Geheime Dokumente der Kommunistischen Partei zeigen, dass China Hunderttausende Uiguren einsperren lässt. Ein internationales Journalistenteam wertete die Papiere aus. Die Regierung in Peking hat Drangsalierung stets bestritten.
Die Außenbefestigung eines mutmaßlichen Internierungslagers für Uiguren in der Provinz Xingjiang
Foto: Greg Baker/AFP
Dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) sind Dokumente der Kommunistischen Partei zugespielt worden, die die massenhafte Internierung von Uiguren in der Provinz Xinjiang belegen.
Bereits in der vergangenen Woche hatte die New York Times geleakte Dokumente veröffentlicht, die die Verteidigungslinie der chinesischen Regierung erschüttert hatten. Diese hatte immer behauptet, dass es sich zwar um Lager handele, die Mitglieder der muslimischen Minderheit der Uiguren sich dort jedoch freiwillig aufhielten.
Die "China Cables"-Dokumente belegen den Berichten zufolge, dass die Lagerinsassen in der Regel ein Jahr inhaftiert werden. Dort sollen sie ihrer Religion abschwören und stattdessen die Ideologie der Kommunistischen Partei übernehmen. Nach Schätzungen sind derzeit mehr als eine Million Uiguren im Nordwesten Chinas interniert.
"Es dürfen auf keinen Fall Ausbrüche vorkommen"
In den Dokumenten taucht ein neunseitiges Manual für das Management von Lagern auf. Es sei 2018 von der "Kommission für politische und rechtliche Angelegenheiten" der Kommunistischen Partei in Xinjiang verfasst worden, heißt es in den Berichten. Unter dem Titel "Stellungnahme zur weiteren Verstärkung und Standardisierung von Erziehungs- und Ausbildungszentren für berufliche Fertigkeiten" werden mehr als 20 Regeln aufgeführt. Wörtlich heiße es: "Es dürfen auf keinen Fall Ausbrüche vorkommen." Alle Zimmer und Gänge müssten strengstens abgesperrt werden. Damit wäre die Behauptung der chinesischen Führung widerlegt, wonach sich Menschen dort freiwillig aufhalten würden.
Weiterhin ist in den Dokumenten von einer Überwachungsdatenbank die Rede, in die Informationen aus verschiedenen Quellen einfließen würden: von Verhören, von Überwachungssoftware, aber auch Informationen jener Überwachungskameras, die in Xinjiang überall zu sehen sind. "Ziel ist es, die Bürger von Xinjiang zu transparenten Bürgern zu machen", wird aus den Dokumenten zitiert.
Lesen Sie auf SPIEGEL+ eine Reportage aus Xinjiang vom SPIEGEL-Korrespondenten Bernhard Zand.
Aus den "China Cables" geht laut den Berichten hervor, dass die Behörden innerhalb einer einzigen Woche im Juni 2017 insgesamt 15.638 Uiguren aus Xinjiang festgenommen und in Lager gesteckt haben.
Die Papiere wurden dem ICIJ laut "Süddeutscher Zeitung" von Exil-Uiguren zugespielt. Die ursprüngliche Quelle sei offenbar eine Person in Xinjiang, die den Journalisten nicht bekannt sei. ICIJ gehören weltweit 17 Medien an, darunter die BBC, die "New York Times" und der "Guardian". In Deutschland waren neben der "Süddeutschen" Zeitung der Norddeutsche und Westdeutsche Rundfunk beteiligt.
Anmerkungen: In einer früheren Version des Artikels hieß es, zum Verbund des ICIJ gehöre die "New York Post". Richtig ist: Die "New York Times" zählt dazu.