bei Rassisten-Aufmarsch

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