Chemiewaffenangriffe in Syrien »Menschen lagen wie Ameisen auf dem Boden«
Die Schreie der Opfer vom Giftgasangriff auf Ghouta - haben sich ins Gedächtnis der Syrerin Eman eingegraben.
Die Krankenschwester will, dass der syrische Machthaber Bashar al Assad und die Verantwortlichen für den Angriff angeklagt werden. Deshalb sind sie und ihr Mann Mohammed Zeugen der Strafanzeige, die Menschenrechtsorganisationen in Deutschland eingereicht haben. Sie bitten uns, anonym zu bleiben - aus Angst um ihre Familie:
Eman F
Ich sorge mich um meine Mutter und Schwestern, die noch in Syrien leben, denn es ist ein Unrechtsregime. Es hasst uns und hat keine Gnade. Es hat keinGewissen... sonst hätten sie uns das nicht angetan
Am 21. August 2013 schlagen im von Rebellen gehaltenen Ost-Gouta mindesten vier Giftgas-Raketen ein - befüllt mit dem tödlichen Sarin.
Mehr als tausend Menschen sterben. Männer Frauen und viele Kinder - unter ihnen auch der älteste Sohn von Eman und Mohammed. Sie selbst sind tagelang ohne Bewusstsein.
Bis heute streitet der syrische Staat jede Verantwortung für dieses Kriegsverbrechen ab.
Mohammed F.
Ich hoffe, dass ich eines Tages vor dem Richter stehen und erzählen kann, was diese Chemieangriffe uns angetan haben.
Eman F
Es war war so schrecklich, dass ich es euch nicht beschreiben kann. Menschen lagen wie Ameisen auf dem Boden, die man mit einem Spray getötet hat. Ich kann diese Bilder einfach nicht vergessen.
Hadi al Khatib ist von der Schuld des syrischen Regimes überzeugt. Jahrelang hat der Gründer des Syrian Archives zusammen mit zwei anderen Menschenrechtsorganisationen minutiös Abschussorte, Raketen und den zeitlichen Ablauf der Angriffe analysiert. In ihrer Strafanzeige dokumentieren sie aber auch, dass Syrien jahrelang ein geheimes Chemiewaffenprogramm unterhielt - und wo das Giftgas gelagert wurde.
Hadi Al Khatib, Gründer Syrian Archive/Founder Syrian Archive
Nach unseren Recherchen gehen wir davon aus, dass sehr wahrscheinlich die Abteilung 450, ein Zusammenschluss von mehreren Spezialeinheiten, die Angriffe koordiniert und ausgeführt hat.
Zusammen mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel konnte das Investigativteam der DW die vertrauliche Dokumentation einsehen. 50 Überläufer aus dem Inneren des syrischen Machtapparates kommen in der Strafanzeige zu Wort. Sie nennen auch Namen von mutmaßlich Verantwortlichen: darunter Syriens Machthaber Bashar al Assad und sein jüngerer Bruder Maher.
Steve Kostas, Open Society Justice Initiative
Ein Zeuge hat uns beschrieben, dass normalerweise Maher al Assad den Einsatz von Sarin-Gas beantragt. Die Anfrage wird dann an den Präsidentenpalast weitergeleitet wird, wo er genehmigt wird. Wir glauben deshalb, dass Baschar al-Assad den Einsatz genehmigt oder angeordnet hat.
Die Strafanzeige wurde im Oktober beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe eingereicht. Dort ermittelt seit Jahren die sogenannte war crimes unit zu Kriegsverbrechen in Syrien.
Die Bundesanwaltschaft bestätigt uns den Eingang der Strafanzeige - äußert sich aber nicht zu konkreten Fällen. Nur so viel: man sei dabei, die Beweise zu prüfen und werde dann entscheiden, ob gegen Einzelpersonen ein Verfahren eingeleitet werde. Das kann Wochen oder sogar Monate dauern.
Krankenschwester Eman leidet bis heute an nervösen Zusammenbrüchen und muss Tabletten nehmen, um irgendwie über den Tag gekommen. Doch dass in Deutschland jetzt ermittelt wird, gibt ihr Kraft - und die Hoffnung dass die, die für all ihr Leid verantwortlich sind, irgendwann zur Rechenschaft gezogen werden.